Cover
Titel
Nazigold für Portugal. Hitler und Salazar


Autor(en)
Louca, António
Erschienen
Wien 2002: Holzhausen
Anzahl Seiten
281 S.
Preis
€ 24,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael C. Schneider, Institut für Geschichte der Medizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Das Buch von António Louçã behandelt die wirtschaftlichen Transaktionen, die das neutrale, von António de Oliveira Salazar diktatorisch regierte Portugal während der 1930er-Jahre und insbesondere während des Zweiten Weltkrieges mit dem „Dritten Reich“ abwickelte. Der Autor, ausgebildeter Historiker und Journalist beim portugiesischen Fernsehen, interessiert sich zwar auch für das titelgebende Gold als Träger dieser Wirtschaftsbeziehungen. Insofern steht die Untersuchung in einer Reihe mit etlichen weiteren Studien, die seit den späten 1990er-Jahren Herkunft und Verwendung jenes Goldes zu klären versuchen, das die Nationalsozialisten in Europa erbeuteten und konfiszierten, und das für die Funktionsfähigkeit der deutschen Kriegswirtschaft eine wichtige Rolle spielte. Der Anspruch Louçãs greift jedoch weiter aus: Er will die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern während des Krieges umfassend klären, wenngleich er den Schwerpunkt auf die Gold- und Devisentransaktionen Portugals legt. Deshalb richtet er sein Augenmerk besonders auf die Rolle der portugiesischen Zentralbank, die bereits von einer offiziellen Kommission, der nach dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Staatspräsidenten Portugals, Mário Soares, benannten „Soares-Kommission“, untersucht worden ist, und deren Bericht der Autor immer auch als Gegenpol zu seiner Darstellung verstanden wissen will. In seinem Nachwort geht Louçã detailliert auf die Vorgeschichte seines Berichtes ein, und kritisiert unverhohlen die schleppende Öffnung der portugiesischen Archive.

Um das Verständnis der abstrakten und komplexen Gold- und Devisentransaktionen zu erleichtern, beginnt Louçã mit einer Schilderung des Spiegelbildes der Gold- und Devisenströme: den Güterströmen zwischen Portugal und NS-Deutschland. Für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern wurden während des Krieges die reichen Wolfram-Vorkommen Portugals immer wichtiger, zumal während des „totalen Krieges“. Wolfram ist ein Nicht-Eisen-Metall, das die Hitzebeständigkeit von Stahl erhöht und deshalb sowohl für Rüstungsgüter wie auch für den Maschinenbau unentbehrlich war. Den Alliierten gelang es indes nicht, Portugal zur Verminderung seiner Wolfram-Lieferungen an Deutschland zu bewegen, so dass sich der Mangel an diesem Rohstoff nicht zu einem ernsthaften Engpass für die deutsche Kriegswirtschaft auswuchs.

Im ersten Kapitel bietet Louçã zunächst einen knappen, vorwiegend auf der älteren Literatur basierenden Abriss der deutschen Rüstungs- und Kriegswirtschaft – die ausführliche Darstellung der Zwangsarbeit etwa kommt ohne das einschlägige Werk von Ulrich Herbert aus. Sodann schildert Louçã das handelspolitische Verhältnis zwischen Portugal und dem Deutschen Reich seit dem Abschluss ihres bilateralen Handelsvertrages 1935, der den wechselseitigen Warenaustausch auf der Basis des Clearing regelte. Bevor aber Wolfram während des „totalen Krieges“ seine zentrale Stellung einnahm, gehörten andere Rohstoffe wie Zinn, aber auch Fischkonserven zu den von Deutschland begehrten Exportgütern Portugals. Portugal wiederum war in erster Linie an Waffenlieferungen interessiert. Versuche Deutschlands, direkten Einfluss auf portugiesische Wolframgruben zu erhalten, gelangen zwar in einigen Fällen, jedoch nicht in einem Ausmaß, dass Deutschland auf den zusätzlichen Ankauf dieses Metalls hätte verzichten können. Die Bereitschaft Salazars wiederum, diesen Verkäufen bis 1944 zuzustimmen, erklärt sich zu einem Gutteil aus dessen antisowjetischer Haltung: Er sah den Rohstoff im Krieg gegen die UdSSR gut investiert.

Auch Schweizer Banken waren in den Devisenverkehr zwischen dem Reich und Portugal eingebunden: Zum einen Geschäftsbanken, die vor allem 1940 und 1941 das Interesse des Reiches an Escudos bedienten und im Gegenzug Schweizer Franken an portugiesische Geschäftsbanken verkauften, die dann wiederum über die Banco de Portugal an die Schweizerische Nationalbank flossen. Die Schweizerische Nationalbank ihrerseits gab hierfür Gold hin und war angesichts sinkender Goldreserven seit dem Sommer 1941 in verstärktem Maße an Reichsbankgold interessiert. Auch die in Basel ansässige, international kontrollierte Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) war an diesen Transaktionen beteiligt, wenngleich hier die Zahlungsströme über die Banque de France verliefen. Insgesamt erschwert bei diesem für das Buch zentralen Kapitel eine stärker als bei den vorangehenden Passagen hervortretende Personalisierung, aber auch eine gewisse Sprunghaftigkeit der Darstellung das Verständnis der Transaktionen. Auch zu den komplizierten Implikationen, die die schwedische Zentralbank betrafen, nicht zu vergessen zu den Interventionen der Alliierten hätte sich der Rezensent eine klarere Darstellung gewünscht – auch die beiden Kreislaufdiagramme im Anhang können dieses Manko nicht beheben. Louçã beschließt das Kapitel mit einer Erörterung der Frage, ob die portugiesische Zentralbank noch über Autonomie in ihren Entscheidungen verfügte, kommt aber im Wesentlichen zu einem verneinenden Ergebnis: Der Diktator Salazar hatte im Zweifelsfall stets das letzte Wort.

Das vierte und letzte Kapitel widmet sich der Frage nach der Herkunft des Reichsbankgoldes bzw. nach der Kenntnis, die die Portugiesische Zentralbank hiervon haben konnte. Dabei betont er die Möglichkeit, die physische Herkunft von Goldbarren zumindest in manchen Fällen zu rekonstruieren, obwohl sie umgeschmolzen und mit neuen Prägestempeln versehen worden waren. Ob sich allerdings unter dem von der Banco de Portugal angekauften Gold auch solches befand, das von Juden geraubt worden war, kann auch Louçã nicht sicher feststellen, neigt aber zu einer gewissen Skepsis in dieser Frage. Abschließend verfolgt er die Wege, die das Gold in der Nachkriegszeit nahm, bis hin zur ehemaligen portugiesischen Kolonie Macau. Hier enden die Nachforschungen mangels Quellen allerdings oft im Bereich des Spekulativen.

Zweifellos handelt es sich bei diesem Buch um eine verdienstvolle Untersuchung, die vor allem den Spezialisten neue Erkenntnisse zur Einbindung Portugals in den Waren- und Goldaustausch mit Deutschland sowie der Rolle der Schweiz in diesem Zusammenhang bieten kann. Für ein breiteres Publikum ist sie aus diesem Grund nur bedingt zu empfehlen. Gelegentlich beschreibt der Autor auch nur Teile von komplizierten Transaktionen, deren vollständige Abwicklung aufgrund der Quellenlage wohl nicht mehr rekonstruierbar ist. Insgesamt ist dieses Buch mit viel Engagement verfasst, das den Autor gelegentlich über das Ziel einer nüchternen Bestandsaufnahme hinausschießen lässt.

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