C. Schäfer: Computer und antike Texte

Cover
Titel
Computer und antike Texte. Wortrecherche, Konkordanz- und Indexerstellung mit Volltextdatenbanken. Zweite überarbeitete und erweiterte Auflage


Autor(en)
Schäfer, Christoph; Meier, Angelika
Reihe
Computer und Antike 1
Erschienen
St. Katharinen 2003: Scripta Mercaturae Verlag
Anzahl Seiten
257 S.
Preis
€ 20,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Florian Krüpe, Seminar für Alte Geschichte, Philipps-Universität Marburg

Computerbücher haben ein großes strukturelles Problem: Kaum sind sie auf dem Markt, veralten die darin enthaltenen Informationen außerordentlich rasch - bisweilen sogar so schnell, dass dort besprochene Programme längst in neueren Versionen vorliegen und der dem Buch zugrunde liegende technische Stand gar nicht mehr derjenige ist, der sich dem Benutzer mittlerweile darbietet. Eine zweite Auflage eines Buches über "Computer und antike Texte" erstaunt daher insbesondere dann nicht, wenn man sich vor Augen führt, dass die Erstauflage schon Anfang der 90er-Jahre erschienen ist.1 Die Zielsetzung hat sich gegenüber der älteren Fassung nicht grundsätzlich geändert: Es geht immer noch in erster Linie um Recherchemöglichkeiten in Volltextdatenbanken antiker Texte und die Probleme bei der Erstellung von Konkordanzen und Indices. Neu sind jedoch die meisten der vorgestellten Programme und der Ausblick auf die in der Erstauflage nicht berücksichtigte Apple-Macintosh-Welt.

Nach einer allgemeinen Einleitung und einer technischen Einführung in das Problemfeld Retrievalsoftware (S. 1-8) stellen Meier und Schäfer die Datenbanken vor, die das Datenmaterial für die Untersuchung darstellen (S. 8-67): Neben dem seit langem bekannten und vielverwandten "Thesaurus Linguae Graecae" (TLG) der University of California 2 sind dies die bekannten PHI-CDROMs 5.3 bzw. 7 des Packard Humanities Institute in Los Altos.3

Mit einem Datenbestand von über 1.800 Autoren und über 6.600 Werken aus dem Zeitrahmen von etwa 900 v.Chr. bis 600 n.Chr. stellt der TLG heute einen weltweit verbreiteten Standard dar, dessen Schwerpunkt in letzter Zeit vor allem auf der kaiserzeitlichen und frühbyzantinischen Literatur lag. Den Autorenkatalog listen Meier und Schäfer in dem entsprechenden Kapitel übersichtlich auf - und zwar inklusive der Autoren- und Werknummern. Demgegenüber enthalten PHI 5.3 die literarischen lateinischen Texte bis zum Jahre 200 n.Chr. zuzüglich einiger spätantiker Autoren und Bibeltexte und PHI 7 die papyrologischen Bestände zwischen 400 v.Chr. und 700 n.Chr. (die so genannten "Duke Databank of Documentary Papyri"), klassische und christliche griechischsprachige Inschriften (die so genannten "Inscriptions of the Christian Empire", 285-1453 n.Chr.) sowie koptische Texte - alles in allem über 200.000 Texte. Auch für diese beiden CDs listen Meier und Schäfer die enthaltenen Autoren und Editionen bzw. die erfassten Regionen auf, beschränken sich aber sinnvollerweise auf die wichtigsten Informationen.

Im Folgenden werden jene Retrievalprogramme vorgestellt, mit deren Hilfe diese Datensammlungen bzw. deren Beta-Code durchsucht werden können. Die beiden Autoren benennen jeweils die Hard- und Software-Anforderungen, geben Hinweise zur Installation, skizzieren die Benutzerführung und zeigen dann die individuellen Möglichkeiten und Leistungen auf Basis identischer Suchabfragen auf (S. 67-250), was in diesem Fall bedeutet, dass sie sich auf einen gemeinsamen Nenner stützen, nämlich PHI 5.3. In dessen Datenbestand wurden standardisierte Recherchen unternommen, um einen Vergleich der durchaus unterschiedlichen Retrievalsoftware zu ermöglichen.

Nacheinander werden so die Programme PANDORA (Mac), MUSAIOS, TLG-WORKPLACE (beide nur Windows), LECTOR (Windows u. Mac), VIEW&FIND (Windows), IBYGREP (Windows) und LIBYCUS (C++) vorgestellt, mit Hilfe zahlreicher Screenshots ausführlich bebildert und auch für den Computerlaien verständlich erklärt. Probleme mit Konflikten zwischen neueren Versionen des Windows-Betriebssystems und den älteren DOS-basierten Suchroutinen werden ebenso besprochen wie Hinweise auf Suchstrategien, Trunkierungen und Ergebnisauswertungen gegeben. Eine explizite Trennung zwischen "freier" und "kostenpflichtiger" Software erfolgt dabei nicht. In den Fußnoten erscheinen zahlreiche Hinweise auf Internet-Ressourcen und Handbücher, die dem Leser im Bedarfsfall weiteren Zugang in die Welt dieser Retrievalprogramme ermöglichen. Das strukturelle Problem der raschen Veralterung von Internetadressen läßt sich dabei naturaliter kaum umgehen - so hat sich die Struktur der wiederholt zitierten Homepage der New York University Libraries in den vergangenen sechs Monaten grundsätzlich geändert4, wenn auch nach wie vor vereinzelt Inhalte unter den angegebenen Adressen zu finden sind. Dieses Problem den Autoren anzulasten, die hinter jede zitierte Internetressource eine Datumsangabe gesetzt haben, wäre jedoch unredlich; schließlich haben alle gedruckten Veröffentlichungen damit zu kämpfen.

Als Ergebnis dieser exemplarischen Studie bleibt ein wenig erfreuliches Fazit bestehen (S. 2-3; S. 251-256): Im Hinblick auf die maßgeblichen Kriterien im EDV-Zeitalter wie Benutzerfreundlichkeit, Hilfefunktionen, Installation, Recherchemöglichkeiten, Ausgabe, Konvertierung und Sucheffizienz weisen sämtliche untersuchten Retrievalsysteme mehr oder minder starke Defizite auf. Eine Standardisierung der Rechercheformulierungen, der Benutzersprache und eine konsequente Einführung von Hilfefunktionen sind nicht oder nur in Ansätzen vorhanden, die Benutzerführung bleibt oftmals verwirrend und ist insgesamt betrachtet als ausgesprochen uneinheitlich zu bewerten. Das Fehlen von Demoversionen oder zeitlich limitierten Testversionen kommt erschwerend hinzu und führt zu einem anwenderunfreundlichen status quo.

Diesen zu beheben, ist nicht primär Aufgabe des vorliegenden Bandes. Letztlich beschreiben Meier und Schäfer nur jenen Missstand, der seit mehreren Jahren die effiziente Arbeit mit den Volltextdatenbanken nachhaltig behindert. Ihre fundierte Studie zeigt jedoch eindrücklich, dass in Zukunft mehr denn je eine Zusammenarbeit zwischen Informatikern und Fachwissenschaftlern nötig sein wird, um diesen Missstand zu beseitigen. Als detaillierte Einführung in die Welt der Retrievalsoftware und hilfreiches Nachschlagewerk wendet sie sich gleichermaßen an Laien wie Experten und erfüllt die Vorgaben der Reihe "Computer und Antike" - nämlich die Anwendungsmöglichkeiten des Computers in den Altertumswissenschaften zu veranschaulichen und die Kommunikation zwischen den Entwicklern EDV-gestützter Anwendungen in den Altertumswissenschaften zu fördern - in beispielhafter Art und Weise.5 Angesichts der Fülle an neuen Informationen gegenüber der Erstauflage von 1993 und der qualifizierten Kritik am status quo darf man hoffen, dass sich die Entwickler der genannten Programme die Kritik zu Herzen nehmen werden, und davon ausgehen, dass dies nicht die letzte Auflage gewesen sein wird.

Anmerkungen:
1 Schäfer, Christoph, Computer und antike Texte. Wortrecherche, Konkordanz- und Indexerstellung mit Volltextdatenbanken, St. Katharinen 1993.
2 Vgl. http://www.tlg.uci.edu.
3 Vgl. PHI 7: http://132.236.125.30/content.html.
4 Nun unter: http://library.nyu.edu.
5 Eine Übersicht der bisher erschienenen Bände findet sich unter: http://www.uni-marburg.de/alte-geschichte/CUNDA/.

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