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Titel
Ägypten in hellenistischer Zeit 332 - 30 v. Chr..


Autor(en)
Huß, Huss
Erschienen
München 2001: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
885 S.
Preis
DM 168,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Friederike Herklotz, Lepsius-Institut und Institut fuer Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Die Ptolemaeerzeit gehoert leider immer noch zu den Randgebieten der Alten Geschichte bzw. der Aegyptologie. Dies mag damit zusammenhaengen, dass fuer viele Forscher die Bedeutung dieser Periode hinter der sogenannter "klassischer" Zeiten zuruecktritt. Andererseits muessen fuer die Beschaeftigung mit der Ptolemaeerzeit umfangreiche Sprachkenntnisse vorausgesetzt werden, um mit den vorhandenen Quellen arbeiten zu koennen. Daraus laesst sich erklaeren, dass es zwar viele Einzeluntersuchungen, jedoch keine neueren zusammenfassenden Synthesen gibt. Eine Ausnahme bildet das 1994 erschienene Werk von Guenther Hoelbl "Geschichte des Ptolemaeerreiches", welches sowohl aus althistorischer als auch aus aegyptologischer Sicht "die gegenseitige Durchdringung von Politik, Ideologie und religioeser Kultur in der Entwicklung des Ptolemaeerreiches vorfuehrt." 1

Das vorliegende Handbuch bildet eine Ergaenzung zu Hoelbls Werk. Der Bamberger Althistoriker Werner Huss unternimmt den Versuch, die Geschichte des genannten Raums und der genannten Zeit in einem "Laengsschnitt" darzubieten, um somit die Strukturen herauszuarbeiten, "die das Leben des einzelnen, der Gruppen und der Gesellschaft gepraegt haben" (S. 9). Aeusserst positiv zu beurteilen ist das Bemuehen, sowohl griechische als auch aegyptische Quellen in die Darstellung einzubringen, diese zu dokumentieren und zu analysieren. Damit bildet das vorliegende Werk eine umfassende Sammlung der Quellen und der Forschungsliteratur, das fuer jeden, der sich mit der Ptolemaeerzeit auseinandersetzen will, ein hervorragendes Nachschlagewerk bildet. Leider kann Werner Huss wiederum nur einen Teilbereich der Ptolemaeerzeit vorstellen, denn, wie er selbst im Vorwort sagt, muesste seine Arbeit durch einen "Querschnitt" ergaenzt werden. Fragen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte konnten daher nur am Rande behandelt werden.

Huss bezieht in seine Darstellung die Vorgeschichte mit ein, denn das "vorhellenistische Aegypten lebte in vielfacher Gestalt im hellenistischen Aegypten" (S. 15) fort. Es ist schade, dass das Werk genau mit der Eroberung Aegyptens durch Octavian endet, denn es waere fuer das Verstaendnis dieser Epoche hilfreich gewesen, in einem Epilog einen kurzen Ausblick auf die Nachwirkungen in der roemischen Kaiserzeit zu geben.

Wichtig ist zu erwaehnen, dass Werner Huss in seiner Arbeit eine neue Zaehlung der Ptolemaeerkoenige gebraucht, da er konsequent die Forschungsergebnisse von M. Chauveau beruecksichtigt, der nachgewiesen hatte, dass die Gestalt Ptolemaios VII. Neos Philopators historisch nicht belegt werden kann. 2 Zudem fuehrt er Kleopatra Berenike III. (Tochter des Ptolemaios IX. Soter II.) als Kleopatra VI. Allerdings sollte die traditionelle Numerierung unter Auslassung des Ptolemaios VII. beibehalten werden, denn die dynastischen Verwicklungen in der spaeten Ptolemaeerzeit sind ohnehin schwer nachvollziehbar. 3

Nach einer kurzen Einfuehrung in die Forschungsgeschichte folgen sieben chronologisch aufeinanderfolgende Kapitel, wobei fuer jeden Herrscher ein ausfuehrliches Quellen- und Literaturverzeichnis erarbeitet wurde. In jedem dieser Kapitel behandelt Huss unter Einbeziehung aller Quellen vornehmlich die Aussenpolitik der einzelnen Herrscher. Ergaenzt werden diese Ausfuehrungen durch Hinweise auf die Persoenlichkeit des jeweiligen Koenigs, die Innenpolitik, die Verwaltung, die Wirtschaft, die Kultur, die Religion und die Koenigsideologie. Die einzelnen Kapitel sollen nun vorgestellt werden.

II. Die "Vorgeschichte" (S. 15-54)
Huss laesst die Vorgeschichte mit der 26. Dynastie beginnen, einer Bluetezeit Aegyptens, und schildert auf den Seiten zuvor ueberblicksmaessig die Ereignisse von der 20. bis zur 26. Dynastie. Die Entwicklung Aegyptens wurde durch die Zeit der Perserherrschaft unterbrochen. Noch einmal gelang es in der 29. und 30. Dynastie, einen von einheimischen aegyptischen Herrschern geleiteten Staat zu errichten. Schon bald eroberten die Perser unter Artaxerxes III. erneut Aegypten.

III. Aegypten als Provinz des Reichs des Alexandros (332-323) (S. 55-78)
Alexander d. Gr. wandte sich nach der Schlacht bei Issos Aegypten zu, eroberte es ohne wesentliche Schwierigkeiten und wurde in Memphis zum Pharao gekroent. Huss analysiert die Details des Aufenthalts Alexanders d. Gr. in Aegypten und die Neustrukturierung des Landes.

IV. Von der Provinz des Weltreiches zur Grossmacht des oestlichen Mittelmeerraums (323-282) (S. 79-250)
Nach dem ploetzlichen Tod des Alexander im Jahre 323 stellte sich die Frage nach der Weiterexistenz des Riesenreiches. Nach einer kurzen Beschreibung der Person des Ptolemaios beschaeftigen sich der gesamte dritte und vierte Abschnitt ausfuehrlich mit den sogenannten Diadochenkriegen, welche Huss als Koalitionskriege bezeichnet und die er detailliert schildert. Es gelang nicht, die Einheit des Reiches beizubehalten. Im Jahre 306 nahmen zunaechst Antigonos, dann Demetrios, schliesslich auch Ptolemaios und die anderen Generaele Alexanders den Koenigstitel und das Diadem an.

Innerhalb des Landes "bemuehte sich Ptolemaios, die Rolle des neuen Landesherren nicht im Geiste der Konfrontation, sondern der Kooperation zu spielen" (S. 213). Er stuetzte seine Herrschaft vornehmlich auf das makedonische Militaer und in zunehmendem Masse auf die makedonisch-griechische Verwaltung. Einige Ueberlegungen widmet Huss der Religion. Ptolemaios foerderte die aegyptische Religion und fuehrte den Sarapis-Kult ein. Er wendet sich gegen die weitverbreitete Ansicht, dass dieser Kult Aegypter und Griechen zusammenfuehren sollte. Er vermutet, dass dieser Kult ausschliesslich den im Lande wohnenden Griechen galt, weil er deren religioese Beduerfnisse befriedigte und eine gewisse einheitsstiftende Funktion hatte (S. 246).

V. Die Bluetezeit des Reichs (285/84 bzw. 282-204) (S. 251-473)
Werner Huss betrachtet chronologisch die Regierungszeit der Koenige Ptolemaios II. bis IV. Er bezieht hier auch Ptolemaios IV. ein, obwohl unter diesem Herrscher nach der Meinung vieler Forscher 4 bereits die Periode des Niedergangs eingeleitet wurde. Huss demonstriert jedoch ueberzeugend, wie Ptolemaios IV. die Eroberungen seiner Vorgaenger durch Mut, Tatkraft und Verhandlungsgeschick weitestgehend sichern konnte, wobei er allerdings durch kluge "Mitarbeiter" in seinen Entscheidungen beraten wurde. Nicht ganz so erfolgreich war seine Innenpolitik, denn er schenkte diesen Fragen nicht immer die gebuehrende Aufmerksamkeit. Huss schildert zudem die Entwicklung des Dynastiekultes, der von Ptolemaios II. eingefuehrt und zu einem wesentlichen Charakteristikum der ptolemaeischen Dynastie wurde.

VI. Die Krise des Reichs zur Zeit Ptolemaios’ V. (204-180) (S. 473-536)
Die Krise deutete sich am Ende der Regierungszeit des Ptolemaios IV. schon an, denn dieser starb, ohne dass er massiv gegen einheimische Aufstaende vorgegangen waere. Auch hinterliess er einen minderjaehrigen Nachfolger. Fuer diesen regierten bis zu dessen Kroenung im Jahre 196 seine Vormuender, wodurch fast alle Aussenbesitzungen bis auf Zypern und die Kyrenaika verloren gingen. Dies fuehrte im Land zu einer oekonomischen Krise, welche die Entstehung einer aegyptischen Revolte beguenstigte. Erst nach zaehem Kampf gelang es, im Jahre 186 den Widerstand zu brechen und die ptolemaeische Herrschaft auch in Oberaegypten wieder herzustellen. Auch Ptolemaios V. und seine Frau Kleopatra I. wurden in den Dynastiekult miteinbezogen. Ganz besonders eng wurden die Beziehungen zur Priesterschaft des Ptah in Memphis gestaltet, wovon eine Anzahl von Psephismata, darunter das beruehmte Memphisdekret, zeugen.

VII. Der Niedergang des Reiches (180-80) (S. 537-670)
Unter den Herrschern Ptolemaios VI. Philometor bis Ptolemaios XI. Alexander II. (Huss: Ptolemaios X.) geriet das Land endgueltig in eine tiefe Krise und in die Abhaengigkeit des roemischen Reiches, denn Rom war nach dem 3. Makedonischen Krieg und dem 6. Syrischen Krieg im Bereich des oestlichen Mittelmeeres die dominierende Macht geworden.

In Aegypten herrschten buergerkriegsaehnliche Zustaende zwischen den rivalisierenden Herrschern Ptolemaios VI. und Ptolemaios VIII. Euergetes II. (Huss: Ptolemaios VII.) bzw. zwischen Ptolemaios IX Soter II. (Huss: Ptolemaios VIII.) und Ptolemaios X. Alexander I. (Huss: Ptolemaios IX.). Eine herausragende Rolle spielten dabei die mitregierenden Koeniginnen, vor allem Kleopatra II. und deren Tochter Kleopatra III. Der Dynastiekult nahm uebersteigerte Formen an und diente den einzelnen Familienmitgliedern zur Demonstration ihrer politischen Ziele. Im Landesinneren bemuehten sich die Herrscher um eine Verstaendigung mit der aegyptischen Bevoelkerung, wovon mehrere Psephismata zeugen. Es gelang immer mehr Aegyptern, in hohe Verwaltungsaemter vorzudringen. Die Herrscher kuemmerten sich zudem um die aegyptischen Goetterkulte und wurden ihrer Rolle als Tempelbauherren gerecht.

VIII. Der Untergang des Reichs (80-30) (S. 671-760)
Der endgueltige Untergang wurde mit der Regierung des Ptolemaios XII. Neos Dionysos eingeleitet, unter dem Aegypten zu einem wichtigen Machtfaktor im Konzept der roemischen Machthaber wurde. Caesar bestaetigte Ptolemaios XII. Neos Dionysos (Huss: Ptolemaios XI.) in Rom als Koenig und liess ihn als amicus et socius populi Romani anerkennen.

Seine Tochter Kleopatra VII. (Huss: Kleopatra VIII.) versuchte, zunaechst Caesar, dann Marcus Antonius fuer den Bestand der Dynastie und des Reiches zu gewinnen. Sie bemuehte sich, den gemeinsamen Sohn mit Caesar, Ptolemaios XV. Kaisarion (Huss: Ptolemaios XIV.), zum Begruender einer neuen ptolemaeisch-roemischen Dynastie zu etablieren. Dieses Konzept scheiterte jedoch. Nach der Schlacht bei Actium im Jahre 31 v. Chr. und der Einnahme Alexandrias am 1. August 30 v. Chr. durch Octavian wurde Aegypten zur roemischen Provinz.

Huss bemueht sich zu zeigen, dass die Regentschaft Kleopatras fuer das Land nicht unbedingt zum Schaden gereichte. Zahlreiche Dokumente zeigen ihr Bemuehen, trotz Hungersnot und Seuchen eine funktionierende Verwaltung aufzubauen. Gute Beziehungen knuepfte Kleopatra VII. zur memphitischen Priesterschaft.

Der Anhang (S. 761-863) besteht aus einem ausfuehrlichen Literaturverzeichnis, einer Stammtafel der Ptolemaeer, Karten des gesamten Mittelmeerraumes, Aegyptens, der Balkan-Halbinsel und Vorderasiens sowie einem Register.

Anmerkungen

1 Hoelbl, G., Geschichte des Ptolemaeerreiches. Politik, Ideologie und religioese Kultur von Alexander dem Grossen bis zur roemischen Eroberung, Darmstadt 1994, S. XIIIf.
2 Chauveau, M., Un ete 145, in: BIFAO 90, 1990, S. 135-168; BIFAO 91, 1991, S. 129-134. ders., Encore Ptolemee VII et le dieu Neos Philopator, in: RdE 51, 2000, S. 257-261.
3 Ich benutze die alte Zaehlung.
4 So u.a. Hoelbl, Geschichte des Ptolemaeerreiches.

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