Friedrich von der Trenck (1727–1794) gehört zu jenen abenteuerlichen Gestalten, in deren romanhafter Biografie sich die Widersprüche ihres Jahrhunderts spiegeln. Christopher Frey verweist zu Recht einleitend darauf, dass Trenck „Apologet der Bauernrechte und ungnädiger Grundherr“, privilegienbewusster Adeliger und „radikaler Demokrat“ zugleich gewesen sei, der als Privatmann auf seinen Offiziersrang und als Offizier auf seine individuelle Unabhängigkeit gepocht habe, sich dem habsburgischen Kaiser wie dem preußischen König andiente, während er gleichzeitig in seinen Schriften Despotenwillkür geißelte (S. 18f.).
Der aus ostpreußischem Adel stammende Trenck studierte zwar Jurisprudenz, wurde aber Offizier, desertierte und wurde nach seiner Flucht aus der Festungshaft für „infam“ und seiner Güter verlustig erklärt. Er trat das Erbe seines österreichischen Vetters Franz von der Trenck an, der seinerseits in Festungshaft gestorben war, konvertierte um des Erbes willen zum Katholizismus und erhielt eine Offiziersstelle in Österreich, die für ihn eine Pension bedeutete, ohne dass er in den Krieg ziehen musste, und für die Kaiserin die trügerische Hoffnung, den unruhigen Geist unter Kontrolle zu halten. Auf Urlaub wurde er 1754 in Danzig verhaftet und unter unsäglichen Bedingungen fast zehn Jahre lang in der Magdeburger Festung eingekerkert. Der Fall machte – nicht zuletzt aufgrund Trencks eigener Publizistik und hier insbesondere seiner 1786/87 veröffentlichten „Lebensgeschichte“ – Furore in der lesehungrigen deutschen und der vorrevolutionären französischen Öffentlichkeit.
In seiner Aachener Zeit (1765–1778) gründete er eine Familie und zeigte schon bei der Wahl der Taufpaten für seine Kinder, dass er gewillt war, ihnen einen standesgemäßen Platz in der großen Welt zu sichern, auch wenn seinen Ambitionen am Ende nur ein mäßiger Erfolg beschieden sein sollte. 1778/79 erwarb er die Herrschaft Zwerbach in Niederösterreich, wenige Jahre später auch den erbländisch-österreichischen Ritterstand, was ihn indes nicht davon abhielt, nach dem Tod Friedrichs II. seine Fühler wieder nach Preußen auszustrecken. In Zwerbach fasste Trenck schon deswegen nicht Fuß, weil die grundherrschaftlichen Rechte und Abgaben ungeklärt waren, die Erträge gering blieben und der Fideikommiss unter korrupten Kuratoren litt. Die Mühen einer Melioration waren seine Sache nicht. Stattdessen baute er auf schriftstellerische Erfolge, ließ sich 1788/89 in Paris feiern, wo er aufgrund seiner „Lebensgeschichte“ sogar Protagonist eines Theaterstücks wurde, agitierte 1790/91 in Ungarn zugunsten Leopolds II. gegen die oppositionellen Stände, konnte in seiner Maßlosigkeit jedoch nur durch Hausarrest gebremst werden und musste einen Revers unterschreiben, in dem er – gegen eine Erhöhung seiner Pension – jeder publizistischen Tätigkeit entsagte. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, weitere Bände seiner gesammelten Schriften, seiner „Lebensgeschichte“ und einer pro-revolutionären Monatsschrift – diesmal im zensurfreien dänischen Altona – herauszubringen. 1793 hofft er, allerdings vergebens, an seine Pariser Erfolge anzuknüpfen, und geriet durch abermalige Unbedachtsamkeiten in die Mühlen der Terreur. Nach zehnmonatiger Haft endete er am 25. Juli 1794 auf dem Schafott – drei Tage vor dem Sturz Robespierres.
Die Zeiten, in denen die „traurigen Schicksale der Trenckischen Familie [...] zur Volkssage geworden“, wie es in einem Memorial an den Wiener Hofkriegsrat von 1813 heißt (S. 430), sind zwar vorbei. Ein Unbekannter ist Trenck aber durchaus nicht. Die bislang profundeste Studie, die seiner widersprüchlichen Person gerecht zu werden versucht, legte 1977 Walter Grab in einem umfangreichen Aufsatz vor. Nun hat sich Christopher Frey fast 40 Jahre nach Grab in seiner an der Universität Wien entstandenen Dissertation noch einmal sehr eingehend mit Friedrich von der Trenck beschäftigt und – um es gleich vorwegzunehmen – damit unseren Kenntnisstand immens erweitert.
Ausgangspunkt war offenkundig die Wiederentdeckung des Trenck’schen Familiennachlasses, dessen Überlieferungsgeschichte selbst schon kurios genug ist: Was im 19. Jahrhundert zur Behauptung des nobilitären Rangs zusammengetragen worden war, schlummerte zuletzt wenig standesgemäß in einer Kiste auf dem Dachboden unter einem Staubsauger (S. 25–28). Der Fund ist umso bedeutsamer, als Autografe und nur für einen kleinen Adressatenkreis bestimmte Selbstzeugnisse Trencks rar sind. Deshalb ist es umso begrüßenswerter, dass Frey 25 Briefe von Trenck und drei an ihn gerichtete in einer philologisch mustergültigen Edition zugänglich macht. Die Briefe, die überwiegend zwischen 1787 und 1794 datieren, stellen kein geschlossenes Corpus dar, sondern sind Momentaufnahmen, die allerdings über den eigentlichen Anlass hinaus Schlaglichter auf eine Vielzahl von biografischen Aspekten werfen und mit ihrem schier schwindelerregenden stilistischen und inhaltlichen Staccato den Eindruck eines „ruhelosen Lebens“ bezeugen. Hervorzuheben sind Trencks Briefe von seiner Reise nach Preußen 1787, die zeigen, wie sehr er sich bei Hofe in Berlin und bei der ausgedehnten Verwandtschaft in Ostpreußen um eine Zukunft seiner Familie in Preußen bemühte, ebenso seine Berichte von der Aufnahme und seinen publizistischen Aktivitäten in Paris 1789, eindrücklich auch, wie er 1791 seine Kinder einspannte, um nach seiner Verhaftung in Ungarn und seinem Hausarrest in Wien zu retten, was zu retten war. Und am Ende war es nicht der Abschiedsbrief an die Familie kurz vor der Hinrichtung, der das letzte Wort hat, sondern die Anweisung an seine „Epouse cherie“, keinen auf seine Gefängniszeit datierten Wechsel zu akzeptieren; denn er sei niemandem etwas schuldig. Überraschend sind ein Brief Gellerts, mit dem er – nicht freundschaftlich, aber doch vertraut – Trenck zur bevorstehenden Eheschließung gratuliert, und ein Handschreiben Kaiser Josephs II., in dem er „gnädigst“ akzeptiert, dass Trenck ihn ungefragt zum Paten seines gleichnamigen Sohnes gemacht hat.
Daran angeschlossen finden sich – neben drei Schriftstücken, die den Briefbestand ergänzen – noch 38 weitere Dokumente, die allesamt nach Trencks Tod geschrieben wurden und größtenteils aus der Korrespondenz von Trencks Ehefrau, den Söhnen Joseph und Leopold sowie der Tochter Caroline untereinander bestehen. Das Vielsagendste an dieser Familienkorrespondenz ist, dass Friedrich von der Trenck darin nicht mit einem Wort erwähnt wird.
Bei keiner Edition von Selbstzeugnissen geht es ohne die Notwendigkeit zur Kommentierung und Kontextualisierung ab, die es dem heutigen Leser erlaubt, zu verstehen und einzuordnen, was dem seinerzeitigen Adressaten zu verstehen und einzuordnen ohne viel Mühe möglich war. Nun gehört Trenck zu den Schreibern, die es einem besonders schwer machen. Seine egomanische Selbstüberschätzung und die Selbststilisierung als Opfer von Despotenwillkür und Betrug, hochfahrende Projektemacherei, grandioses Scheitern und ständige Not, an Geld zu kommen, erschweren es, den Kern der Dinge unter der Rhetorik freizulegen, und dieser Kern erweist sich wiederum nicht selten als ein komplexes Gebilde von Sachmaterien und Interessenslagen. Hier nun hat Christopher Frey wirklich Stupendes geleistet. Er hat nicht nur das Briefkorpus mit Trencks Publikationen abgeglichen, sondern hat vor allem in einer Vielzahl von Archiven und Bibliotheken Belege und Gegenbelege zur Trenck’schen Lesart der Ereignisse gesammelt und ausgewertet. Auch hier wiederum scheidet er das Stichhaltige vom Interessegeleiteten und wägt sorgfältig ab, was als Dichtung und was als Wahrheit einzustufen ist. Denn, wie Frey unter anderem anhand von Gerichts- und Hofkriegsratsakten zeigen kann, sind Trencks Behauptungen, Opfer von Willkür, Intrige und Betrug zu sein, zwar häufig überzogen und einseitig bis an die Grenze der Paranoia, besaßen aber oft genug wohlgegründete Ursachen. Freys akribische Recherchen fördern ein Panoptikum von Personen und Strukturen zutage, das als Anschauungsmaterial für Rousseaus Fundamentalkritik an der Gesellschaft des Ancien régime, ihren Ordnungen und den Deformationen, die sie hervorbrachten, bestens geeignet ist.
Die Ergebnisse dieser Recherchen fließen indes nicht nur in den umfänglichen und kenntnisreichen Stellenkommentar zu den edierten Briefen ein. Sie bilden vielmehr und vor allem die Grundlage für jene rund 190 Seiten der Einleitung, die Frey mit „Biographischer Wegweiser“ überschreibt. Die Überschrift ist freilich pures Understatement. Denn über das Einordnen der Quellenstücke in ihren biografischen Kontext hinaus nutzt Frey die Gelegenheit, Themen, die im Stellenkommentar nur punktuell behandelt werden können, in ihrem größeren Zusammenhang zu entfalten und gewissermaßen die roten Fäden herauszuarbeiten. Dazu gehören selbstverständlich die Familienverhältnisse, die Frey im Anhang mit acht Stammtafeln und den Kurzbiografien von Trencks Ehefrau und Kindern ergänzt. Den zweiten roten Faden bildet Trencks Publizistik, deren „radikales, selbstzentriertes Aufklärertum“ (S. 73) ihn zu einem der „meistverbotenen Autoren der josephinischen Epoche“ (S. 16) werden ließ. Hier gibt Frey zugleich interessante Einblicke in die bisweilen alles andere als hehren Praktiken auf dem Buchmarkt, für die Trencks Wiener Verleger Georg Philipp Wucherer (nomen est omen) ein besonders sprechendes Beispiel bietet. Breiten Raum nehmen drittens das als Fideikommiss abgesicherte Erbe und die daraus erworbene Herrschaft Zwerbach ein. Die – nicht nur aus Trencks Sicht – prekäre Situation mitsamt ihren rechtlichen und pekuniären Problemen sowie dem Wirrwarr aus involvierten Instanzen veranschaulicht, dass nicht nur das Alte Reich, sondern auch die Verhältnisse in einem Winkel Niederösterreichs ein „irregulare aliquod corpus et monstro simile“ (S. Pufendorf) gewesen sind. Nicht nur in diesem Zusammenhang stritt Trenck an mehreren Fronten für das, was er für sein Recht hielt, und gegen mutmaßliche Veruntreuungen derer, die eigentlich so etwas wie eine staatliche Aufsicht hätten ausüben sollen. Auch zivilrechtlich war Trenck seit seiner Aachener Zeit pausenlos in Prozesse verwickelt. Frey verzeichnet 34 und versucht in vielen dieser Fälle die zum Teil verwickelten Sachverhalte zu entwirren, soweit es das erhaltene Quellenmaterial zulässt.
Dass Trenck ein streitbarer Charakter war, ist unbestreitbar. Erfreulicherweise belässt es Frey nicht bei dieser Feststellung, auch schließt er sich nicht allzu wohlfeilen Verdikten an, sondern ist durchgehend bemüht, die innere Logik des Trenck’schen Handelns zu verstehen, wie er auch die Motive der übrigen dramatis personae nachvollziehbar herausarbeitet. Folgerichtig schließt er seinen „Biographischen Wegweiser“ mit einem Kapitel über Trencks Persönlichkeit. Frey ist sich bewusst, dass eine psychologische Anamnese in historischer Perspektive nicht möglich ist, und gerade deshalb sind seine vorsichtig argumentierenden Anmerkungen zu den Folgen der fast zehnjährigen Festungshaft methodisch wie inhaltlich überaus lesenswert. Demgegenüber sind die Ausführungen zum „Brief als Quelle“ zwar nicht falsch, wirken aber in Anbetracht des geschichts- und literaturwissenschaftlichen Forschungsstands zu Briefkultur und Selbstzeugnissen ein bisschen lieblos.
In summa präsentiert Frey also dem Leser statt eines bloßen „Wegweisers“ durch die Briefedition eine veritable Trenck-Biografie, die durch Quellennähe, Materialreichtum und durchweg überzeugende Interpretationen besticht. Die Ausführungen zu den weiteren Schicksalen der Familie nehmen demgegenüber – ebenso wie die Familienkorrespondenz – eher den Rang eines Epilogs ein. Die Lektüre macht zwar gerade wegen der Detaildichte bisweilen etwas Mühe. Aber am Ende beginnt man zu verstehen, warum zumindest ein Teil des zeitgenössischen räsonierenden Publikums in Trenck nicht nur den Sonderling und Außenseiter sah, sondern an seiner Vita das für die Krise des Ancien régime Exemplarische.