In der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft wurde der japanischen Besatzung Malayas und Singapurs bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Takuma Melber leistet einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke, indem er mit Fokus auf den Aspekten Kollaboration und Widerstand die japanische Besatzung in diesen Gebieten untersucht und mit deutschen Besatzungsmethoden während des Zweiten Weltkriegs vergleicht.
Melber verweist in der Einleitung zu seinem Buch auf eine Reihe englischsprachiger Bücher zur japanischen Besatzung Südostasiens sowie auf Peter Herdes deutschsprachiges Werk „Großostasiatische Wohlstandssphäre“.1 Zurecht weist er darauf hin, dass Herde, der sich lediglich mit Indonesien und den Philippinen beschäftigt, keinerlei japanische Quellen verwendet (S. 21). Dies ist tatsächlich auch eines der herausragenden Merkmale von „Zwischen Kollaboration und Widerstand“: Takuma Melber bedient sich ausführlich japanischer Primär- und Sekundärliteratur, was das Buch auch von englischsprachigen Standardwerken zur japanischen Besatzung Malayas und Singapurs signifikant unterscheidet. Eine Ausnahme bildet hier zwar der 2008 erschienene Band „New Perspectives of the Japanese Occupation in Malaya and Singapore, 1941–1945“, herausgegeben von Yoji Akashi und Makino Yoshimura, welcher sich ebenfalls auf japanische Primärquellen stützt.2 Melber verweist auf dieses Werk, stellt aber ebenso zutreffend fest, dass in diesem Sammelband im Vergleich zu Akashis japanischen Veröffentlichungen dessen Ergebnisse stark gekürzt und inhaltlich verändert zusammengefasst werden (S. 32). Insgesamt ist bei Takuma Melbers Monografie die sehr breite Quellenbasis, auf die er seine Analyse stützt, positiv hervorzuheben. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Erinnerungsliteratur von Zeitzeugen, darunter auch Dokumente von Entscheidungsträgern, sowie die aus den National Archives in London stammende japanische Primärliteratur zu nennen, die für dieses Buch erstmals ausgewertet wurden.
Der Forschungsansatz richtet sich auf einen „synchronen Vergleich von Besatzungsmethoden und Herrschaftsstrukturen […], zu denen neben Formen der Widerstandsbekämpfung auch die der Kollaboration zu zählen sind“ (S. 21). Dabei werden die im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht besetzten Gebiete „im Sinne einer vergleichenden Perspektive“ (S. 21) mit den von Japan besetzten Malaya und Singapur kontrastiert, um das Verständnis für diesen Krieg als globalen Konflikt zu schärfen. In der Tat gelingt es Takuma Melber, einerseits eine Lücke in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft dadurch zu schließen, dass er eine ausführliche Narration der Eroberung und Besatzung Malayas und Singapurs liefert. Darüber hinaus schafft er durch die ausführliche Auswertung japanischer Primärquellen ein besseres Verständnis der japanischen Perspektive und setzt diese gelungen in ein Verhältnis zu deutschen Besatzungsregimen in Europa.
Takuma Melber präsentiert seine Ergebnisse chronologisch. Er beginnt mit einem Abriss der britischen Kolonialgeschichte in Malaya und Singapur, was hilfreich ist, um die Voraussetzungen zu beleuchten, unter denen die japanische Administration in den beiden Ländern implementiert wurde. Daran schließt sich eine sehr ausführliche Narration des Malayafeldzugs und der Eroberung Singapurs an, gefolgt von Beispielen für Kollaboration und Widerstand in beiden Ländern. In Kapitel 4 folgt eine detaillierte Beschreibung der japanischen Militäradministration, einschließlich der lokalen Eliten. Kapitel 5 erörtert am Beispiel des Sook Ching Massakers in Singapur Gewaltexzesse seitens der Japaner zur Bekämpfung des antijapanischen Widerstands. Der Widerstand selbst wird im sechsten Kapitel am Beispiel indigener Zwangsarbeiter, der Malayan People's Anti-Japanese Army, sowie der Overseas Chinese Anti-Japanese Army und des malaiischen Widerstands dargestellt. Schließlich wird der Chronologie folgend das Ende des japanischen Besatzungsregimes in Malaya und Singapur beschrieben und eingeordnet. Sowohl die Auswahl der Ereignisse als auch die der handelnden Personen und Organisationen sind stimmig und ermöglichen es dem Leser, das komplexe Verhältnis zwischen Besatzern und Besetzten sowie die damit verbundenen Schwierigkeiten für die Japaner bei der Administration der Gebiete nachzuvollziehen.
Exemplarisch sei hier die in Kapitel 4.2.2 vorgestellte Kesatuan Melayu Muda genannt, eine politische Bewegung in Malaya, die bereits Ende der 1930er-Jahre die Unabhängigkeit vom Britischen Empire anstrebte. Der Versuch der Japaner, sich diese Bewegung zunutze zu machen und sich damit als Befreier von westlichem Imperialismus in Malaya darzustellen, findet seine Entsprechung auch in anderen Ländern Südostasiens, in denen die japanischen Besatzer die Idee einer „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ propagiert haben. In den Philippinen etwa suchte die japanische Militäradministration die Kooperation mit antiamerikanischen Unabhängigkeitskämpfern wie Artemio Ricarte oder Benigno Ramos, um dadurch ihre Glaubwürdigkeit in der philippinischen Bevölkerung zu erhöhen.2 Auch die beschriebenen Kontrollmaßnahmen durch die japanische Militärpolizei Kempeitai fanden in ähnlicher Weise wie in Malaya und Singapur in anderen japanisch besetzten Gebieten statt und konterkarierten die Versuche der Japaner, die einheimische Bevölkerung für sich zu gewinnen. Takuma Melber stellt dies ebenso überzeugend dar wie die Motivation und Zusammensetzung der unterschiedlichen Widerstandsgruppen in Malaya.
Kritikpunkte an dieser Monografie sind aus meiner Sicht, dass sich nur zwei Karten in dem gesamten Buch finden sowie die Abwesenheit eines Index oder Stichwortregisters. Gerade hinsichtlich der ausführlichen Schilderungen des Kriegsverlaufs hätten es einige zusätzliche Karten dem Leser erleichtert, das Geschilderte nachzuvollziehen. In Anbetracht der sehr umfangreichen Terminologie und der Vielzahl der handelnden Personen wäre ein Index sicherlich ebenfalls sehr hilfreich gewesen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Takuma Melber mit „Zwischen Kollaboration und Widerstand“ ein herausragender Beitrag zur deutschsprachigen Geschichtswissenschaft gelungen ist. Das Buch besticht durch eine außerordentlich breite Quellenbasis und wurde mit großer Akribie recherchiert. In der Forschung zur japanischen Eroberung und Besatzung der malaiischen Halbinsel taugt dieses Buch zum Standardwerk.
Anmerkungen:
1 Peter Herde, Großostasiatische Wohlstandssphäre. Die japanische Besatzungspolitik auf den Philippinen und in Indonesien im Zweiten Weltkrieg und ihre Folgen, Stuttgart 2002.
2 Yoji Akashi/Makino Yoshimura (Hrsg.), New Perspectives on the Japanese Occupation in Malaya and Singapore, 1941–1945, Singapur 2009.
[3] Sven Matthiessen, Japanese Pan-Asianism and the Philippines from the Late Nineteenth Century to the End of World War II. Going to the Philippines is Like Coming Home?, Leiden 2016.