I. Internationale Geschichte in Deutschland in der öffentlichen und fachlichen Wahrnehmung
Die Geschichte der internationalen Beziehungen hat im letzten Jahrzehnt vor dem Hintergrund der Überprüfung und Erweiterung unserer nationalen Erfahrungshorizonte innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft eine neue Belebung erfahren. Durch Stichworte wie die neue internationale Rolle Deutschlands, die Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union, die Globalisierungsdebatte und den Kosovo-Krieg gewinnen Fragen der internationalen Geschichte neues Gewicht und stärkere Bedeutung - gerade auch für Historiker der jüngeren und mittleren Generation. Damit verstummten auch alte Vorbehalte gegen die Disziplin aus den Kreisen der Sozialgeschichte und der älter gewordenen "neuen Linken", die in den siebziger Jahren noch um die Frage einer "modernen Politikgeschichte" hitzige Debatten auslösten. Heute ist wohl insgesamt eher ein Fehlen internationaler Dimensionen und Themen in der deutschen Geschichtswissenschaft zu beklagen.
Deutlich geworden ist in den letzten Jahren das frisch geweckte Interesse des Fachs auch durch neue wissenschaftlichen Publikationsreihen - wie die Zeitschriften "Journal of European Integration History" oder das "Jahrbuch für Europäische Geschichte" und das "Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen". Nicht zuletzt gilt diese publizistische Aktivität ganz besonders für die von Wilfried Loth gemeinsam mit Anselm Doering-Manteuffel, Jost Dülffer und Jürgen Osterhammel herausgegebene Reihe "Studien zur Internationalen Geschichte". Seit 1996 ist diese Reihe bereits auf über zehn Bände ausgezeichneter Fachstudien angewachsen, überwiegend Dissertationen und Habilitationsschriften.
Allerdings hält sich die öffentliche und fachinterne Wahrnehmung dieser Aktivitäten immer noch in Grenzen. Wie hätte es sonst nach dem Historikertag zu den allgemein erhobenen Vorwürfen in der Presse kommen können, der deutschen Geschichtswissenschaft mangele es durchgängig an Internationalität und internationalen Themen. Dabei gab es eine Sektion zur Geschichte der internationalen Beziehungen auf dem letzten Historikertag in Aachen, die unter ihren Kommentatoren ausser Peter Krüger und Klaus Schwabe auch Wilfried Loth begrüssen konnte, den Initiator der neuen Reihe und Mitherausgeber des vorliegenden Bandes.
II. Die neue Lust an der Theorie und Standortbestimmungen einer Disziplin: ein Inhaltsüberblick
Auf den Stand des Fachs der internationalen Geschichte in Deutschland und seine Debatten will dieser Sammelband aufmerksam machen. Er richtet sich nicht nur an die Historiker der internationalen Beziehungen in Deutschland, sondern an ein grösseres geschichtswissenschaftlich interessiertes Publikum. Er steht vor allem für das Bedürfnis nach einem Austausch über die theoretische Reflexion der internationalen Geschichte in der Bundesrepublik Deutschland. Wilfried Loth widmete 1998 den theoretischen und methodischen Fragen eine Tagung am Essener Kulturwissenschaftlichen Institut im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen. Dort wurde in einer Zwischenbilanz mit Kollegen aus dem In- und Ausland in systematischer und offener Weise über Methoden und Theorien, über Themen und internationale Strömungen des Fachs diskutiert.
Die Herausgeber der Reihe um Wilfried Loth orientieren sich "an einem umfassenden Verständnis von internationaler Geschichte" des 19. und 20. Jahrhunderts. Es gehört zu ihrem offenen Programm aufzugreifen, "was die systematischen Sozialwissenschaften zur Erklärung der internationalen Beziehungen bereitstellen", und "mit empirisch dichten Untersuchungen zur Präzisierung theoretischer Einsichten" beizutragen. 1 Dabei gehen sie thematisch über die Geschichte der internationalen Politik wie der internationalen Beziehungen hinaus.
Mit dem vorliegenden Band soll der Erneuerungsprozess einer in den Gegenständen erweiterten, methodisch verfeinerten und sich öffnenden Disziplin in dreierlei Hinsicht gefördert werden. Dem entspricht die Dreiteilung des Bandes. Im Teil I geht es um eine Bilanz der disziplingeschichtlichen Entwicklung. Der deutschen Tradition und ihrer Kritik (Gerhard Th. Mollin) werden die nationalen Teildisziplinen aus den drei westlichen Ländern gegenübergestellt. Dabei wurden mit Frankreich (Georges-Henri Soutou), Grossbritannien (Kathleen Burk) und den USA (Michael H. Hunt) solche Nationen berücksichtigt, die in besonders intensivem wissenschaftlichen Gespräch mit deutschen Kollegen stehen. Sicher haben die persönlichen Interessen und Kontakte der Herausgeber dabei auch eine Rolle gespielt, denn Russland, Israel oder Japan wären sicher auch ergiebige Vergleichs- und Bezugsländer.
Im zweiten Teil werden in Deutschland mehr oder weniger anerkannte und institutionell verankerte Themenfelder und Deutungsaspekte vorgestellt. Dies gilt sicher für das Thema des internationalen Staatensystems (Anselm Doering-Manteuffel), für die Rolle des Militärs (Gerhard Th. Mollin) und die Friedensforschung (Jost Dülffer), für die europäischen Expansionsbewegungen des 19. Jahrhunderts (Boris Barth) und für die Prägung durch das Völkerrecht (Ingo J. Hück). Weniger etabliert im Bereich der deutschen Geschichtswissenschaft sind Forschungsfelder, die nach den gesellschaftlichen Dimensionen und Wirkungen in der Gestaltung der Aussenpolitik fragen (Eckart Conze), die sich auf selektive Prozesse der Wahrnehmungen und Perzeptionen richten (Gottfried Niedhart) oder Mentalitäten, Weltbilder und langfristige historische Prägungen erforschen (Robert Frank). Besonders deutlich wird die Umstrittenheit im Fach am Beispiel der gerade in Deutschland bis auf Aussenseiter lange Zeit tabuisierten Rolle der Geographie (Jürgen Osterhammel). Den stärksten sozialwissenschaftlichen Einfluss zeigt schließlich der Beitrag von Ursula Lehmkuhl über die Formen der Kommunikation in den aussenpolitischen Entscheidungsprozessen.
Drittens werden unter der Überschrift "Perspektiven" drei Themenfelder behandelt, die neue Bereiche der internationalen Geschichte erschliessen wollen. In zwei Beiträgen geht es um den Sonderfall der (europäischen) Integration von Staaten und Gesellschaften in internationale Organisationen (Wolfgang Schumann / Ragnar Müller) und um das damit auftauchende Problem der regionalen, nationalen und europäischen Identität(en) (Wilfried Loth). Als zweites Beispiel behandelt Franz-Josef Brüggemeier die internationale Umweltgeschichte und drittens abschließend Jürgen Osterhammel die Probleme, die sich im historischen Prozess der Globalisierung für die Pluralität der Kulturen ergeben.
III. Lücken des Bandes oder Wünsche an eine zukünftige internationale Geschichte
Die in dem Band abgedeckte Themenliste für denk- oder wünschbare zukunftsträchtige Felder der internationalen Geschichte muss gerade in diesem dritten und kürzesten Teil des Bandes noch verlängert werden. Die Herausgeber bedauern selbst, daß ihnen ein fest zugesagter Beitrag über die internationalen Wirtschaftsbeziehungen im letzten Moment wieder abhanden gekommen sei. Dies ist sicher in Anbetracht der enormen internationalen Bedeutung der Ökonomisierung in der Moderne ein besonders schmerzlicher Verlust. Vielleicht ist er aber auch ein signifikantes Anzeichen dafür, daß sich die deutsche Wirtschaftsgeschichte von internationalen Problemen abwendet.
Unberücksichtig sind Themen wie die Historische Soziologie aussenpolitischer Eliten, die bisher leider immer noch ein Stiefkind der Forschung bildet. Beachtung hätte ebenso die Historische Migrationsforschung verdient, die ein seit einigen Jahren auch in Deutschland wachsendes Forschungsfeld darstellt. Dazu muss nur auf das gerade in Berlin durch Anne von Oswald und Karen Schönwälder ins Leben gerufene internationale 'Netzwerk Migration in Europa' hingewiesen werden. Migranten müssten eigentlich im Zentrum internationaler Geschichte stehen - nicht nur als Konsuln, Diplomaten, Händler und Korrespondenten.
Ebenso wird die Frage der Beziehungen zur internationalen vergleichenden Geschichte Europas ausgespart. Diese wird gerade unter theoretischen Aspekten sehr anregend und vielseitig von Hartmut Kaelble, seinen Kollegen und Schülern am Berliner Zentrum betrieben. Es lohnt sich sicher, über denkbare Anregungen, gegenseitige Befruchtungen oder Abgrenzungen der internationalen Geschichte zu diesen Forschungsfeldern nachzudenken. Auch die Ergebnisse der Forschungsgruppe zur Westernisierung, die Anselm Doering-Manteuffel in Tübingen initiiert hat und die aus ideengeschichtlich-systematischen Fragestellungen geboren ist, sollten in ein Konzept internationaler Geschichte mit offenem Ansatz einbezogen werden.
Weitere, vor allem in den USA stark beachtete Phänomene der Geschichte internationaler Beziehungen und der Aussenpolitik fehlen als eigenständige Untersuchungsgebiete. Das gilt ebenso für die Kulturbeziehungen - vom Lebensstil und Kino bis zu den neuen Medien -, wie für die Rolle der Geschlechter und der Emotionen, die gerade in die deutsche Historiker-Debatte der internationalen Beziehungen von Frank Schumacher und Jessica Gienow-Hecht eingeführt wird,
Probleme der Welt und der internationalen Geschichte jenseits des europäisch-transatlantischen Kontextes und die Blicke von aussen auf den Westen geraten nicht in den Fokus der Autoren. Eine rühmliche Ausnahme bietet am Ende des Bandes der Beitrag des Mitherausgebers Jürgen Osterhammel.
Hier bieten sich Vernetzungen mit anderen Fächern an, die internationale Aspekte behandeln. Doch selbst Kooperationen von Osteuropa- und Westeuropahistorikern sind noch seltene Glücksfälle und gedeihen bisher eher im Bereich der vergleichenden europäischen Geschichte. Und was spricht gegen die Einbeziehung der Geschichte der frühen Neuzeit? Deren Begrenzung im Bereich der internationalen Geschichte läßt sich durch das Satteljahr 1800 nicht definieren - nicht für den transatlantischen Raum, noch weniger für ausserwestliche Kulturen und Räume. Auch die zeitliche Erweiterung der Perspektive nach vorne, ebenso wie in räumlich-kultureller Hinsicht, bleibt alleine dem letzten Artikel von Jürgen Osterhammel vorbehalten.
Das Aufspüren von Lücken ist aber ein unfreundliches Spiel von Rezensenten. Im Falle dieses Bandes mögen Wunschlisten sogar von den Herausgebern erhofft und vielleicht sogar provoziert sein. Doch soll die hier angeführte Liste bereits andeuten, wie weit thematisch und methodisch ein Fach Internationale Geschichte sich definieren könnte. Da Öffnung das zunächst sympathische und in Deutschland dringend erwünschte Programm der Herausgeber ist, wird sich zu einem sicher baldigen Zeitpunkt auch die Frage ergeben, wo die Grenzen liegen. Sichtlich ist eine Universal- oder Weltgeschichte nicht das Ziel der Initiatoren, auch kein neues Paradigma einer "histoire totale". Doch darf "Internationale Geschichte" auch nicht zum Gemischtwarenladen werden, zu dem andere Inter-Vokabeln wie die "Interdisziplinarität" längst verkommen sind. Ein Diskussionsforum solcher Fragen, um das sich der Rezensent gemeinsam mit Eckart Conze und Ulrich Lappenküper bereits unter Zuspruch vieler Fachvertreter bemüht, wird daher eingerichtet werden müssen. Interessierte sind herzlich zur Mitwirkung eingeladen.
Die Prioritäten und Defizite des Sammelbandes hängen in erster Linie mit der Geschichte des Fachs in Deutschland zusammen. So ist dieses Buch in erster Linie von deutschen Historikern für ein deutsches Publikum gemacht. Dies wird gerade bei den fehlenden Feldern um so schmerzlicher bewusst. Mit den höheren internationalen Anforderungen an die Bundesrepublik und mit der zunehmenden internationalen Verflechtung der Welt und ihrer Wissenschaften kommen aber sicher auch auf das Fach der internationalen Geschichte neue erweiterte Aufgaben und Schwerpunktsetzungen zu. Dem müssen sich die Historiker insgesamt stellen. Deshalb ist eine solche Bestandsaufnahme der deutschen Disziplin zu Beginn des 21. Jahrhunderts in ihren Stärken und Schwächen sinnvoll. So beginnt der Band sehr klassisch mit Leopold von Ranke und mit einem Vergleich zur Lage bei den westlichen Grossmächten und Partnern Frankreich, Grossbritannien und den USA.
IV. Ranke und die Traditionskritik
In Deutschland ist die Teildisziplin von der Geschichte der internationalen Beziehungen innerhalb der Geschichtswissenschaft überwiegend immer noch stark in der Tradition des Historismus verankert. Also steht sie in den Traditionen der "Grossen Politik" und der "Diplomatiegeschichte", des "Primates der auswärtigen Politik" und der "Lehre von den grossen Mächten", mit einem Wort: sie folgt der Schule Leopold von Rankes. Nicht nur im Selbstverständnis einiger Historiker vor allem des Neo-Rankeanismus (von Friedrich Meinecke, Hermann Oncken und Ludwig Dehio bis zu Gerhard Ritter, Klaus Hildebrand und Gregor Schöllgen), sondern noch stärker in der Aussensicht und Kritik sind diese Begriffe umgedeutet und zugespitzt worden. Das geschah vor allem im Zuge der Auseinandersetzungen um die Paradigmen-Hegemonie der 1970er Jahre - mit der Wehler-Hillgruber-Debatte um "moderne Politikgeschichte". Damals wurden Rankes Kategorien der Geschichte internationaler Politik von den Anhängern wie von den Gegnern oft bis zur Unkenntlichkeit missbraucht und entstellt.
Gegen solche Versuche einer auf Totalität zielenden Grosstheorie und Blockbildungen - ob in Konzepten der "politischen Geschichte", der "Gesellschaftsgeschichte" oder der "Kulturgeschichte" - wenden sich ausdrücklich die Autoren des Bandes. Ihnen geht es nicht um neue Paradigmen oder Hegemonien, sondern um die Erklärung und Bereicherung der Phänomene und Methoden internationaler Geschichte. Sie wollen Anregungen vermitteln und unterschiedliche Ansätze auch in Konkurrenz auf ihre Tragfähigkeit hin überprüfen.
Daher ist es reizvoll, an den Beginn des Bandes eine so sorgfältige und anregende disziplingeschichtliche Verortung wie die von Gerhard Th. Mollin zu setzen. Sein Beitrag trägt mit Recht den Untertitel "Eine Traditionskritik in Grundzügen und Beispielen". Mancher Leser mag sich der Mühen einer Lektüre der historischen Genese des Fachs in Deutschland entziehen wollen, um gleich neugierig auf die "Innovationen" zuzusteuern. Doch wird erst aus der Fachgeschichte verständlich, warum und wie die Historiker der internationalen Beziehungen in Deutschland arbeiten. Dabei wird auch manches schiefe Urteil zu Ranke zurecht gerückt. Es geht Mollin sowohl um eine präzise und unpolemische Darstellung der Positionen Rankes und der ihm verpflichteten Historiker wie um eine Aufdeckung anderer Entwicklungen neben Rankes Schule in Deutschland. Diese kommen vor allem aus der Aufklärungshistorie des 18. Jahrhunderts (Arnold H. L. Heeren).
Dabei differenziert Mollin erheblich das auf "Ranke" fokussierte Bild der deutschen Historiographie-Geschichte. Ranke habe nie eine Hegemonie über das ganze Fach erlangt. Zugleich weist Mollin aber auch deutlich die theologische Kategorie der "Macht" bei Ranke als untauglich für eine zeitgemässe internationale Geschichte zurück. Bei manchen Historikern der internationalen Beziehungen spielen Philosophie oder Glaubensfragen in der Tat immer noch eine entscheidende und unreflektierte Rolle. Hingegen erscheint es Mollin hilfreicher, sich auf vier Begriffe verschiedener deutscher Geschichtsdenker zu besinnen. Dazu zählt er die schon fast supranationale Globalität bei Heeren, die Proportionalität zwischen internationaler Breite und nationalgeschichtlicher Tiefe bei Ranke, den kritischen Materialismus von Friedrich Engels und die rationale Begrifflichkeit Max Webers.
V. Stand der internationalen Geschichte bei den Franzosen, Briten und Amerikanern
In eine national andere Prägung und Erfahrungswelt des Fachs führt Georges-Henri Soutou mit seinem vorzüglich strukturierten und trotz seiner Knappheit äusserst instruktiven Beitrag ein. Soutou berichtet äusserst informiert und (selbst-)kritisch über die französische Entwicklung der Disziplin seit 1870. In Frankreich haben die Historiker der internationalen Beziehungen die Herausforderungen durch die Schule der "Annales" mit dem Interesse an kollektiven Haltungen und langfristig wirksamen Strukturen zwar intensiv empfunden, aber auch früh und fruchtbar umgesetzt. Dies verbindet sich bis heute mit dem Namen von Jean-Baptiste Duroselle und mit seiner Schule. Gleichzeitig traten auch in Frankreich seit Albert Sorel und Pierre Renouvin die Gefahren einer zu ausschließlichen nationalstaatlichen Orientierung und nationaler Doktrinen auf. Dies geschah vor allem im Zeichen der drei grossen Kriege gegen Deutschland seit 1870. Soutou spricht dabei zu Recht von dem bis heute in Frankreich wirkenden Gewicht des "Gaullismus" mit seinem Faktor der "Grandeur".
Mit einer neuen Generation ändert sich diese nationale Selbsterhöhung. Ihr gehört nicht nur Soutou selbst an, sondern auch der kürzlich verstorbene René Girault, aber auch Maurice Vaisse, Gérard Bossuat, Marie-Thérèse Bitsch und Robert Frank. Dieser Sorbonne-Historiker und Nachfolger Giraults ist in dem Band mit einem Beitrag über "Mentalitäten, Vorstellungen und internationale Beziehungen" vertreten. Mit diesen Historikern wächst in Frankreich das bisher unterentwickelte Interesse an multilateralen Interaktionen und an ökonomischen Fragen im internationalen System, an der europäischen Integrationsgeschichte und an der Rolle der Ideologien im internationalen System. Das ist zugleich nach Soutou aber auch ein Stück Rückbesinnung auf die Bedeutung der "forces profondes" bei Duroselle.
Sachlich und mit fast an Inventarisierung grenzender Kühle refereriert Kathleen Burk die britische internationale Geschichtsschreibung im 20. Jahrhundert nach Namen, Lehrstühlen, Büchern und Zeitschriften. Danach sind aus Grossbritannien kaum innovative Anregungen zu erwarten. Einige sprachliche Schnitzer - überwiegend aus Übersetzungsproblemen resultierend - erhöhen mit ihrer unfreiwilligen Komik nur den von Burk insgesamt erweckten Eindruck gepflegter Langeweile der britischen Diplomatiegeschichte. Diese ist an aktuellen Fragen und Diensten der britischen Aussenpolitik orientiert. Die britische Diplomatiegescichte war dabei nach Burk keinen Krisen oder gar theoretischen Infragestellungen ausgesetzt - wie sie Frankreich, Deutschland und die USA im 20. Jahrhundert heimsuchten. Dabei läßt Burk leider britische Historiker unerwähnt, die sowohl in ihrem Lande wie international wichtige Erkenntnisfortschritte der internationalen Geschichte angeregt haben. Hier sei nur an Allan Milward und seine Rolle für die europäische Integrationsgeschichte erinnert. Fast jede britische Universität bietet mittlerweile "European Studies" an. Dort haben Fragen der internationalen Geschichte in Forschung und Lehre - oft durch kontinentale Historiker - neue Pflegeplätze gefunden. Burk schliesst mit einem darwinistischem Sarkasmus, der den deutschen Leser eher verwirrt zurückläßt: "Man kann folgern, daß die Disziplin der internationalen Geschichte in Grossbritannien klein, aber gesund ist. (...) Aber wie stets sollten die besten - Menschen, Artikel und Bücher - sich durchsetzen." (S. 59)
Mitten in die "lange Krise der amerikanischen Diplomatiegeschichte und ihr Ende" führt dagegen der Aufsatz des Amerikaners Michael H. Hunt, der bereits 1992 in der amerikanischen Zeitschrift "Diplomatic History" erschienen ist und hier übersetzt wieder abgedruckt wurde. Um sich auf den neuesten Stand der seit damals erfolgten Diskussion zu bringen sei nachdrücklich eine Lektüre der theoriefreundlichen US-Zeitschrift "Diplomatic History" und der Dipl-Hist-WWW-Debatten empfohlen. Die lange Krise des Selbstvertrauens der "Diplomatiegeschichte" war in den USA besonders ausgeprägt. Dies hing mit den erheblichen sozialen und politischen inneramerikanischen Umwälzungen seit den sechziger Jahren zusammen.
Hunt macht deutlich, welche fruchtbaren Folgen aber gerade die Konflikte für die Disziplin hatten. Charakteristisch ist eine ständige Ausdehnung ihrer Fragestellungen und andererseits eine Infragestellung der Autonomie des Staates und vor allem eine Bereicherung der anderen Felder der Geschichtsschreibung um internationale und vergleichende Dimensionen. Hunt plädiert dabei für einen häufigeren Wechsel von einem Bereich in einen anderen und für konfliktfähige Diskussionsbereitschaft, um gegen das sich immer einseitiger eingrenzende Spezialistentum z.B. der Historiker des Kalten Krieges neue Ansätze und Perspektiven einzubringen. Mit diesen Forderungen eines Perspektivenwechsels führt Hunt sicher einen der grossen Vorteile an, den gerade der Historiker der internationalen Geschichte in das gesamte Fach und andere Human- und Sozialwissenschaften einbringen kann.
VI. Bewährte und neue Forschungsfelder in Deutschland
Im Sinne der Perspektivenwechsel sind auch die anschliessend dargestellten Felder der internationalen Geschichte als Diskussionsanregungen zu verstehen. Manche Themen sind dabei genau abgezirkelt und erprobt, andere betreten Neuland und wollen weiteres Fragen anregen. Anselm Doering-Manteuffel stellt in bewährter Souveränität die Dynamik der Wandlungen des europäischen und internationalen Staatensystems seit dem 19. Jahrhundert dar.
Hingegen wagt sich Eckart Conze in bisher unbekanntere Gefilde. Conzes glänzend durchdachter Beitrag widmet sich dem Feld der bisher nur ansatzweise als Problem erkannten oder gar untersuchten internationalen Zwischenwelt von Staat und Gesellschaft. Ausgangspunkt für diese Fragestellung ist die Beobachtung der Tendenzen von Entautonimisierung des (National)Staates und von Entstaatlichungstendenzen. Diese sind nach Conze aber Teilprozesse der Modernisierung. Sie bilden daher keineswegs nur ein aktuelles oder zeitgeschichtliches Thema. Aber mit diesem Thema werden die spannenden Fragen aufgeworfen, wer in diesem Zwischenraum agiert, was wirkt und welche Aktionen mit welchen Folgen sich ereignen.
Conze widmet in dem sehr breit angelegten Aufsatz sein Augenmerk den Feldern der transnationalen Politik ebenso wie er die gesellschaftlichen Bestimmungsfaktoren internationaler Politik berücksichtigt. Diese werden von den Herrschaftsstrukturen und Interessenverbänden geprägt, aber auch von den Medien und Ideen. Schliesslich wendet Conze sich auch der Wirkung der internationalen Beziehungen von aussen auf gesellschaftliche Verhältnisse nach innen zu - z.B. durch internationale Diskurse, Revolutionen oder die Beispiele der Gesellschaften im Ost-West-Konflikt.
Daraus ergibt sich notwendig, daß Conze für eine gegenseitige und intensive Befruchtung von internationalen Beziehungen und systematischen Sozialwissenschaften plädiert. Er betont zugleich ausdrücklich das Eigengewicht von Aussenpolitik und internationalen Beziehungen für moderne Staaten und Gesellschaften. Sozialhistoriker wie Jürgen Kocka und Gerhard A. Ritter haben das angesichts des Umbruchs von 1989/90 auch ausdrücklich anerkannt. Doch setzen hier nun die noch zu beantwortenden Fragen ein, wie und unter welchen Bedingungen sich das Eigengewicht von Außenpolitik behauptet oder wandelt.
Conze sieht die internationale Geschichte daher im gleichzeitigen Prozess der thematischen Erweiterung und der methodischen Erneuerung. Er weist mit seinem zentralen Beitrag dem Fach der Geschichte internationaler Beziehungen neue Perspektiven in gesellschaftlichen Kontexten auf. Offen läßt auch er dabei aber noch, wie sich in einem solchen vordringlich unter gesellschaftlichen Perspektiven zu untersuchenden internationalen Beziehungsgeflecht die Gewichte von Politik und Kultur, von Sozialstruktur und Wirtschaft, von politischen Ideen und Natur verteilen. Dazu sind sehr viel mehr Arbeiten zu Fallbeispielen der internationalen Gesellschaftsbeziehungen notwendig.
Die folgenden Beiträge von ausgewiesenen Spezialisten internationaler Geschichtsschreibung widmen sich älteren, aber immer noch unverändert wichtigen oder auch erst ansatzweise bearbeiteten Fragestellungen. Erst in der Verbindung ergeben sie das Ganze einer erneuerten internationalen Geschichte - so das nachdrückliche Plädoyer von Eckart Conze.
Gottfried Niedhart behandelt den Zusammenhang von Perzeptionen und aussenpolitischem Handeln. Gerhard Th. Mollin untersucht am deutschen Fallbeispiel vor 1914 die Rolle und das Gewicht des Militärs in aussenpolitischen Entscheidungen. Jost Dülffer legt die historische internationale Friedensforschung dar. Robert Frank widmet sich den "forces profondes", den tiefen Kräften der "geistigen Kräfte" und der "kollektiven Mentalitäten" wie Nationalgefühl, Nationalismen und pazifistisches Empfinden.
In einem originellen Beitrag, der einen der theoretisch anspruchsvollsten Artikel des Bandes bildet, richtet Ursula Lehmkuhl ihr Augenmerk auf das zentralen Problem der "Entscheidungsprozesse in der internationalen Geschichte". Lehmkuhl sucht ein kulturwissenschaftlich fundiertes entscheidungstheoretisches Modell aufzustellen. Sie fragt danach, wie und wodurch solche kulturellen Faktoren, die Denk-, Verhaltens- und Handlungsmuster vorgeben und die der individuellen Entscheidung entzogen sind, in Verhandlungs- und in Entscheidungsprozessen relevant werden. Die Komplexität und Theorielastigkeit des Modells bleibt allerdings kaum verborgen. Damit kommen beim Rezensenten Zweifel an ihrer Anwendbarkeit auf, wenn Lehmkuhl auch einige illustrative Beispiele anbietet. Auf jeden Fall verdient Ihr Versuch Beachtung, durch kulturwissenschaftliche Verfeinerung Prozesse aussenpolitischer Entscheidungen aufzuhellen. Sicher werden viel mehr empirische Studien Material für die Brauchbarkeit solcher kulturwissenschaftlich angereicherten Überlegungen liefern müssen.
Stärker historiographisch sind die Beiträge von Ingo J. Hück und von Boris Barth orientiert. Hück stellt die Hauptrichtungen, Tendenzen und Perspektiven der Völkerrechtsgeschichte dar. Barth geht über eine reine Darstellung der Imperialismen des 19. Jahrhunderts hinaus, indem er Probleme der europäische Expansion erörtert.
Souverän läßt Jürgen Osterhammel in seinem Beitrag über "Raumbeziehungen" die verhängnisvollen Tabuisierungen hinter sich, die sich in Deutschland immer noch mit den sehr verengten Perspektiven aus der Zeit des Nationalsozialismus verbinden. Bei den "anrüchigen" Themen "Raum" und "Geopolitik" haben deutsche Historiker zumeist entweder Berührungsängste oder sie speisen sich aus bedenklichen Quellen und Denkschulen. Ähnliches gilt häufig auch noch für die Kriegs- und Militärgeschichte, obwohl auch hier seit einigen Jahren neue Aufbrüche das Bild bestimmen. In dieser neuen Militärgeschichte, die vor allem zum Ersten und Zweiten Weltkrieg arbeitet, hätte auch Mollins Beitrag eine reiche Fundgrube vorgefunden, wenn er die eher ausgetretenen politikgeschichtlichen Pfade der deutschen Kriegsplanung vor 1914 verlassen hätte.
Ideologische Blockaden und alte Steckenpferde der deutschen Geschichtsschreibung umgeht Osterhammel, indem er die glücklichen Begriffe der "Raumbeziehungen" und der "historischen Geographie" wählt und sich vor allem auf ihr internationales Verständnis stützt. Damit kann Osterhammel auf unideologische Weise die Faktoren von Entfernung, Grenzen, Imperialismus und Kolonialismus und der Erschliessung von Raum einbeziehen. So gewinnen Faktoren wie Raumvisionen und "mental maps", zum Beispiel über den Orient, den Balkan oder Afrika, ein neu bewusst gemachtes Gewicht. Mit den weltweiten Veränderungen seit 1989/90 sieht Osterhammel ein neues Bewusstsein für die politischen Gewichte der Landkarte heraufziehen.
Kognitive Topographien können oft erstaunlich langlebig sein - auch über den "Kalten Krieg" hinweg zum Beispiel. Wann werden wir endlich die bedeutende Rolle Afrikas im internationalen Horizont über den Kolonialismus und das Schwarz-Weiss-Rassedenken hinaus wahrnehmen? Muss erst ein bereits heute mehrfacher Holocaust auf dem schwarzen Kontinent unsere Vorstellungswelten überschreiten, um darauf aufmerksam zu werden?
Dem universell und inflationär verwendeten und verwendbaren Begriff der Identität widmet sich Wilfried Loth mit seinen Überlegungen zu "regionaler, nationaler und europäischer Identität" im "Wandel europäischer Staatlichkeit". Die Brauchbarkeit des Identitätsbegriffs hat Hans-Ulrich Wehler in einer Besprechung von Lutz Niethammers neuem Buch über "Kollektive Identität" begründet in Zweifel gezogen. 2 Wehlers Rezension trägt den Titel: "Alle Ausländer sind Hochverräter". Damit weist Wehler - ohne daß er das thematisiert - auf ein unbewusstes Motiv und Stimulans hin, das vielen Arbeiten zur Geschichte internationaler Beziehungen gemein ist. Sie widmen sich - oft unausgesprochen - der Erforschung des Feindes und Gegners, zumindest geben sie sich der Identitätssuche und Abgrenzung hin. Identitäten - auch in Entstehung oder Wandel begriffene europäische - schaffen neue Grenzen und Abgrenzungen. Dagegen erscheinen die multiplen Identitäten doch sehr viel reizvoller und zeitgemässer.
Solchen Denkschemata läßt sich die Umwelt oder die weite Geschichte der Beziehungen von Mensch und Natur auf den ersten Blick kaum zuordnen. Franz-Josef Brüggemeier verläßt daher mit seinem Gegenstand der "Internationalen Umweltgeschichte" das gewohnte Raster der Diplomatiegeschichte, das er nur durch die Hintertür mit seinem Verweis auf die grosse Rolle der internationalen Konferenzen und Organisationen und des "ökologischen Imperialismus" wieder einführt. Indem aber die Umwelt und ihre Veränderungen als "Konstrukte" erkannt werden müssen - nicht erst seit den "Grünen", wird die lange Tradition der Historiker in der Methoden- und Ideologie-Kritik auch für dieses Thema wieder fruchtbar. Der Historiker sollte Distanz zu den Moden seiner Zeit suchen, die sonst schneller über ihn hinweggehen, als es seiner Vorgehens- und Arbeitsweise recht sein kann. Das gilt für "Identität" und "Umwelt" sicher ebenso wie für die verteufelte oder angebetete "Globalisierung" und "Weltgesellschaft".
VII. Schluß: oder wie der Historiker Jürgen Osterhammel aus der Provinz und den Fallstricken der Globalisierungsdebatte führt
Am Ende des Bandes demonstriert Jürgen Osterhammel als Historiker, wie man über die gängigen und modischen Konfrontationen von (ökonomischer) "Globalisierung" und "Pluralität der Kulturen" hinaus kommt. Auch mit den griffigen Formeln von "Welt- und Zivilgesellschaft" oder "Universal- bzw. Weltgeschichte" kann er als Historiker wenig anfangen, solange sie das Stadium des Programmatischen noch nicht verlassen haben. Osterhammel richtet auch einige spitze Bemerkungen in Richtung einer an ein nationalgeschichtliches Paradigma gebundenen Gesellschaftsgeschichte und an eine Kulturgeschichte, die er "in ihrer neuen Gestalt als anthropologisch informierte Rettung verborgenen Sinns" karikiert. Solche Sinnkonstruktionen sind denn auch keine Sache des kritisch und rational reflektierenden und international geschulten Historikers der internationalen Geschichte. Da greift der vorher in Genf und heute in Konstanz lehrende Jürgen Osterhammel lieber zur Ironie, wenn er der Lage seines Fachs in Deutschland beschreibt.
Osterhammel gibt zudem sehr praktische Anregungen für eine internationale Geschichte. Deren Möglichkeiten sieht er in der Verbindung verschiedener Ansätze und Interessenrichtungen. Vor allem zwei Fragerichtungen sind dazu in ein zweidimensionales Bild vom internationalen System zusammenzuführen: die Geschichte von Politik und von "Konfliktformationen" im internationalen System und die Geschichte der Beziehungen zwischen "Nord" und Süd". Vereinfacht ausgedrückt steht eine Annäherung der Geschichte der Nord-Nord-Beziehungen und der Nord-Süd-Beziehungen auf der Tagesordnung.
Diese bewußt zwei Dimensionen berücksichtigende internationale Geschichte wäre dann nach Osterhammel um eine Geschichte der transnationalen Vernetzungs- und Integrationsprozesse in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie um eine Geschichte des "weltpolitischen Denkens", der Ideologien, Perzeptionen und international domestizierender Ordnungssysteme zu ergänzen. In einem solchen mehrdimensionalen Bild gewinnen Kulturfragen eine eigene Bedeutung.
Gerade international läßt sich in den Nord-Süd-Beziehungen beobachten, wie politische Schwäche und wirtschaftliche Verletzlichkeit durch kulturelle Selbstbehauptung kompensiert wird, so daß sie schliesslich auch zu einem wesentlichen Faktor in Konflikten werden kann. Dabei spielen aber ausser im Konfliktfeld auch die Möglichkeiten multipler persönlicher Identitäten und kollektiver "Hybridität" im Überlappungsbereich von Kulturen und Zivilisationen zunehmend eine wichtige Rolle.
Osterhammel verdeutlicht schliesslich am Beispiel der drei Themenbereiche von Diplomatiegeschichte, von Rasse/Ethnizität/Rassismus und von Kulturtransfer, wie fruchtbar eine Annäherung dieser Forschungsfelder und neue Fächernachbarschaften sich auswirken können.
Doch nutzt all dies wenig ohne eine unabdingbare Anstrengung. Und da müssen wir Osterhammel dankbar sein, daß er dies trotz des möglichen Vorwurfs "milder Absurdität" ausdrücklich benennt. Osterhammel verlangt am Ende auch von der Internationalen Geschichte, "sie möge sich bitte internationalisieren." Mutig berührt Osterhammel damit ausdrücklich nicht nur Schwachstellen des Sammelbandes. Über das eigentlich Selbstverständliche hinaus weist er nachdrücklich auch auf die neuen Chancen hin, die sich mit dem Lernen von Fächern wie den Internationalen Beziehungen, der Anthropologie, der Soziologie, Sozialpsychologie und Religionswissenschaft wie der verschiedenen asien- und afrikawissenschaftlichen Disziplinen verbinden lassen. Diese Disziplinen bringen zudem oft einen internationalen Diskussionsvorsprung mit ein.
VIII. Ausblick: Grenzgänger-Existenzen in der internationalen Geschichte
Das Fach - ob nun als Internationale Geschichte, als Geschichte der internationalen Beziehungen oder der internationalen Politik oder als neue Diplomatiegeschichte etikettiert - steht in Deutschland in der methodischen Debatte und in der thematischen Erweiterung. Diese wurden nicht zuletzt auch durch sozial-, kultur- und strukturgeschichtliche Anstösse, durch internationale Anregungen und durch die Diskussionen des Fachs "International Relations" mitbelebt. Das ist das Fazit des vorliegendes Bandes.
Schon vom Gegenstand her, und nun auch immer deutlicher von den reflektierten Methoden und Theorien, müssen die Historiker internationaler Beziehungen "Grenzgänger" sein. Arbeiten an sich selbst, ständiges Lernen und Überschreiten der eigenen nationalen, fachlichen und methodischen Begrenzungen könnte zum Markenzeichen einer neuen internationalen Geschichtsschreibung in Deutschland werden. Damit wären ohne grosse Mühen aber auch attraktive Legitimationsgründe zu entwickeln und ein verstärktes Interesse der Öffentlichkeit zu wecken.
So ist dem Buch im Sinne der von ihm angestrebten Öffnung der Disziplin internationale Geschichte und des notwendigen Weiterdenkens eine grosse Zahl interessierter und kritischer Leser und Leserinnen zu wünschen. Diese sollten nicht nur aus dem engeren Fachgebiet sondern auch aus anderen historischen Disziplinen kommen. An den Defiziten ist weiter zu arbeiten. Grenzüberschreitende Debatten und fruchtbare Auseinandersetzungen über die internationale Geschichte nützen dem ganzen Fach. Neugier und Offenheit gegenüber dem Anderen und Fremden sollte eine grundsätzliche Qualifikation des Historikers sein, der gerade im Feld der internationalen Geschichte eine ständige Grenzgänger-Existenz führen muss, ohne deshalb notwendig zum Emigranten oder Migranten zu werden.
Anmerkungen:
1 Geleitwort zur Reihe "Studien zur Internationalen Geschichte", erstmals in Band 1, Berlin 1996, S. 13.
2 "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 14.11.2000, S. L 22.