A. Postert: Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel

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Title
Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel. Große Geschichte in kleinen Dingen 1900–1945


Author(s)
Postert, André
Published
Extent
381 S.
Price
€ 26,00
Reviewed for H-Soz-Kult by
Stefan Poser, Institut für Geschichte, Karlsruher Institut für Technologie

In seinem Buch zur Geschichte des Spielens spannt André Postert einen Bogen, der die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts umfasst. Sein Anliegen ist es, die Abhängigkeit der Spielthemen von politischen beziehungsweise gesellschaftlichen Entwicklungen herauszuarbeiten und deutlich zu machen, wie sich gesellschaftliche Veränderungen in der Gestaltung von Spielutensilien sowie zeitspezifischen Spielen spiegeln. Hierzu beschreibt er sowohl Kinder- als auch Erwachsenenspiele. Der Schwerpunkt liegt auf der Geschichte der NS-Zeit, dem Hauptarbeitsgebiet des Autors. Postert thematisiert das Kriegsspiel und die dazu angeboten Spielmittel ebenso wie Technisches Spielzeug, betrachtet die ökonomische Seite des Spielwarenangebots ebenso wie dessen – zum Teil menschenunwürdige – Herstellungsbedingungen, die nicht nur durch Heimarbeit unter Einbeziehung von Kindern geprägt waren, sondern in der NS-Zeit auch durch die Produktion von Spielwaren in Ghettos und Konzentrationslagern. Für seine Arbeit legt der Autor in erster Linie zeitgenössische Publikationen zu Grunde; die Kapitel zur NS-Zeit basieren zudem auf Archivrecherchen.

Als Erwachsenenspiele beschreibt Postert beispielsweise Glücksspiele zwischen Spiel, Sucht, Einkommensquelle und Kriminalität oder den liberalen, spielerischen Umgang mit Sexualität in den 1920er-Jahren. Das Buch schließt mit einem Abschnitt über das Spielen in Trümmerfeldern und mit umgenutzten beziehungsweise umgearbeiteten Kriegsmaterialien. Dabei geht Postert auch auf den nicht umgesetzten Beschluss des Deutschen Bundestags zum Verbot von Kriegsspielzeug von 1950 ein. Auf den letzten Seiten seines Buches skizziert er in einem kurzen Ausblick die Entwicklung von Spielen bis in die Gegenwart.

Es gelingt dem Autor, eine wissenschaftliche Herangehensweise mit einer gut lesbaren Darstellung zu verbinden, die sich auch an Nicht-Historiker/innen richtet. Diesem Ansatz mag es geschuldet sein, dass Postert auf eine operationale Definition von Spiel gänzlich sowie auf die Rezeption von Theorien des Spiels weitgehend verzichtet. Lediglich auf das 1899 erschienene Buch „Die Spiele der Menschen“ von Karl Groos bezieht er sich ausführlicher. Dieses Werk ist zwar wegen seiner (von Postert nicht erwähnten) frühen Ansätze zur Unterscheidung von Sport und Spiel wichtig, aber dessen Rezeption ersetzt keinesfalls die Einbeziehung von Autoren wie Johan Huizinga, Roger Caillois oder Brian Sutton-Smith, die Postert eine klarere theoretische Verortung seiner einzelnen Spielthemen, und damit eine stringentere Darstellung des Themas Spiel ermöglicht hätte.

Die Kapitelüberschrift „Jüdisches Falschspiel“ (S. 148), unter der Postert das Thema Glücksspiel in nationalsozialistischen Propaganda-Schriften aufarbeitet, ist unglücklich gewählt. Interessant wird sein Buch durch die Darstellung von Spielen an Orten, an denen dies kaum zu erwarten war: Mit seiner Analyse der Spielbeobachtung von psychisch erkrankten Kindern mit dem Ziel über ihre Ermordung (sogenannte Euthanasie) zu entscheiden, widmet sich Postert einem wichtigen Thema. Dasselbe gilt für die Aufarbeitung des Spielens unter unvorstellbar schlimmen Lebensbedingungen in Konzentrationslagern. Seine Argumentation, dass Spiel selbst hier einen geistigen Freiraum zu erhalten vermag, leuchtet ein. So ist es das Verdienst des Autors, abermals gezeigt zu haben, dass sich „das Nachdenken über Spiele und Spielzeug lohnt“ (S. 335).

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