Der vorliegende Sammelband ist das Ergebnis einer zweijährigen, sehr produktiven Kooperation von Historikerinnen und Historikern aus Tschechien, Polen, Österreich und Deutschland. Vorangegangen waren zwei Tagungen zu den Themen „Female Religious Life in East-Central Europe in the Long Eighteenth Century“ (Graz, Juli 2011; 13th Congress of the International Society for Eighteenth Century Studies) und „Piety and Fluidity of the Boundaries between Convent and World“ (Opava, April 2012). Das von Aufklärung und Säkularisierungstendenzen geprägte „lange“ 18. Jahrhundert – mit deutlichen Rück- und Ausblicken ins 17. und 19. Jahrhundert – und die fließenden Grenzen „zwischen Kloster und Welt“ bzw. die Verbindungslinien der (scheinbar oder tatsächlich) in klösterlicher Abgeschiedenheit lebenden Religiosen zu der sie umgebenden Gesellschaft bilden denn auch den roten Faden des vorliegenden Bandes. Damit sind zwei unterschiedliche Aspekte angesprochen, die in den insgesamt elf Beiträgen jedoch überzeugend verschränkt werden: zum einen die Frage nach den Auswirkungen der Säkularisierung – im vorliegenden Kontext konkret der Josephinischen Reformen – auf Selbstverständnis und Handlungsmöglichkeiten der Klöster, zum anderen die Frage nach der Diskrepanz zwischen Norm und Realität der Klausurvorschriften, die für religiöse Frauengemeinschaften im 17. Jahrhundert eine besondere Relevanz hatten.
Der Band gliedert sich in drei thematische Komplexe, die zugleich unterschiedliche Perspektiven der Fragestellung repräsentieren: die Kontakte einzelner Gemeinschaften „über die Klausurmauern hinweg“ (so die Beitäge von Zdichynec, Maegraith, Przybyłowicz), das – ebenfalls die Klausurmauern durchdringende – „Hineinregieren“ staatlicher Behörden in die Klöster (dazu die Beiträge von Schneider, Forster, Tropper) sowie schließlich die Fragen nach der „Selbstvergewisserung“ der Frauen angesichts des Spannungsverhältnisses von gewollter oder geforderter religiöser contemplatio im Sinne eines „Rückzugs“ einerseits und faktisch gelebter Vernetzung mit der „Außenwelt“ andererseits (dazu die Beiträge von Facchinelli, Gigler, Benz, Schröder). Vorangestellt ist eine programmatische, den Forschungsstand zusammenfassende Einleitung von Veronika Čapská. Ebenfalls übergreifenden Charakter hat die umfangreiche Bibliographie im Anhang.
Zu den Beiträgen im Einzelnen: Jan Zdichynec thematisiert am Beispiel der oberlausitzischen Zisterzienserinnenklöster Sankt Marienthal und Sankt Marienstern „Vorschriften, Wahrnehmung und Praxis“ der klösterlichen Klausur, die im Gefolge der Regelungen des Konzils von Trient für die frühneuzeitlichen Frauenklöster eine neue Brisanz gewonnen hatte. Er kann zeigen, dass zwar auf allen Ebenen der Ordenshierarchie auf diese Vorschriften verwiesen wurde, dass aber faktisch „die Nonnen selbst die Klausur in der Praxis ausgestalteten“ (S. 68), Kontakte nach „außen“ pflegten und dies – ungeachtet der seit Trient mehrfach wiederholten Verbote – als eine erlaubte Selbstverständlichkeit ansahen. Insbesondere die Reaktionen der Nonnen auf eine Klausurkonstitution von Papst Bonifaz XIV. aus dem Jahr 1742 zeigen, wie die obrigkeitlichen Normierungsversuche mit dem Verweis auf die consuetudo unterlaufen wurden: In Belgien, Österreich und Frankreich habe die Klausur nicht zu den „Gewohnheiten“ gehört und sich daher auch nicht durchsetzen lassen (S. 56). Zdichynecs Darstellung setzt bereits im späten 16. Jahrhundert an und überschreitet damit deutlich den zeitlichen Rahmen des Sammelbandes. Andererseits kommt der gründliche Überblick über die frühneuzeitliche Klausurproblematik auch dem Verständnis und der Einordnung der anderen Beiträge zugute.
Strenge Klausurvorschriften wurden insbesondere dort obsolet, wo die konkreten Tätigkeitsfelder der Klöster auf Kontakte „nach außen“ angelegt waren. Janine Christina Maegraiths Beitrag illustriert dies am Beispiel jener Nonnen in südwestdeutschen Klöstern, die als Apothekerinnen und Medizinerinnen vor allem in ländlichen Gegenden auch nach 1803 noch gefragt waren. Einen flexiblen – den Gewohnheiten und Notwendigkeiten angepassten – Umgang mit den Klausurvorschriften spiegeln auch die Berichte über die Visitationen des polnischen Klarissenklosters in Stary Sącz aus den Jahren 1599 und 1763, die Olga Miriam Przybyłowicz analysiert.
Das „Hineinregieren in Klöster und Stifte“ im Zuge der Josephinischen Reformen ist das Thema der folgenden drei Beiträge. Einen bislang wenig zur Kenntnis genommenen Aspekt bringt Christine Schneider am Beispiel der Wiener Ursulinen ins Spiel: Wegen ihrer Tätigkeit im Bildungsbereich waren sie von einer Säkularisierung nicht selbst bedroht, wohl aber waren sie mittelbar davon betroffen, insofern sie in den 1780er-Jahren Nonnen aus säkularisierten Klöstern (Klarissen, Karmelitinnen) aufnehmen und in ihren Konvent integrieren mussten. Zudem wurden eigene Novizinnen seltener, die üblichen Aufnahmefeierlichkeiten waren zwischenzeitlich als zu aufwändig verpönt und statt der gut zahlenden adligen „Kostfräulein“ sollten nun bürgerliche Mädchen gegen geringes Entgelt im Konvent erzogen werden. Langfristig veränderten sich damit personelle Zusammensetzung, Lebensweise, Sozialbeziehungen und nicht zuletzt die finanzielle Situation des Konvents sehr wesentlich.
Einen traditionell ganz anderen Status hatten die Damenstifte. Sie rekrutierten sich aus dem Adel, verfügten über bestimmte Privilegien und unterlagen nicht den strengen Klausurvorschriften. Trotz ihres an den klösterlichen Praktiken orientierten Tagesablaufs standen sie mit der „Außenwelt“ in relativ enger Verbindung. Im 18. Jahrhundert nivellierten sich jedoch die Unterschiede. Ellinor Forster zeigt am Beispiel von vier Tiroler Damenstiften (Sonnenburg im Pustertal sowie die Stifte in Hall und Innsbruck) die Argumentationsstrategien der landesfürstlichen Behörden in der Josephinischen Säkularisierungsdebatte. Als Angehörige des gräflichen Adels standen sie den Stiftsdamen nahe und hatten persönlich wenig Interesse an einer Aufhebung, konnten sie letztlich aber nicht verhindern.
Christine Tropper befasst sich mit dem Benediktinerinnenstift St. Georgen am Längsee, für das die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen „geistlich“ und „weltlich“ in mehrfacher Hinsicht charakteristisch ist. Bemerkenswert ist hier vor allem die extensive Pflege der Musik, der eine so große Bedeutung zugemessen wurde, dass die Musikalität der Kandidatinnen ein wesentliches Kriterium für die Aufnahme war. Repräsentative Musikaufführungen und große Feste mit zahlreichen Gästen gehörten zum Konventsleben ebenso dazu wie Reisen und Kuraufenthalte einzelner Nonnen. Möglich wurde dies durch „Klausurdispense“, die das Verlassen des Klosters ermöglichten, und „Klausurlizenzen“, die Externen Zugang zum Stift gewährten (S. 193). Personell und wirtschaftlich befand sich St. Georgen im 18. Jahrhundert in einer „Aufwärtsentwicklung“ (S. 202); dennoch wurde es 1783 aufgelöst.
Die letzten vier Beiträge sind unter dem Leitmotiv „Selbstvergewisserung“ dem Selbstverständnis und Innenleben der Klöster gewidmet. Dabei rücken unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund. Ingrid Facchinelli zeigt für das in den 1680er-Jahren gegründete Kloster Säben, wie sich hier sehr schnell trotz strenger Klausur ein stabiler Konvent entwickeln konnte, der auch „nach außen“ gut vernetzt war. Ein prosopographischer Anhang zu den Nonnen im Jahr 1686 gibt zudem Einblick in die personelle und finanzielle Situation des Konvents. Christine M. Giglers Beitrag zu Hallein beschäftigte sich mit den dortigen Franziskanertertiarinnen, die sich über ihre Tätigkeit im Elementarschulbereich definierten. Die im Anhang abgedruckte Hausordnung von 1786 spiegelt gleichermaßen klösterliche Spiritualität wie weltzugewandte Alltagspraxis wider. Eine spezielle, noch wenig untersuchte Perspektive nimmt Stefan Benz ein, der sich mit Geschichtskultur und Geschichtsschreibung in Frauenklöstern befasst – anknüpfend an die Ergebnisse eines Forschungsprojektes, das für die Epoche zwischen Reformation und Französischer Revolution 1.160 Frauenklöster in Zentraleuropa erfasst und statistisch ausgewertet hat. Die „Vielgestaltigkeit“ des Lebens in Kloster und Stift präsentiert schließlich auch Teresa Schröders Beitrag mit dem sprechenden Titel „Zwischen Chorgesang und Kartenspiel“ am Beispiel des schwäbischen Klosters Rottenmünster und des Essener Frauenstifts.
Insgesamt handelt es sich bei dem Sammelband um einen instruktiven Beitrag zur Erforschung der frühneuzeitlichen Ordensgeschichte, der die Spannung zwischen Normierungsversuchen und faktischer Vielfalt der Lebensmöglichkeiten gut widerspiegelt. Deutlich wird auch, wie wichtig eine Verschiebung der Perspektive ist – weg von der ordensinternen Historiographie hin zur Wahrnehmung von Grenzüberschreitungen und fließenden Übergängen in mehrfacher Hinsicht: Die durch die Klausurvorschrift markierte (vermeintliche) Grenze zwischen Kloster und „Welt“ bleibt weiterhin ein Thema, darüber hinaus aber auch die Frage nach den übergreifenden Gemeinsamkeiten der einzelnen Gemeinschaften untereinander. Gerade in Krisenzeiten wie jener der Josephinischen Reform zeigt sich, dass rechtliche und spirituelle Besonderheiten einzelner Konvente gegenüber den grundsätzlichen Gemeinsamkeiten in Spiritualität und Lebensstil in den Hintergrund rücken. Die hier präsentierten Fallbeispiele setzen wichtige neue Akzente und regen zur weiteren Aufarbeitung des rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Hintergrunds an, vor dem sich das Ordenswesen zwischen Reformation und Säkularisierung zu positionieren hatte.