Titel
Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse


Autor(en)
Wodak, Ruth
Erschienen
Anzahl Seiten
254 S.
Preis
€ 29,80
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Walter Manoschek, Institut für Staatswissenschaft, Universität Wien

„Wir brauchen Ängste, um Mehrheiten zu bewegen“. Der Satz von Frauke Petry (AfD) bringt auf den Punkt, was alle rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Parteien verbindet. Womit Ängste am besten geschürt werden können, ist auch all diesen Parteien gemein: Die „Fremden“. Bei Donald Trump sind es die illegal in den USA lebenden Mexikaner, die er nach seinem Wahlsieg alle nach Mexiko „deportieren“ möchte; bei Heinz-Christian Straches FPÖ sind es die Flüchtlinge aus islamischen Krisen- und Kriegsgebieten, die das österreichische Volk „überfremden“ („Daham statt Islam“), während die Schweizer SVP mit dem Slogan „Stopp. Ja zum Minarettverbot“ 2009 bei einer Volksabstimmung erfolgreich war. Nur in neun der insgesamt 28 EU-Länder gibt es keine rechtspopulistischen Parteien, die im Parlament vertreten sind. 129 der insgesamt 751 Mitglieder des Europäischen Parlaments kann man insgesamt 15 rechtspopulistischen Parteien aus 14 Ländern zurechnen (S. 50).

Ruth Wodak hat sich der Aufgabe gestellt, die rechtspopulistischen Parteien innerhalb der EU, der Schweiz und den USA auf Gemeinsamkeiten und Differenzen hin zu untersuchen. Dabei beschäftigt sich die Autorin mit den vielfältigen Methoden, wie von den Parteien kontinuierlich Angst erzeugt und legitimiert wird; hierauf wird kurz die Geschichte der populistischen Bewegungen zusammengefasst. Dann bietet Wodak eine Arbeitsdefinition für Rechtspopulismus an, die den Einfluss dieser Bewegungen im 21. Jahrhundert nachvollziehbar machen soll. In Anlehnung an Betz/Nimmerfall1 definiert sie Rechtspopulismus als eine politische Ideologie, die bestehenden politischen Konsens ablehnt und in der Regel Laissez-faire-Liberalismus mit Anti-Elitismus verbindet. Als Populismus wird er wegen seiner Berufung auf den „gemeinen Mann“ und die „gemeine Frau“ bezeichnet, im Gegensatz zu den Eliten. Dieser Appell an ein quasi-homogenes Demos ist kennzeichnend für derartige Bewegungen. Rechtspopulismus unterscheidet sich somit von den traditionellen faschistischen Bewegungen, indem er kein zusammenhängendes Narrativ oder eine kohärente Ideologie vermittelt, sondern eine oft widersprüchliche Ansammlung von Überzeugungen, Stereotypen, Einstellungen und damit verbundenen Programmen, die viele ebenso widersprüchliche Wählergruppen ansprechen und mobilisieren möchten.

Mittels der von ihr wesentlich mitentwickelten kritischen Diskursanalyse kommt die international renommierte Sprachwissenschaftlerin zu zwei Annahmen: Erstens instrumentalisieren alle Rechtspopulisten ethnische, religiöse, sprachliche und politische Minderheiten als Sündenböcke. Als Bedrohung für uns, für unsere Nation: „Dieses Phänomen manifestiert sich als ‚Politik mit der Angst‘“. Zweitens pflegen Rechtspopulisten eine „Arroganz der Ignoranz“. Appelle an gesunden Menschenverstand und Anti-Intellektualismus markieren eine Rückkehr zu vormodernistischem Denken, also vor der Aufklärung (S. 18).

Theoretisch und methodisch liegt der vorliegenden Arbeit der diskurshistorische Ansatz der Kritischen Diskursanalyse zugrunde. Im 3. Kapitel werden mit diesem Instrumentarium der kognitive Rahmen, die wichtigsten diskursiven Strategien, Bilder und Argumentationsschemata im Zusammenhang mit der Dynamik von Schuld, Leugnung und Rechtfertigung analysiert. Dabei fokussiert Wodak ihre Analyse auf typische Eigenschaften, Genres, Provokationen, Rechtfertigungsstrategien, ambivalente Entschuldigungen und rhetorische Muster, mit denen Form und Inhalt der rechtspopulistischer „Mikropolitik der Angst“ realisiert werden.

Nach den beiden ersten Kapiteln, werden in den folgenden Abschnitten an Hand von 14 Fallbeispielen die konkreten sprachlichen und damit verknüpften inhaltlichen Umsetzungen rechtspopulistischer Ideologie behandelt. Dieser Kern der Arbeit bietet auch der an theoretischen und methodischen Fragestellungen nicht so interessierten Leserschaft eine Fülle von spannenden Einsichten in die Verknüpfung von Rhetorik und Inhalt.

Nach wie vor bilden judenfeindliche Vorurteile ein konstitutives Element von Neonazi- und rechtspopulistischen Ideologien und deren Rhetorik in ganz Europa, oft verbunden mit antimuslimischen, homophoben und antiziganistischen Einstellungen und Stereotypen. Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Sexismus verstärken sich gegenseitig und konvergieren zu einer einzigen ausgrenzenden nativistischen Ideologie (S. 111).

Als besonders erhellend findet der Rezensent die bislang kaum aufgegriffenen geschlechterspezifischen Unterschiede, die an Hand von drei Fallbeispielen aufgegriffen werden (Schweiz: Minarette; Großbritannien: BNP und Burka-Verbot; USA: Tea Party und Abtreibung). Die Untersuchung der gegenderten Körperpolitik sowohl in Europa wie in den USA untermauert dabei die Annahme, dass die konzeptuelle Familienmetapher eine nativistische Dimension angenommen hat, beruhend auf dem „autoritären Syndrom“ (Adorno) sowie auf postmoderner Biopolitik und der Veränderung von Geschlechterrollen, die von vielen Männern wie Frauen in unserer globalisierten Gesellschaft als massive Bedrohung erlebt werden (S. 195ff). Abschließend endet das Buch mit einem hilfreichen und übersichtlichen Anhang aller europäischen rechtspopulistischen Parteien.

Wodak gelingt es mit diesem Buch auf beeindruckende Weise die Rhetorik und den Inhalt der Ausgrenzung, die Körper- und Grenzpolitik, die Vergangenheitspolitik und die Geschichte der rechtspopulistischen Bewegungen in Europa detailliert zu beschreiben. Eine kleine Kritik sei dennoch angebracht. Den von der Autorin an die Diskurshistorische Analyse gestellten Anspruch, alternative Handlungsoptionen zu entwerfen, Strategien zu erarbeiten und konkrete Lösungsvorschläge einzubringen, um ungleiche gesellschaftliche Machtverhältnisse zu beseitigen, wird sie nur beschränkt gerecht. Die von ihr gestellte Frage: „Warum sind diese Parteien so erfolgreich?“, also nach den subjektiven Funktionen rassistischer Diskurse, kann sie nicht befriedigend beantworten. Aus der Sicht des Rezensenten ist dieser Anspruch auch überfordernd und kann allein mit einer diskursanalytischen Analyse nicht erbracht werden. Hier könnten sozialpsychologische Ansätze, die auf die vorrangige Eigenschaft erfolgreicher rechtspopulistischer Politik, nämlich dem Anbieten von Entlastung und Stabilisierung durch die Verwandlung von (verdrängten) Ängsten (z.B. vor Verarmung) in Hass (auf die Armen), der dann als zulässig sanktioniert wird, weiterhelfen. Nicht zuletzt durch begünstigende Medien- und Elitendiskurse wurde dadurch Islamisierung zum wirkmächtigen Mythos.2 Vielleicht wäre eine, von Wodak sehr geschätzte, interdisziplinäre Zusammenarbeit, die diskurs- und sozialpsychologische Ansätze vereint, ein Weg, der die Frage nach dem „wie“ mit der Frage nach dem „warum“ beantworten könnte.

Anmerkungen:
1 Hans-Georg Betz / Stefan Immerfall (Hrsg.), The New Politics of the Right: Neo-Populist Parties and Movements in Established Democracies. New York 1998, S. 4–5.
2 Andreas Beham, Zu den subjektiven Funktionen rassistischer Diskurse, in: politix 38 (2015), S. 10–13.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/