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Titel
Die Staufer. Eine mittelalterliche Herrscherdynastie. Band 1: Aufstieg und Machtentfaltung (975 bis 1190)


Autor(en)
Stürner, Wolfgang
Reihe
Urban-Taschenbücher
Erschienen
Stuttgart 2019: Kohlhammer Verlag
Anzahl Seiten
350 S.
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Schaarschmidt, Institut für Europäische Studien und Geschichts­wissen­schaften, Technische Universität Chemnitz

Das Stauferbuch Wolfgang Stürners beginnt mit einem kurzen, jedoch für das Verständnis entscheidenden Proömium. Er betont die „ziemlich einhellig[e]“ (S. 1) Abkehr der jüngeren Mediävistik von noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts verbreiteten Zugängen, die Stauferherrscher als moderne Staatsmänner sowie unter mythisierenden und heroisierenden Ansätzen zu deuten. Demgegenüber hebt er – aus wissenschaftstheoretischer Sicht durchaus nicht unzutreffend – die Zeitgebundenheit jüngerer Ansätze hervor, die mentalitätsgeschichtliche, herrschaftsstrukturelle oder kulturgeschichtliche Forschungsschwerpunkte setzen. Wenn er schließlich betont, nicht alle Wissenschaftler würden sich von den älteren Forschungstendenzen mit der gleichen Konsequenz abwenden, und zugleich den reichhaltigen Interpretationsspielraum der Quellen unterstreicht, ist das durchaus programmatisch gemeint. Freilich liegt es Stürner fern, den Mythos der Staufer zu pflegen oder ihre Heroisierung zu betreiben; mit einer gewissen Vorliebe zeigt er sie hingegen souverän staatsmännisch handelnd. Dabei fokussiert Stürner die politische Ereignisgeschichte der Jahre 975 bis 1190, verzichtet weitgehend auf die grundsätzliche Diskussion aktueller Forschungskonzepte und zeigt sich auch offen, einige strittige Quellen eingehender zu behandeln. Seinem Anspruch, möglichst umfassend in die staufische Epoche einzuführen, wird das Werk zweifellos gerecht.

So hebt Stürner eingangs hervor, dass die Bezeichnung der Dynastie als „Staufer“ bis auf wenige Ausnahmen nicht zeitgenössisch, sondern modern ist. Sowohl in der frühen als auch in der späten Phase sei das Bewusstsein darüber, in der Tradition einer kaiserlichen Familie zu stehen, für das Selbstverständnis der Staufer prägend gewesen (S. 11–13). Dass er die staufischen Anfänge anhand der „großen politischen“ Ereignislinien des 11. Jahrhunderts nachvollzieht und damit die Regierungszeiten Heinrichs IV. und Heinrichs V. ausführlicher bespricht, liegt in der engen Bindung ihres Aufstiegs an das Schicksal der Salier begründet. So zeichnet Stürner zunächst den Weg Graf Friedrichs ins Herzogtum Schwaben als militärisch erfolgreichen Parteigänger Heinrichs IV. nach und kommt schließlich auf erste Distanzierungstendenzen zu sprechen (S. 25–26). Heinrich V. sei es dann gelungen, die nächste Generation der Staufer – Herzog Friedrichs Söhne Friedrich (II.) und Konrad – durch die Übernahme der Vormundschaft an sich zu binden. Erste Entfremdungen seien wiederum entstanden, als der Salierkaiser Konrad zunächst den Herzogstitel von Ostfranken aberkannte (S. 44), sich bei der Besetzung des Würzburger Bischofsstuhls gegen den von den Staufern favorisierten Kandidaten wandte (S. 46) und deren Begeisterung für die Kirchenreform durch seine Willkür enttäuscht habe (S. 52).

Die Unfähigkeit Erwartungshaltungen seiner königswählenden Standesgenossen nach Demut anstatt bewusster Rangbetonung zu erfüllen und eine mangelnde Distanzierung vom Erbanspruch der Herrscherwürde hätten Herzog Friedrich II. bei der Königswahl 1125 daraufhin scheitern lassen. (S. 62–63). Schließlich sei Konrad (III.) und nicht Friedrich Lothar III. als Gegenkönig entgegen getreten, da der Schwabenherzog möglicherweise die Gefahr einer erneut scheiternden Kandidatur nicht in Kauf habe nehmen wollen. Stürner möchte in Konrads Wahl 1138 gegen Heinrich den Stolzen anschließend weniger einen „Staatstreich“ als vielmehr einen Beleg für den gesteigerten Einfluss der Reichsfürsten sehen (S. 76–78). Im folgenden Konflikt mit dem Welfen habe Konrad III. unter anderem versucht, die ihm während seines Gegenkönigtums angetane Schmach zu sühnen (S. 81).

Stürner bescheinigt Konrad III. neben einigen Misserfolgen – darunter auch dem Kreuzzug, dessen Scheitern er ebenso wie herrscherfreundliche Quellen exogenen Faktoren zurechnet (S. 104–106) – veritable Erfolge und schlussendlich eine gemischte Herrscherbilanz. Anders als sein Bruder habe er den Erwartungshaltungen und Bedürfnissen der Fürsten entsprochen, sei aber auch vor militärischen Auseinandersetzungen nicht zurückgeschreckt. Konrad III. habe sich durch ein gesteigertes Selbstbewusstsein, vor allem in Bezug auf seinen Anspruch auf die Kaiserkrone ausgezeichnet. Seinen Einfluss auf die kirchlichen Wahlen habe er sehr dezent ausgeübt. Die Zusammenarbeit mit seinem Bruder Herzog Friedrich II. und darüber hinaus die Rolle der Ministerialen am Hof seien zentral gewesen. Hingegen habe die Bindung an Byzanz und an die Babenberger den Handlungsspielraum Konrads III. an empfindlichen Stellen eingeschränkt. Zwar lobt Stürner die Bemühungen des Staufers im Umgang mit byzantinischen, päpstlichen und seinen eigenen Interessen in Italien, seine Lösungsvorschläge seien jedoch nicht immer geeignet gewesen (S. 117–119).

Sein Neffe Friedrich Barbarossa habe seine Königswahl schließlich aktiv zu Ungunsten von Konrads III. minderjährigem Sohn selbstbewusst und gestärkt durch die Überzeugung betrieben, aufgrund von Erfahrung und Herkunft zum Königsamt berufen zu sein. Nicht nur habe er sich klug der Unterstützung der wichtigsten Fürsten versichert (S. 120–121), sondern durch seine personellen Bindungen und sein Verhandlungsgeschick Gegensätze im Reich befrieden können (S. 123). Kennzeichnend für seine Herrschaft sei der Rückgriff auf das „neuartig[e] Herrschaftsinstrumen[t] der Gesetzgebung“ (S. 127). Den Konflikt zwischen Heinrich dem Löwen und Heinrich Jasomirgott um das Herzogtum Bayern habe er nach Stürner mit „viel Geduld und außerordentliche[m] Geschick“ gelöst (S. 132).

Ursächlich für den prägenden Konflikt mit Mailand sei weniger eine Ehrverletzung (S. 136) als vielmehr die Weigerung der Kommune gewesen, mit den über sie Klage führenden Städten Frieden zu halten, der Versuch den Kaiser zu „bestechen“ und der Umstand, dass die Kommune das kaiserliche Heer durch verödete Landstriche geführt habe (S. 139). Die Ablehnung seines Selbstverständnisses als von Gott eingesetzter Ordnungs- und Friedensstifterinstanz in Oberitalien sei also maßgeblich gewesen. Weil er Mailand als „Quelle allen Widerstandes gegen das Recht und die Autorität von Kaiser und Reich in der Lombardei und weit darüber hinaus“ betrachtet und gefürchtet habe, dass „Ruhm und Macht des Reiches überall in Italien schweren Schaden zu nehmen“ drohten, habe er 1158 den Kriegszug gegen die Stadt begonnen (S. 167). Der Regierungshöhepunkt Barbarossas sei daraufhin in den Jahren 1162/63 festzumachen, als es dem Staufer in Anschluss an die zweite Belagerung Mailands 1162 gelungen sei, die Gesetze von Roncaglia durchzusetzen und die damit verbundene „neue Herrschaftsordnung“ (S. 193) unter Anerkennung und Einbindung der wesentlichen kommunalen Strukturen voranzutreiben (S. 191–194).

Die Gründe für den „Sturz Heinrichs des Löwen“ seien neben dessen Weigerung zu militärischer Unterstützung die zunehmende Distanzierung und politische Unabhängigkeit Barbarossas vom Welfenherzog, dessen Stolz und Rangbewusstsein, die ihm gegenüber wachsende Opposition unter bedeutenden Reichsfürsten und die Zurückweisung des Königsgerichts gewesen. Friedrich Barbarossa habe dabei mit der Absetzung seines Vetters zu einem wesentlichen Teil auch eigene Motive verfolgt, sodass kein erheblicher Druck der Fürsten notwendig gewesen sei (S. 270–274).

Obwohl er nicht in allen Punkten Erfolg bescheinigt, fällt die Herrschaftsbilanz Barbarossas bei Stürner also weitgehend positiv aus. Friedrich I. habe die starke Überzeugung seiner allein von Gott verliehenen königlichen und kaiserlichen Würde ebenso wie das Bewusstsein über ihm zustehende Herrscherrechte ausgezeichnet, ohne dabei die Mitwirkungsansprüche der Fürsten zu vergessen. Geschickt habe er sich bei Friedenswahrung und -herstellung gezeigt. Seine Absicht in „Reichsitalien“ ein „zentral gelenktes Gemeinwesen“ zu erschaffen sei „zeitgemäß“ gewesen (S. 321). Verkannt habe er dagegen das neue Selbstverständnis der Kirchen in Westeuropa und den Unwillen französischer und englischer Machthaber, dem kaiserlichen Überordnungsanspruch in Kirchenfragen zu folgen (S. 185). Wenngleich er mit dem Frieden von Venedig offen den Irrtum seiner jahrelang festgehaltenen Position gegenüber Papst Alexander III. eingestand, habe dies seine Autorität nicht beschädigt (S. 322).

Stürner erzählt damit die politische Geschichte vom Aufstieg und der kraftvollen Etablierung einer Herrscherfamilie. Wenngleich auch Misserfolge entsprechend gewürdigt werden, liegt der Fokus vielerorts auf herrscherlichen Erfolgen. Stürner schreibt seine herrscherzentrierte Darstellungen dazu nicht selten aus einer stauferfreundlichen Perspektive und zeigt Monarchen, die aus eigener Machtvollkommenheit und Autorität herrschen. Kennzeichnend ist Stürners Interesse an individuellen Vorstellungen und Haltungen der Stauferherrscher; so etwa, wenn er die Kreuznahme Konrads III. auf tiefe Bewegung und echtes Empfinden des Herrschers zurückführt (S. 99). An einigen Stellen hätten dabei sicher die Handlungszwänge und Grenzen der hochmittelalterlichen Königsherrschaft deutlicher akzentuiert werden können.

Es ist das große Verdienst Stürners, mit diesem Band mit gewohnter Souveränität ein gut lesbares Werk vorgelegt zu haben, das durch seinen Einführungscharakter den Leser an den ersten Teil der staufischen Epoche heranführt. Seine Quellennähe besticht und es lädt bewusst dazu ein, etwas in den Hintergrund getretene Tendenzen der Forschung zu reevaluieren.

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