C. Gastgeber u.a. (Hrsg.): Ecclesiastical History and Nikephoros

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Titel
Ecclesiastical History and Nikephoros Kallistou Xanthopoulos. Proceedings of the International Symposium, Vienna 15th–16th December 2011


Herausgeber
Gastgeber, Christian; Panteghini, Sebastiano
Reihe
Denkschriften der Philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 477. Veröffentlichungen zur Byzanzforschung 37
Anzahl Seiten
184 S.
Preis
€ 49,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Die im früheren 14. Jahrhundert zusammengestellte kirchengeschichtliche Kompilation des Nikephoros Kallistou Xanthopoulos hat in der althistorischen Forschung bislang nur wenig Aufmerksamkeit erfahren. Lediglich seine Quellen und seine Bedeutung für die Textkritik spätantiker Kirchenhistoriker ließen Nikephoros der gelegentlichen Betrachtung würdig erscheinen, doch fehlt bislang sowohl eine den Ansprüchen der modernen Altertumswissenschaft genügende Edition als auch eine eingehende Untersuchung des Werkes, die systematisch den Wert jeglicher nur dort belegter Informationen prüft und dessen Wert im Kontext der byzantinischen Literatur erfasst. Vorarbeiten für beides bietet der vorliegende Band, der die Beiträge einer am 15. und 16. Dezember 2011 in Wien veranstalteten Tagung zu Schrifttum und Quellen des Nikephoros der Fachwelt zugänglich macht.

Albrecht Berger (S. 9–16) bietet eine detaillierte und an Einzelergebnissen reiche Analyse der Quellen für die ersten sechs Bücher des Nikephoros, welche die ersten drei nachchristlichen Jahrhunderte abdecken. Felix Albrecht (S. 17–27) führt eine Untersuchung der Bibelzitate bei Nikephoros durch, anhand derer er zeigen kann, dass Nikephoros auf einen Bibeltext vom antiochenisch-lukianischen Typ (den Standardtext in byzantinischer Zeit) zurückgreift und seine Vorlage fast immer ohne Eingriffe in den Text übernimmt. Horst Schneider (S. 29–42) prüft das Verhältnis zwischen Nikephoros und der vita Constantini des Eusebios. Gegen frühere Annahmen, Nikephoros sei die Vita unbekannt gewesen, verweist er auf die deutlichen Übereinstimmungen zwischen beiden Werken in der Schilderung der Vision Konstantins. Ob eine direkte oder indirekte Benutzung des Eusebios vorliege, sei allerdings nicht sicher festzustellen. In einem Anhang werden einige byzantinische Zeugen für den Visionsbericht abgedruckt und die für die hier diskutierte Frage entscheidenden Quellen (Eusebios, Nikephoros, die Kirchenhistoriker und die Guidi-Vita) in einem tabellarischen Vergleich präsentiert.

Sébastien Morlet (S. 43–58) fragt nach der Vergleichbarkeit der Kirchengeschichten des Eusebios und des Nikephoros sowie der Nutzung des ersteren durch letzteren als Quelle. Hierzu zeigt er die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Werke auf und demonstriert, wie Nikephoros das Werk des Eusebios nicht nur als wichtigen (da fast vollständig übernommenen, aber immer wieder modifizierten) Faktenlieferanten, sondern auch als literarisches Modell herangezogen hat; dieser Modellcharakter des Eusebios lasse sich in den Schlussformeln, den Vorworten zu den einzelnen Büchern und im erzählerischen Stil nachweisen. Véronique Somers (S. 59–70) befasst sich mit der Vorbildfunktion Gregors von Nazianz für Nikephoros. Sie stellt fest, dass eine Nachahmung Gregors durch Nikephoros gegeben ist, es sich allerdings nicht unbedingt um eine gezielte Nachahmung gehandelt haben muss; angesichts der großen Bedeutung Gregors in Byzanz könne es sich auch um eine allgemeinere Einflussnahme handeln.

Bruno Bleckmann (S. 71–80) wirft einen Blick auf Philostorgios als Quelle des Nikephoros. Die von ihm gebotene Zusammenstellung, die einige bislang unbeachtete Einflüsse des Philostorgios aufzeigt, erlaubt ihm die Unterteilung der Verwendungsformen in drei Kategorien: simple Übernahme, Anreicherung eines anderen Berichtes durch Angaben aus Philostorgios und die Einordnung isolierter Photios-Notizen in den (nicht immer richtigen) Kontext. Insgesamt, so das Urteil Bleckmanns, sei Nikephoros eine geschickte Quellenbenutzung zu bescheinigen. Eine weitere sehr ausführliche Quellenanalyse stammt von Heinz-Günther Nesselrath (S. 81–99), der verschiedene Aspekte des Berichtes über Kaiser Julian bei Nikephoros (Frühzeit, Christenverfolgung, Tod und Gesamtcharakteristik) mit den entsprechenden Vorlagen vergleicht. Er stellt zwei Grundtendenzen fest: Zum einen ist Nikephoros darum bemüht, möglichst viele Quellen heranzuziehen, was vereinzelt zu Unstimmigkeiten in seinem Bericht führt; Doppelungen und Widersprüche werden allerdings meist vermieden. Zum anderen zeichnet Nikephoros von Julian das Bild eines eindimensionalen Christenverfolgers, weswegen er sich vor allem auf Sozomenos und Theodoret stützt, den stärker differenzierenden Bericht des Sokrates hingegen verhältnismäßig selten übernimmt und die Aussagen seiner Quellen durch zusätzliche Angaben und Behauptungen oft noch verschärft.

Martin Wallraff (S. 101–108) untersucht Tod und Bestattung Konstantins in der späteren Überlieferung unter besonderer Berücksichtigung des Nikephoros. Die nur bei diesem auftretenden Details – das Begräbnis des Kaisers an einem paganen Altar und der Konstantin-Kult an einer Statue auf einer Porphyrsäule – erachtet er als grundsätzlich glaubwürdig und versucht sie im Zusammenhang mit der Religionspolitik Konstantins zu erklären. Eleni Kaltsogianni (S. 109–123) vergleicht die Darstellung des Andronikos II. bei Nikephoros und den zeitgenössischen Enkomien. Hierbei stellt sie eine Abhängigkeit des Nikephoros sowohl von der literarischen Tradition (Sozomenos) als auch von mehreren Lobrednern seiner Zeit (gesichert sei dies für Nikephoros Choumnos und Nikolaos Lampenos, anzunehmen auch für Theodoros Metochites und Theodoros Hyrtakenos) sowie weiteren Autoren wie Evagrios und Theophylaktos Simokattes fest; zudem betont sie die weitgehende Übereinstimmung des Bildes dieses Kaisers bei Nikephoros und seinen Zeitgenossen. Sofia Kotzabassi (S. 125–140) bietet eine kritische Zusammenstellung und Prüfung der Kaiser- und der Patriarchenliste des Nikephoros. Hierbei handelt es sich um zwei eigene kleine Werke, die im Anhang des Aufsatzes in einer kritischen Edition geboten werden.

Christian Gastgeber (S. 141–173) weist auf Basis einiger Beobachtungen zur einzigen erhaltenen Handschrift der Kirchengeschichte des Nikephoros darauf hin, dass die These, es handele sich um das Widmungsexemplar für Kaiser Andronikos II., nicht haltbar ist. Für Gastgeber spricht gegen diese These, dass das Manganon-Kloster Besitzer der Handschrift gewesen sei; zudem verweist er auf die keine sichere Datierung zulassenden Reste des Besitzvermerkes, die unvollständige Endredaktion des Werks (in der Handschrift sind mehrere Jahresangaben nicht ausgeschrieben), die nachträglichen illustrativen Zusätze und die Lesevermerke eines Benutzers/Bearbeiters. Die Handschrift sei außerdem nicht genau datierbar; Gastgeber nimmt eine Erstellung um 1330 an. Es folgt ein nützlicher Registerteil (S. 175–184), der die zitierten Quellen und erwähnten Handschriften abdeckt. Die Abbildungsnachweise finden sich hingegen bereits am Anfang (S. 6). Eine Kuriosität sei noch angemerkt: Der Band ist einem deutschsprachigen Land erschienen und enthält neun Aufsätze in deutscher sowie zwei in französischer Sprache (Morlet und Somers). Welchen Sinn also macht es, den eigentlichen Titel in englischer Sprache anzugeben?

Der Sammelband ist in jeglicher Hinsicht zufriedenstellend: angefangen von der sehr geringen Anzahl an Druckfehlern1 über die hohe Qualität und Sorgfalt der einzelnen mustergültigen Beiträge bis hin zu dem damit einhergehenden Forschungsfortschritt. Auch wenn Nikephoros durch seine intensivere Erforschung nicht zu einer Quelle ersten Ranges für die Alte Geschichte wird, zeigen die Aufsätze dennoch in bestmöglicher Weise, warum es sich lohnt, sich mit seinem Werk auseinanderzusetzen.

Anmerkung:
1 Zu finden waren lediglich: S. 33 „Weiters“ (richtig „Weiter“); S. 87 „Szomenos“ (richtig „Sozomenos“); S. 114 „Vorlbild“; S. 117 „Enthalsamkeit“; S. 146 „Besitzvererkes“. Gelegentlich sind Zitate etwas ungewöhnlich; besser wäre gewesen: Zonaras 13,1,10 (S. 35); 13,12,29 (S. 89, Anm. 41) und 13,12,28 (S. 90, Anm. 42) sowie Photios Cod. 256 nach der Edition von Henry statt nach der von Bekker (S. 35; zumal es sich um die Vita des Metrophanes und des Alexander und nicht – wie auf den ersten Blick naheliegt – um die tatsächlich Cod. 127 behandelte vita Constantini des Eusebios handelt, wo aber Photios kein Wort über die Vision Konstantins verliert). Manche Schreibformen sind den Eigenheiten der Byzantinistik geschuldet: „Iosepos“ (so stets Berger, dazu S. 10); „Tiberios“ (S. 16, dort aber auch „Tiberius“); „Vetranion“ (S. 85, Anm. 25). Warum aus Menander Rhetor hier Pseudo-Menander wird (S. 118), bleibt unklar.

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