Der Kalte Krieg als "Krieg" öffnete erhebliche Ressourcen in Ost und West. Der ideologische Wettkampf ließ - und sei es auch nur aus propagandistischen Gründen - Maßnahmen zu, die bisher nur in einer militärischen Auseinandersetzung zu finden waren. Viel ist immer über die Wohlstandseffekte des Konflikts gesprochen worden. Schaut man aber genauer hin, war der Kalte Krieg eben auch der große Verhinderer. Niemand weiß - und wahrscheinlich wird es auch niemand in Zukunft belegen können - was aufgrund der spezifischen Konstellationen des Kalten Krieges im Einzelnen alles nicht stattfand: Welche Forschungen wurden nicht finanziert, welche Buchproduktionen und welche Filme kamen nicht an die Öffentlichkeit, welche Einrichtungen wurden nicht eröffnet, welche Lebensläufe wurden zerstört und welche Karrieren unterbunden?
An einem dieser "blinden Flecke" der Geschichte des Kalten Krieges setzt die Dissertation von Stephan Buchloh an: Sie beschäftigt sich mit der Zensur in Presse, Literatur, Theater und Film während der Adenauer-Zeit und versucht über diese Einschränkungen das gesellschaftliche Klima zu rekonstruieren. Praktisch jedoch gehen die Ziele seines Buches sogar noch weiter: Neben der Ermittlung der einzelnen Zensurmaßnahmen und der Erkundung der "Gedankenwelt" und des "gesellschaftlich-politischen Klimas" versucht er eine allgemeine Zensurtheorie zu dieser Zeit zu entwickeln.
Vor allem der letzte Aspekt zeigt, dass die üblichen Begrenzungen einer historischen Analyse überschritten sind. Dieser Teil ist jedoch auch der schwächste, und man hätte ihn, um es vorweg zu sagen, auch ohne Substanzverlust herauslassen können. Stattdessen hätte man sich als Leser gewünscht, zumindest ein Personenverzeichnis und eine Liste der Quellen vorgelegt zu bekommen. Es hätte den Gebrauchswert des Buches mit einem wichtigen Thema zweifellos erhöht.
Die Quellen zur Ermittlung der Zensurmaßnahmen für die Adenauer-Zeit sind ein Thema für sich: Jeder, der sich schon einmal mit Zensur beschäftigt hat, weiß, dass jene Akten, die den Umfang und die Gründe der Zensur klar nennen, nur schwer zu haben sind, wenn es sie denn überhaupt gibt. Allerdings bieten sich als Ausweg immer noch Presseartikel an, die aus der Sicht der Zeitgenossen bekannt gewordene Einschränkungen öffentlichen diskutierten. Auch die Debatten des Bundestages, etwa um das Bundespressegesetz oder das Gesetz zum Schutz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, können dafür eine Fundgrube sein. Wie Buchloh zeigt, sperrt sich die einschlägige Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) allerdings immer noch, ihre Akten für die Forschung zugänglich zu machen. Man könnte meinen, es handle sich hier um Geheimdienstakten. Wer schon einmal versucht hat, beim Bundesnachrichtendienst Einsicht in die über dreißig Jahre alten Akten oder überhaupt in Akten zu erhalten, wird Ähnliches erfahren.
Die Untersuchung von Buchloh stützt sich auch auf Akten der Bundesregierung, insbesondere auf die des "Interministeriellen Ausschusses für Ost/West-Filmfragen", der für die Einfuhr von Ostblockfilmen zuständig war und sie zum Beispiel über Devisenbestimmungen blocken konnte. Auch der Hebel der Subventionen bot von Beginn an ein probates Mittel zur Abwehr unerwünschter Erzeugnisse.
Über die jeweiligen Grundsätze der einzelnen Kommissionen kann man, wie der Band zeigt, bereits bestimmte Kriterien dafür ermitteln, was unerwünscht war. Buchloh konzentriert sich dabei insbesondere auf den Antikommunismus, den er als "bestimmenden Faktor des gesellschaftlichen Klimas" betrachtet (S. 291). Anders verhält sich dies schon bei der Frage, welche Mentalität bei den Zensoren nachweisbar ist. Hier ist man vielfach auf Schlussfolgerungen angewiesen.
Eindeutige Zensur belegt Buchloh im Bereich des Theaters an den Stücken von Bertolt Brecht. Zudem wurden eine Reihe von Filmen aus der Produktion des Ostblocks aus politischen Gründen nicht freigegeben, weil es sich, wie bei dem Streifen "Die Genesung", angeblich um eine "Verherrlichung des Kommunismus" handelte. Der später hochgelobte Film "Der Untertan" wurde erst fünf Jahre später (Ende 1956) und stark gekürzt freigegeben, weil, wie man belegen kann, die pauschale Anklage des Militärs störte. Subventionen flossen auch bei unpolitischen Filmen dann nicht mehr, wenn die Schauspieler auch in Ostdeutschland Filme drehten. Ins Visier kam zum Beispiel auch der ehemalige UFA-Star Marika Rökk, weil sie in dem Heimatfilm "Kind der Donau" mitgespielt hatte, der von einer Filmgesellschaft produziert wurde, die in der sowjetisch besetzten Zone Österreichs ansässig war.
Als besonderes Fallbeispiel dient Buchloh der Film "Bis fünf nach zwölf" aus dem Jahr 1953, ein Film, der auf privater Ebene die deutsche Geschichte seit 1912 nachzeichnete, und Originalfilmaufnahmen vor allem aus der Zeit des Nationalsozialismus verwendete. Inhaltlich war der Film tatsächlich wohl nicht besonders anspruchsvoll. Deswegen wurde er allerdings nicht verboten. Von der Bundesregierung wurde er vor allem als Gefahr für die Westbindung und Wiederbewaffnungsanstrengungen verstanden. Buchloh zitiert die Wiedergabe von Adenauers Einschätzung des politisch wohl eher zurückhaltenden Streifens: "Der 1. Teil sei eine Verherrlichung, der 2. Teil mit Eva Braun nicht so schlimm. Gefährlich seien die Bilder zusammengeballter Kraft, die Hitler als den Schöpfer und Herrscher solcher Macht zeigten. Demgegenüber mache sich der Zuschauer klar, daß die Bundesrepublik jetzt keine Macht und keine volle Souveränität habe, daß sie besetzt sei und daß der Aufstieg nur sehr langsam erfolgen könne. [...] Die Auslandswirkung zeige am besten die vom Daily Express gebrachte Äußerung 'So sind sie, so waren sie, so bleiben sie und diese Leute wollen wir bewaffnen'. Der Film sei die beste Propaganda gegen uns im Ausland. Es sei verwerflich, daß Geschäftemacher aus dem Ausland auf diese Weise Kapital aus dem Elend des deutschen Volkes schlügen und damit die mühsame Aufbauarbeit der Bundesrepublik störten. Der Bundeskanzler betonte, die Lage Deutschlands in außenpolitischer Hinsicht sei niemals so ungewiß und gefährlich gewesen, wie das in den kommenden Wochen der Fall sein werde. Im amerikanischen Kongreß werde der Haushaltsplan besprochen, in dem die für uns entscheidende Rolle, die Ausgaben für Europa spielten [...] der Zusammenhang mit dem Film sei ersichtlich. In Frankreich vorgeführt, mache er die EVG-Politik unmöglich" (S. 269).
Insgesamt gesehen bietet die Arbeit nicht zuletzt mit solchen Beispielen einen wichtigen Einblick in die konservativste Epoche der alten Bundesrepublik, in der der Systemkonflikt für vieles als Begründung dienen musste, was eigentlich damit wenig zu tun hatte. Und hier setzt auch die Kritik des Rezensenten ein: Es bleibt der Eindruck bestehen, dass der Autor die Zensurmaßnahmen stärker in den Kontext von Traditionen und Mentalitäten hätte stellen sollen. Die Zensoren waren ja zumindest zum Teil bereits vorher in ähnlichen Funktionen tätig. Selbstverständlich war Zensur in der Ära Adenauer eine Kampfmaßnahme gegen den Kommunismus, ein Teil der Eindämmungspolitik des Westens "gegen Moskau" im Innern. Darüber hinaus wäre aber ebenso interessant gewesen zu erfahren, inwieweit politische Gründe nur vorgeschoben wurden. Hier bleibt also noch viel zu forschen.