B. Kägler: Frauen am Münchener Hof (1651-1756)

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Titel
Frauen am Münchener Hof (1651-1756).


Autor(en)
Kägler, Britta
Reihe
Münchener Historische Studien. Abteilung Bayerische Geschichte 18
Erschienen
Anzahl Seiten
623 S.
Preis
€ 48,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Julia Schwarz, Historisches Institut, Universität Bern

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen die Frauen des Münchener Hofes im 17. und 18. Jahrhundert. Die kulturgeschichtliche Studie konzentriert sich auf die bayerische Hofgesellschaft und versteht den Münchener Hof als Kommunikationsraum, womit sie der aktuellen Hofgeschichtsforschung gerecht wird. Systematische Untersuchungen zur Bedeutung des Münchener Hofes fehlen bislang, so auch bündelnde Betrachtungen einzelner Berufsstände oder sozialer Gruppen. Britta Kägler nutzt für ihre Dissertation das in der Frauen- und Geschlechtergeschichte verwendete Analysekriterium „Handlungsspielraum“, um die Einflussmöglichkeiten von Amtsträgerinnen und weiblichen Mitgliedern der Fürstenfamilie zu erfassen. Hierbei finden sowohl personenbezogene Faktoren als auch die Stellung zum Fürsten Berücksichtigung. Von diesem Vergleich der verschiedenen (Gruppen von) Frauen verspricht sich die Autorin besonders interessante Ergebnisse. Die untersuchten Frauen (Amtsträgerinnen, Prinzessinnen, Kurfürstinnen, Mätressen) werden nicht als einheitliche Gruppe behandelt, sondern in jeweils einzelnen Kapiteln betrachtet.

Anhand einer prosopographischen Auswertung der Besoldungsbücher des Hofzahlamtes zeigt die Autorin im Kapitel zu den Amtsträgerinnen die Sozialstruktur des frühneuzeitlichen Münchener Hofes auf. Mit Hilfe von anschaulichen Grafiken erfolgt die Darstellung der allgemeinen Personalstruktur des Hofes sowie deren Entwicklung während des Untersuchungszeitraums. Das Frauenzimmer wird mit seiner Ämterstruktur, den verschiedenen Aufgabenbereichen und den amtsbedingten Rechten und Pflichten ausführlich dargestellt. Den Alltag im Frauenzimmer strukturierte eine tiefe katholische Frömmigkeit, womit die Kurfürstin ihrer religiösen Vorbildfunktion als Landesmutter gerecht wurde. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Mehrheit der Amtsträgerinnen aus dem Adel der altbayerischen Gebiete stammte, wobei die jeweilige Kurfürstin die Zusammensetzung ihres Frauenzimmers maßgeblich beeinflusste. Die jeweilige Stellung innerhalb des Frauenzimmers war vom persönlichen Vertrauen der Kurfürstin abhängig.

Bei der Erziehung der wittelsbachischen Prinzessinnen stand die Vorbereitung auf die höfisch-repräsentativen Funktionen und damit auf möglichst vorteilhafte Eheverbindungen im Vordergrund. Letzteres hatte oberste Priorität, weil sich die bayerischen Kurfürsten auf diesem Wege in das europäische Mächtekonzert einzureihen versuchten. Einfluss auf die Gestaltung des Hoflebens konnten die bayerischen Prinzessinnen kaum nehmen, zumal ihre Erziehung auf den Abschied vom Hof ausgerichtet war.

Die Kurfürstinnen waren zunächst Fremde am Münchener Hof. Als solche erschienen sie aufgrund des Gefolges aus ihrer alten Heimat, der Sprachbarrieren und der fehlenden Vertrautheit mit bayerischen Gepflogenheiten. Größe und Zusammensetzung des vertrauten Gefolges stellten zugleich einen Kostenfaktor und ein mögliches Konfliktpotential dar. Leicht konnte der Eindruck von Bevorzugung und Protektion entstehen, wenn eine Kurfürstin zum Personal aus ihrer alten Heimat ein besonderes Vertrauensverhältnis pflegte. Die bayerischen Bediensteten des Frauenzimmers wurden bereits vor Ankunft der neuen Kurfürstin und ohne deren Mitsprache ausgewählt. Im Konfliktfall stellte das ausländische Gefolge das schwächste Glied innerhalb der Hofgesellschaft dar.

Welche politischen, familiären und kulturell-religiösen Handlungsspielräume sich die Landesherrin erschließen konnte, hing von der jeweiligen Kurfürstin ab. Ihre Stellung beeinflussten schon die im Heiratsvertrag ausgehandelten Punkte wie Morgengabe und Aussteuer. Da am frühneuzeitlichen Herrscherhof öffentliche und private Sphäre nicht voneinander getrennt waren, hatten die Kurfürstinnen die Möglichkeit, über ihre Zugangsmöglichkeiten zum Herrscher ebenso wie über die Kontakte zur eigenen Familie und zu Freunden und Bekannten politischen Einfluss auszuüben. Für die grenzüberschreitende Vernetzung des Kurfürstentums waren die dynastischen Netzwerke der bayerischen Kurfürstin wichtig. Hierbei ist festzuhalten, dass sowohl die Kommunikation innerhalb des Frauenzimmers als auch die über Bayern hinausgehenden Korrespondenzen auf die Verwirklichung von Eigeninteressen gerichtet waren. Die hier untersuchten vier bayerischen Kurfürstinnen waren alle politisch eingebunden, das heißt sie empfingen auch Gesandtschaften. Dies taten sie entweder gemeinsam mit dem Kurfürsten oder allein in Anwesenheit ihres weiblichen Gefolges. Da das Kurfürstenpaar das Herrscherhaus nach außen hin gemeinsam vertrat, stellte das Frauenzimmer der Kurfürstin für auswärtige Gesandte eine wichtige Anlaufstelle dar. Kägler geht für das Frauenzimmer von einer unterstützenden Diplomatie aus, die die offizielle, zumeist männlich besetzte Diplomatie des Münchener Hofes auf informelle Weise ergänzte. Abschließend stellt die Autorin fest, dass „Verallgemeinerungen nicht möglich sind und letztlich jede Kurfürstin als Einzelfall betrachtet werden muss“ (S. 271).

Mit Mätressen mussten bayerische Kurfürstinnen erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts um Gunst und Einfluss konkurrieren, jedoch blieb es anders als in Frankreich unüblich, eine Geliebte als „maîtresse en titre“ am Hof einzuführen. Wie alle Adligen erhielten die Mätressen ihren Platz in der höfischen Hierarchie abhängig von Familienstand, Amt und Titel. Obwohl eine Mätresse nicht in direkte Konkurrenz zur Kurfürstin treten konnte, stellte sie für Amtsträger, bayerische Adlige und auswärtige Gesandte aufgrund ihrer Nähe zum Herrscher eine interessante Anlaufstelle am Hof dar. Vor allem wenn es sich um eine langfristige Beziehung zum Herrscher handelte, beschnitt eine Mätresse die Einflussmöglichkeiten der Kurfürstin. Denn eine Geliebte mit dauerhaftem und direktem Zugang zum Kurfürsten verdrängte dessen Ehefrau automatisch aus dem Mittelpunkt des Geschehens. Obwohl eine Mätresse im Rang immer unterhalb der Landesherrin blieb, konnte sie ihre Beziehung zum Herrscher politisch instrumentalisieren. Insgesamt gewannen die Mätressen am bayerischen Hof jedoch nur in Ausnahmesituationen wie der Exilzeit des Kurfürsten Max Emanuel nennenswerten kulturellen und politischen Einfluss.

Um die Differenzen zwischen normativem Anspruch des Hofes und tatsächlichem Verhalten der Bediensteten im höfischen Alltag zu untersuchen, geht Kägler von den kurfürstlichen Instruktionen aus. Diese versinnbildlichen den angestrebten Idealzustand einer höfischen Ordnung. Ein geordneter Ablauf des Alltagsgeschehens galt als Zeichen fürstlicher Handlungskompetenz und Macht, wobei die laufenden Nachbesserungen auf Konflikte und Normverstöße verweisen. Den „weiblichen Hof in Norm und Praxis“ erläutert die Autorin unter anderem anhand der Versorgung der adligen Frauen des Gefolges, welche in der Regel Kost, Logis und eine reguläre Besoldung umfasste, und mittels des höfischen Kulturtransfers. Als besonders konfliktträchtig erwies sich jedoch der Bereich des höfischen Zeremoniells, beispielsweise Anredeformen und Zutrittsrechte. Für die Einhaltung der Vorschriften waren in erster Linie die Obersthofmeisterin, der sämtliche weibliche Mitglieder des Hofstaates unterstanden, und die Fräuleinhofmeisterin zuständig. Doch oberste Kontrollinstanz und Bezugspunkt ihres Hofstaates war die Kurfürstin selbst. Insgesamt zeichnete sich der Münchener Hof durch eine größtmögliche Aufgabenverteilung und Ämtervielfalt aus. Diese Hofdienste konnten als Ausgangspunkt weiblicher „Karrieren“ dienen, da das Innehaben solcher Ämter für den Adel eine hohe Ehre war und somit symbolisches Kapital darstellte. Damit erhielten die Frauen die Möglichkeit, sich Handlungsspielräume zu erschließen und eigene Anliegen zu verfolgen, wie zum Beispiel die Protektion und Begünstigung von Verwandten. Zudem fungierte die Hofgesellschaft als zentraler Heiratsmarkt des bayerischen Kurfürstentums.

Abschließend hält Kägler fest, dass die Handlungsspielräume von Frauen eine politische, gesellschaftliche und persönliche Dimension hatten. Das Frauenzimmer stellte eine zentrale „Institution“ des bayerischen Gesamthofstaates dar und war Anlaufstelle für Bittsteller, Reisende und Gesandte. Trotz des relativ engen persönlichen Bewegungsspielraums verfügten adlige Frauen über Handlungsoptionen im religiösen, sozialen, kulturellen und politischen Bereich.

Der Münchener Hof der Frühen Neuzeit im Allgemeinen und auch die wittelsbachischen Frauen und deren Bedienstete stellen noch immer ein weitgehendes Forschungsdesiderat dar. Mit ihrer sorgfältigen und sehr angenehm lesbaren Untersuchung zu den Frauen am Münchener Hof leistet die Autorin einen wichtigen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücken. Gerade angesichts der europäischen Bedeutung des bayerischen Hofes im 17. und 18. Jahrhundert kann man auf weitere Studien hoffen.

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