In den vergangenen Jahren haben die Diskussionen über Methodik, Inhalt, Erkenntnispotenzial und Form der „modernen“ Militärgeschichte zugenommen. Dies führte dazu, dass auch renommierte Militärhistoriker sich vermehrt mit methodischen und konzeptuellen Fragen ihrer Disziplin auseinandersetzen. Obwohl sich die hier zu besprechenden Einführungen eher an interessierte Laien und Studenten richten, sind sie zumindest teilweise im Kontext dieser Debatten zu sehen. Stephen Morillo und Michael F. Pavkovic legen einen überblicksartigen Aufriss der aktuellen historiographischen, methodischen und inhaltlichen Tendenzen der Militärgeschichte vor und wollen so den Einstieg in die besagte Teildisziplin der Geschichtswissenschaft erleichtern. Das Ziel des in zweiter, veränderter Auflage erschienenen Gemeinschaftswerkes in englischer Sprache besteht darin, eine „Roadmap“ (S. 2) für Einsteiger zu entwerfen, wofür Morillo und Pavkovic lediglich 124 Seiten Fließtext benötigen. Matthias Rogg dagegen beschäftigt sich weniger mit Historiographie, Methodik oder aktuellen Kontroversen, sondern präsentiert einen fast 400-seitigen chronologischen Überblick über die deutsche Militärgeschichte von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart.
Überblicksdarstellungen und handbuchartige Editionen zur Kriegs- und Militärgeschichte haben Konjunktur. Unlängst erschienen ähnliche Bücher mit vergleichbaren Absichten.1 Zu Beginn des Millenniums fragte ein deutscher Sammelband mit dem Titel „Was ist Militärgeschichte?“ explizit nach Form und Inhalt der wohl ältesten Art der Geschichtsschreibung. Militärgeschichte wird von Morillo und Pavkovic bewusst breit definiert, sie sei „not just the history of war and wars“ (S. 4), sondern Teil jeder Studie, die sich mit militärischem Personal, Kriegsführung – zu Lande, im Wasser oder in der Luft –, militärischen Institutionen sowie deren Beziehungen zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und anderen Bereichen auseinandersetze. Eine gelungene Militärgeschichte sei folglich nie ausschließlich Militärgeschichte, sondern müsse sich, wenn immer möglich, methodisch und inhaltlich mit anderen (historischen) Disziplinen überschneiden. Einer solchen kontextualisierten Militärgeschichte ist auch Rogg in seinem „Kompass Militärgeschichte“ verpflichtet, der sich als „Handbuch […], das allgemein-historische und militärgeschichtliche Zusammenhänge“ (S. XXI) erklären will, versteht.
Morillo und Pavkovic orten die ersten militärhistorischen Ansätze im antiken Griechenland. Autoren wie Homer, Herodot, Thukydides oder Xenophon verfolgten zwar unterschiedliche Darstellungsformen, sie thematisierten in ihren Werken aber alle den Krieg. Darauf aufbauend fassen die Autoren die Militär- und Kriegshistoriographie vom Römischen Reich bis zu den „War and Society“-Studien des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts zusammen. In diesem Zusammenhang kommt John Keegans Werk „The Face of Battle“2, das 1976 erschien, herausragende Bedeutung zu. Keegan fokussierte auf drei historisch weit entfernte Schlachten – Azincourt 1415, Waterloo 1815 und Somme 1916 – und untersuchte dabei, wie und warum einfache (Mannschafts-)Soldaten kämpften. Damit war die „New Military History“ geboren, die in der Folge ähnliche „Face of Battle Studien“ anregte.
Soldaten am unteren Ende der militärischen Hierarchie sind auch für Rogg wichtig. Im historischen Überblick des Direktors des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr finden sich immer wieder Einschübe, die sich mit Verhalten, Ansichten und Charakteristika der tieferen Grade auseinandersetzen. So beschreibt Rogg vormoderne Landsknechte, frühneuzeitliche Söldner, Soldaten des deutschen Kaiserreiches, Landser der deutschen Wehrmacht oder Soldaten der Nationalen Volksarmee oder der Bundeswehr. Gegen Ende untersucht der Autor die Bedeutung von Unteroffizieren in den deutschen Streitkräften im historischen Überblick. Über die gesamte Darstellung hinweg fokussiert Rogg nicht ausschließlich auf Landstreitkräfte, auch Luftwaffe und Marine werden immer wieder miteinbezogen. Mehrmals finden sich zudem Abschnitte, die sich mit soldatischer Kleidung und Uniformen auseinandersetzen, was für eine handbuchartige Darstellung etwas unüblich erscheint, das Gesamtbild aber sehr bereichert. Es bleibt dem Leser nicht verborgen, dass Rogg auf diesem Gebiet ein ausgewiesener Fachmann ist.
Die zwei wertvollsten Kapitel im Werk von Morillo und Pavkovic beschäftigen sich mit konzeptuellen Zugängen (Kapitel 3) sowie mit den aktuellen Forschungskontroversen (Kapitel 4). Obwohl der Militärgeschichte häufig vorgeworfen wird, statisch und traditionalistisch zu operieren, zeigt das Autorenduo hier das Gegenteil. Besonders der Einfluss der Sozial-, Kultur-, Gender- und Globalgeschichte hat die aktuelle Militärgeschichte nicht nur inhaltlich bereichert, sondern auch den methodologischen Werkzeugkasten erweitert. So liegen heute mannigfaltige Studien vor, die sich nicht länger ausschließlich an Biographien großer Generäle („Great Man history“) oder (welt-)historisch entscheidender Schlachten („Decisive Battles“) orientieren, sondern innovative und neuartige Fragestellungen untersuchen.
Dass Militärgeschichte besonders in Deutschland lange aus praktischen Motiven für die operative und taktische Anwendung betrieben wurde, zeigt Rogg eindrücklich. Insofern macht es Sinn, dass der Autor Militärgeschichte zu allererst mit Politikgeschichte verknüpft und ihre gegenseitige Interdependenz erläutert. Die preußische Staats- und Militärreform etwa lässt sich nur vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und politischen Dynamik der napoleonischen Zeit verstehen, ähnlich ist Bismarcks Aufstieg im Kontext des preußischen Heereskonfliktes zu sehen und das Konzept der „Inneren Führung“ der Bundeswehr sollte den „Bürger in Uniform“ nach dem Zweiten Weltkrieg im neuen demokratischen Rechtstaat salonfähig machen. Inhaltlich macht Roggs Schwerpunktsetzung Sinn, leider haben sich jedoch einige kleinere formale Mängel eingeschlichen. Die auf die deutsche Militärgeschichte fixierte Darstellung sollte gleich im Titel vermerkt werden, so würde man das Buch wohl besser als „Kompass Deutsche Militärgeschichte“ anpreisen. Einige der unzählig abgedruckten Bilder sind zudem zu klein, zu unscharf oder unpassend platziert (zum Beispiel S. 34, 55, 114–115, 244–245); bei der Bebilderung wären weniger, dafür qualitativ hochstehende Abbildungen sicherlich mehr gewesen. Zitate sind oft nicht belegt, jedoch finden sich zahlreiche weiterführende Literaturangaben. Die uneinheitlichen Leerzeichen zwischen den Wörtern stören bei der Lektüre (siehe besonders S. 262, Zeile 28).
Die aktuellen militärhistorischen Diskussionen und Kontroversen werden von Morillo und Pavkovic auf fast 30 Seiten erläutert. Dabei stehen die Debatten um die militärische(n) Revolution(en), die umstrittene Abgrenzung zwischen konventionellen bewaffneten Konflikten und unkonventionellen Guerillakriegen sowie die Gefahr einer westlichen oder eurozentrischen Betrachtungsweise im Zentrum. Ironischerweise erliegen die Autoren dabei einer etwas zu anglo-amerikanischen Darstellungsweise, so etwa in Bezug auf die zitierten Werke. Obwohl in inhaltlicher Hinsicht die militärhistorischen Entwicklungen in Europa, China, Amerika, Byzanz oder etwa in der islamischen Welt thematisiert werden, basiert besonders das Kapitel „Doing Military History“ (Kapitel 5) fast ausschließlich auf der amerikanischen Forschungslandschaft. Leider hindern die unzähligen Einschübe in Klammern den Lesefluss erheblich (siehe zum Beispiel S. 71 (11 Zeilen), S. 93 (10 Zeilen), S. 109 (7 Zeilen) oder S. 123–124 (7 Zeilen). Diese lesenswerten Ergänzungen wären wohl besser in Fußnoten oder Anmerkungen platziert worden.
Folglich ist die Überblicksdarstellung von Morillo und Pavkovic eine Einführung, die sich primär an Studenten aus dem anglo-amerikanischen Raum richtet. Zudem sei sie auch jungen Historikern empfohlen, die sich einen kurzen Überblick über die methodischen, konzeptionellen oder inhaltlichen Strömungen der aktuellen Militärgeschichte wünschen. Roggs Darstellung wendet sich eher an Interessierte, die eine kompakte inhaltliche Vorstellung der modernen deutschen Militärgeschichte suchen.
Anmerkungen:
1 Siehe zum Beispiel: Christian Th. Müller/Matthias Rogg (Hrsg.), Das ist Militärgeschichte! Probleme – Projekte – Perspektiven, Paderborn 2013; Jörg Echternkamp/Wolfgang Schmidt/Thomas Vogel (Hrsg.), Perspektiven der Militärgeschichte, Raum, Gewalt und Repräsentation in historischer Forschung und Bildung, München 2010; Rolf-Dieter Müller, Militärgeschichte, Stuttgart 2009; Karl-Volker Neugebauer (Hrsg.), Grundkurs deutsche Militärgeschichte, München 2006–2008 (3 Bände); Jeremy Black, Rethinking Military History, New York 2004; Jutta Nowosadtko, Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte, Tübingen 2002; Richard Holmes (Hrsg.), The Oxford Companion to Military History, Oxford 2001; Thomas Kühne/Benjamin Ziemann (Hrsg.), Was ist Militärgeschichte?, Paderborn 2000.
2 John Keegan, The Face of Battle, New York 1976.