J.A. Yellen: The Greater East Asia Co-Prosperity Sphere

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Titel
The Greater East Asia Co-Prosperity Sphere. When Total Empire meets Total War


Autor(en)
Yellen, Jeremy A.
Reihe
Studies of the Weatherhead East Asia Institute, Columbia University
Erschienen
Anzahl Seiten
XIII, 288 S.
Preis
£ 39.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Takuma Melber, Heidelberg Centre for Advanced Transcultural Studies (HCTS), Universität Heidelberg

Im Rahmen seines Amtsantritts als Außenminister im Juli 1940 sprach Matsuoka Yōsuke bei einem Presseinterview erstmals öffentlich von der „Daitōakyōeiken“, der „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“. Zunehmend tauchte dieser Begriff ab dem Frühjahr 1941 im Zusammenhang mit militärischen Vormarschabsichten in Südostasien und besonders nach Ausbruch des Pazifikkriegs im Dezember 1941 und der Besatzung Südostasiens in Japans Kriegspropaganda auf. Doch was war unter der propagandistischen „Catchphrase“ Daitōakyōeiken zu verstehen? War es eine Begrifflichkeit, mit der Japan seine Herrschaft über Asien zu rechtfertigen suchte? Steckten hinter der Daitōakyōeiken ernstgemeinte Absichten einer „Befreiung Asiens“ vom westlichen Kolonialismus? War sie Zukunftsvision und/oder ideologischer Auswuchs sich bis dato entwickelnder panasiatischer Ideen? Wurde in ihr ein politisch-ideologisches Gegenkonzept zum Westen, eine neue politische Ordnung, die Bildung eines starken wirtschaftlichen Blocks in Asien gesehen? Es sei vorweggenommen, dass die „Großostasiatische Wohlstandssphäre“ all dies war, wie der an der Chinesischen Universität Hongkong lehrende Historiker Jeremy A. Yellen verdeutlicht. Die Daitōakyōeiken wurde von den Akteuren zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich interpretiert und wahrgenommen. Japans Politiker, Militärs und Intellektuelle etwa „saw the new order as both colonial and anticolonial at the same time” (S. 20). So könnte auch ein Fazit der Studie Yellens lauten, wonach die „Großostasiatische Wohlstandssphäre“ ein äußerst hybrides Gebilde politisch-ideologischer Vision einerseits und zugleich äußerst pragmatischer Kriegspolitik andererseits war.

In der abendländischen Historiografie ist die Daitōakyōeiken noch immer ein Desiderat der Forschung: Zwar ist sie gerade im Zusammenhang mit Japans Kriegführung und der Besatzung Südostasiens auch in Studien deutscher Forschungen zum Zweiten Weltkrieg naturgemäß ein Thema1, aber es gab bisher in westlichen Sprachen kein nennenswertes Werk, das sie detailliert analysiert.2 Es ist daher ein großes Verdienst Yellens, dass er unter Durchdringung einer Fülle englischer, vor allem aber japanischer Primärquellen und Sekundärliteratur dieses Thema dezidiert auf das Tableau der internationalen Forschung zum Zweiten Weltkrieg hebt.

Yellens gut 200 Textseiten umfassendes Buch ist in zwei wesentliche Kernbereiche untergliedert. Yellen kontrastiert dabei die Vorstellungen der politischen und militärischen Entscheidungsträger in Tokio, subsumiert unter der Zwischenüberschrift „The Imagined Sphere“ (S. 23), mit der Sphäre in der Realität, „The Contested Sphere“ (S. 103), und den Ansichten nationaler Führungskräfte in den japanisch besetzten Territorien Burma, heute Myanmar, und den Philippinen. Den Ausbruch des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges im Jahr 1937 zum Startpunkt nehmend zeigt Yellen im ersten Teil auf, wie Japans politische Elite sowie Intellektuelle seit 1940 das Konzept einer „Wohlstandssphäre“ zu entwickeln suchten. Auf der Erfahrung des Ersten Weltkriegs basierend wuchs das Denken in der Kategorie „Total War“ und die damit verbundene Annahme war, dass in einem solchen Fall wirtschaftliche Autarkie unabdingbar sein werde. Ferner zielte Japans Politik auf die Verortung des Inselstaats im internationalen Mächtekonzert.

Yellens Hauptakteur ist hier Außenminister Matsuoka, dessen Zukunftsvorstellung auf eine in regionale Blöcke aufgeteilte Welt hinauslief. Neben den von den USA dominierten Amerikas, dem zwischen der kommunistischen Sowjetunion und dem nationalsozialistischen Deutschland aufgeteilten Europa und dem globalen Britischen Empire sollte laut Matsuoka in Asien eine von Japan angeführte „Wohlstandssphäre“ mit Ostasien als Kern entstehen. Wie Yellen richtig aufzeigt, hatten die militärischen Erfolge der deutschen Wehrmacht in Europa im Sommer 1940 erhebliche Auswirkungen auf Asien. Matsuoka befürchtete, dass das Deutsche Reich über eine Inbesitznahme der französischen und niederländischen Kolonialterritorien zu einem starken Akteur auf der asiatischen Bühne werden könnte (S. 38ff.).3

Japans Reaktionen waren einerseits die von Matsuoka initiierte und im September 1940 vertraglich manifestierte Allianz mit Deutschland und Italien, andererseits die Entfachung eines militärischen Flächenbrands in Asien durch die Eröffnung des Pazifikkriegs im Dezember 1941 und die Inbesitznahme von beinahe ganz Südostasien im Frühjahr 1942. Wie Yellen verdeutlicht, führte Japan dabei einen Krieg, ohne dass Japans Politiker und Intellektuelle ihre mitunter nicht im Einklang miteinander stehenden Visionen einer Wohlstandssphäre wirklich konkretisiert hatten. Auch wenn nach Kriegsausbruch die Vorstellungen einer zu schaffenden Wohlstandssphäre 1942 eine gewisse Institutionalisierung mit der Schaffung des Daitōashō, eines „Ministeriums für Großostasien“, erfuhr, war Japans Kurs ein mäandernder. Es gab unterschiedliche Ansichten darüber, welche Besatzungsgebiete zukünftig wie direkter oder indirekter Kontrolle Japans unterstehen und inwiefern sie unabhängig von Japan agieren können sollten. Yellen betont dabei aber nicht ausreichend, dass ein Beschluss von Regierung und Militär bereits im November 1941 festhielt, dass die unter dem Oberbegriff Daitōakyōeiken zusammengefassten Okkupationsgebiete in Südostasien nun einem primären Ziel unterstellt wurden. Die für Japan zur Aufrechterhaltung seiner Kriegsführung essentielle Ressourcenausbeutung stand fortan über allem. Daitōakyōeiken war nun zum Leitbegriff der japanischen Realpolitik zu Kriegszeiten geworden.4

Im zweiten Buchteil fokussiert Yellen darauf, wie es um die Umsetzung des Konzepts „Wohlstandssphäre“ in der Realität und „on the ground“ stand. Yellen zieht hierfür Burma und die Philippinen als Beispiele heran. Da Japan – von Yellen zu wenig beachtet – aufgrund der vergleichsweisen Ressourcenarmut beider Gebiete kein großes Interesse an einer langen Phase direkter Kontrolle dieser Länder hatte, erhielten sie 1943 nominell den Unabhängigkeitsstatus zugesprochen. Yellen fokussiert in seiner Darstellung auf die nationalen politischen Führer Burmas und der Philippinen. In ihnen sieht Yellen primär Patrioten und bezeichnet sie daher als „patriotic collaborators“ (S. 105). Ihre Kooperation war laut Yellen nicht allein politischem Opportunismus oder puren Eigeninteressen geschuldet. In ihrer Kollaboration sieht er vielmehr pragmatisches Handeln in Kriegszeiten: „For the patriotic collaborators, short-term cooperation was a tactical move, done for the sake of achieving or preserving longer-term political freedom.” (S. 137)

Nicht nur in Burma und auf den Philippinen, wie von Yellen veranschaulicht, sondern auch in anderen Besatzungsgebieten wie etwa der malaiischen Halbinsel kooperierten nationale Eliten mit Japan, um so größeres Leid, sprich: japanische Repressionen, von der eigenen Bevölkerung abzuwenden.5 Sie versuchten, Japans Projekt des Aufbaus einer Wohlstandssphäre zu eigenen nationalen Zwecken zu nutzen und mit weitsichtigem Blick auf eine angestrebte nationale Unabhängigkeit nach dem Krieg erste Strukturen in diversen Bereichen wie Wirtschaft, Bürokratie, Militär oder Diplomatie zu schaffen, so Yellen. Von Japans militärischer Stärke zu Kriegsbeginn schwer beeindruckt, drängten etwa in Burma Eliten auf eine Bewaffnung an japanischer Seite – mit Erfolg: Der burmesische Marionettenstaat unter der Führung Ba Maws konnte eine burmesische Nationalarmee (Biruma Kokuritsugun) aufstellen. Diese stellte sich aber später im Krieg gegen das Japanische Empire, als Japans bevorstehende Kriegsniederlage immer deutlicher sichtbar wurde und das militärisch mit dem Rücken zur Wand stehende Kaiserreich den Druck der Ressourcenausbeutung auf die Okkupationsgebiete merklich erhöhte. „Local leaders took what they could from Japan, using the Co-Prosperity Sphere for anticolonial ends“ (S. 200), lautet ein Fazit Yellens.

Yellens Bild der Daitōakyōeiken wäre ein anderes, hätte er im zweiten Teil an Stelle von Burma und der Philippinen, in denen nationalistische Strömungen schon vor dem Krieg stark verbreitet waren, andere Gebiete gewählt. Malaya oder Java, letzteres für Japan die wichtigste Quelle zur Rekrutierung indigener Zwangsarbeiter in Südostasien, unterstanden etwa einer direkteren japanischen Kontrolle und einer noch viel stärker praktizierten Ausbeutungspolitik.6 Auch wenn Yellens Buch kein allumfassendes Gesamtwerk zur Daitōakyōeiken darstellt, weswegen in dessen Untertitel ein Hinweis auf die Fallbeispiele Burma und die Philippinen sinnvoll gewesen wäre, ist es doch eine sehr beachtenswerte Studie. Jeder, der sich in Zukunft mit wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit der „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ widmet, wird an Yellens Buch nicht vorbeikommen.

Anmerkungen:
1 Verwiesen sei hier lediglich auf die nachfolgend aufgeführten Veröffentlichungen von fünf deutschsprachigen Japanhistorikern, in deren Werken die Daitōakyōeiken thematisiert wird: Peter Herde, Großostasiatische Wohlstandssphäre. Die japanische Besatzungspolitik auf den Philippinen und in Indonesien im Zweiten Weltkrieg und ihre Folgen, Stuttgart 2002; Gerhard Krebs, Japan im Pazifischen Krieg. Herrschaftssystem, politische Willensbildung und Friedenssuche, München 2010; Sven Matthiessen, Japanese Pan-Asianism and the Philippines from the late 19th century to the end of World War II. Going to the Philippines is like coming home?, Boston 2016; Takuma Melber, Zwischen Kollaboration und Widerstand. Die japanische Besatzung in Malaya und Singapur (1942–1945), Frankfurt am Main 2017; Sven Saaler / Christopher W.A. Szpilman (Hrsg.), Pan-Asianism. A documentary History, Bd. II: 1920-Present, Lanham 2011.
2 Mitte der 1970er-Jahre hat etwa Joyce C. Lebra eine Quellensammlung zur Daitōakyōeiken zusammengestellt. Auch wenn das Werk mit Recht viel zitiert wird, kann hierbei von einer wissenschaftlichen Analyse der Daitōakyōeiken kaum die Rede sein. Siehe: Joyce C. Lebra (Hrsg.), Japan’s Greater East Asia Co-Prosperity Sphere in World War II. Selected readings and documents, Kuala Lumpur 1975.
3 Vgl. Melber, Kollaboration, S. 95.
4 Vgl. ebd., S. 190ff.
5 Vgl. ebd., S. 273ff.
6 Vgl. ebd., besonders S. 450ff.

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