Es dürfte unbestritten sein, dass die Geschichte der DDR von Anfang bis Ende eng mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung verbunden war und diese die Abdankung des ostdeutschen Staatssozialismus im Jahre 1989 nicht unerheblich mitbestimmte. Erklärungsbedürftig ist jedoch nicht nur das Scheitern der „realsozialistischen“ Zentralplanwirtschaft, sondern auch deren rund vierzigjähriges Funktionieren. Letzteres geht wiederum nicht in wirtschaftstheoretischen Effizienzanalysen auf, sondern bedarf eines theoretisch unterfütterten historischen Zugriffs. Der Fundus an wirtschaftshistorischen Untersuchungen ist dennoch recht überschaubar geblieben – vergleicht man ihn mit den Gesamterträgen des Booms der DDR-Forschung seit den frühen 1990er-Jahren –, und eine solide Synthese der Forschungsergebnisse war bis vor kurzem ein unübersehbares Desiderat. In souveräner Kenntnis der Literatur und zusätzlich gestützt auf eine Reihe zentraler unveröffentlichter Dokumente hat André Steiner diese Lücke jetzt zu schließen versucht.
Um den Gesamteindruck vorwegzunehmen: Der Versuch ist rundum geglückt. Dabei liegt ein wesentlicher Vorzug des Buchs in der allgemein verständlichen Aufbereitung des komplexen Stoffs für ein breiteres Publikum, ohne dass dies auf Kosten der analytischen Qualität ginge. Der chronologischen Schilderung ist eine knappe Einführung vorangestellt, die die grundlegenden Determinanten der DDR-Wirtschaft auf den Punkt bringt – Planungsoptimismus und Primatsanspruch der SED, westdeutsche Referenzgesellschaft und östliche Blockeinbindung, Funktionsprobleme der zentralen Planwirtschaft und Entscheidungsdilemmata der Wirtschaftspolitik. Darauf baut eine in sechs Kapitel gegliederte historische Interpretation auf, die sich nicht primär an den im Titel angedeuteten Planungsperioden orientiert, sondern den Leser eher „von Krise zu Krise“ führt. Nach einer ausführlichen Darstellung der wirtschaftlichen Ausgangslage der SBZ und der politischen Weichenstellungen in den ersten Besatzungsjahren markieren die Jahre 1948, 1953, 1961, 1971 und 1982 grundlegende Zäsuren auf dem (keineswegs geradlinigen) Weg in den Zusammenbruch.
Steiner beschreibt die Wechselwirkung von Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik als „politisch induzierten Krisenzyklus“ (S. 17), der schon vor der Gründung der DDR begann. Die Etablierung der Planwirtschaft seit 1948 manifestierte nicht nur den kommunistischen Herrschaftsanspruch; sie bedeutete auch eine Reaktion auf die Defizite dezentraler Wirtschaftslenkung in einer im Vergleich zu den Westzonen überproportional durch Reparationen und eine unausgewogene Produktionsstruktur belasteten Nachkriegswirtschaft sowie auf den drastischen Produktionseinbruch im Winter 1946/47. Nachdem damit einmal die Weichen für den Aufbau eines Gegenmodells zur marktwirtschaftlichen Ressourcenallokation im Westen gestellt waren, konnten sich Reaktionen auf weitere Krisenerscheinungen nur innerhalb dieses Modells abspielen.
Ein durchgehendes Grundproblem blieb dabei die Leistungsmotivation und -kontrolle von Betrieben und Arbeitskräften. „Weiche Pläne“, in denen die Betriebe das tatsächliche Produktionspotenzial gegenüber den zentralen Lenkungsinstanzen verschleiern konnten, erschwerten bereits in den späten 1940er-Jahren eine optimale Nutzung der Ressourcen. Die Vernachlässigung von Effizienzkriterien im Inland förderte zusammen mit einer – nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich kurzfristig rationalen – Verlagerung des Außenhandels auf die durchweg schwächer industrialisierten Mitgliedsländer des Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe zudem die Innovationsträgheit der Planwirtschaft. Diese konnte in der unmittelbaren Nachkriegsrekonstruktion zwar durchaus Erfolge vorweisen, war aber frühzeitig durch den Ausbau oder Neuaufbau ganzer Produktionsbereiche belastet.
Der Kurswechsel weg vom forcierten, schwerindustriell geprägten „Aufbau des Sozialismus“ hin zu einer verstärkten Berücksichtigung des Konsumgüterbereichs kam bekanntlich zu spät, um den Aufstand vom 17. Juni 1953 verhindern zu können. Steiners Schilderung von dessen Hintergründen überzeugt, ebenso wie die Analysen späterer Krisen, durch die gelungene Verknüpfung von generellen Systemproblemen mit der spezifischen historischen Konstellation. Die Reaktionen der SED-Spitze werden dadurch nachvollziehbar, ohne unausweichlich zu erscheinen. Grundsätzlich aber war die DDR-Wirtschaftspolitik spätestens seit dem traumatischen Erlebnis des 17. Juni in einem Teufelskreis gefangen, der sich auch in späteren Phasen nicht mehr sprengen ließ: Materielle Zugeständnisse an die Bevölkerung, insbesondere an die Arbeiterschaft, konnten zwar gesellschaftliche Spannungen dämpfen. Sie gingen aber gleichzeitig zu Lasten der Rentabilität und des Exports, beeinträchtigten mittelfristig die gesamtwirtschaftliche Leistung und langfristig die volkswirtschaftliche Substanz.
Das musste sich umso gravierender niederschlagen, als gegen Ende der 1950er-Jahre die Grenzen extensiven Wachstums erreicht waren und der Versuch, die westdeutsche Wirtschaftsleistung zu „überholen“, in die nächste Krise mündete. Das 1963 gestartete Reformprojekt, durch den Einbau von Marktsurrogaten in ein „Neues Ökonomisches System“ intensives Wachstum zu stimulieren, führte trotz zwischenzeitiger Erfolge wiederum von einer Überschätzung des Systempotenzials in eine Überspannung der Kräfte. Die technologisch-strukturpolitische Orientierung der späten 1960er-Jahre war zwar, wie Steiner zu Recht hervorhebt (S. 161), grundsätzlich dem Entwicklungsstand der ostdeutschen Volkswirtschaft angemessen. Sobald dieses Wachstumsmodell aber aus dem Ruder zu laufen drohte, reagierte das politische System mit einem Schwenk, der die nächste Krise vorprogrammierte. Das Reformjahrzehnt wurde 1970/71 nicht nur mit einer Rückkehr zum alten Planungsmodell beendet, sondern auch mit dem Übergang zu einer Sozial- und Konsumpolitik, die die wirtschaftlichen Leistungsmöglichkeiten weitgehend ignorierte.
Eine grundsätzlich reformunwillige politische Führung in einem nur begrenzt reformfähigen System war nun aber auch noch mit einer Weltwirtschaft konfrontiert, deren dynamischen Umbrüchen die anpassungsträge Zentralplanwirtschaft zusehends hinterhinkte. Die als politische Legitimierungsstrategie grundsätzlich nachvollziehbare, ökonomisch aber fatale Unantastbarkeit der Sozialpolitik tat ein Übriges, die DDR-Wirtschaft in eine Verschuldungsspirale und gleichzeitig in zunehmenden Kapital- und Umweltverschleiß zu führen. Dass diese Konstellation auf die wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Auflösungserscheinungen der späten 1980er-Jahre noch eine konstruktivere Antwort hätte hervorbringen können als die Abschaffung der zentralen Planwirtschaft, erscheint schwer denkbar. Ob es wirklich angemessen ist, den internationalen Umbrüchen nur eine krisenverschärfende Wirkung zuzuweisen, die ökonomisch teilweise irrationale Politik der Honecker-Ära hingegen neben den Systemschwächen als eigenständige Determinante des Scheiterns zu werten (S. 226), darf allerdings weiter diskutiert werden – als Gegenthese ließe sich etwa formulieren, dass die Persistenz des Honecker-Regimes letztlich auch nur eine konsequente Reaktion auf Krisenerscheinungen eines Systems darstellte, das seine Legitimation aus der Vorspiegelung von Stabilität sowohl der Politik als auch der Ökonomie bezog und beide unauflösbar miteinander verkettete.
Die Darstellung der politisch-administrativen Kompetenzen sowie der verschiedenen Umorganisationen im Partei- und Staatsapparat hätte man sich daher gelegentlich etwas ausführlicher gewünscht, um die Auswirkungen des wirtschaftlichen Problemdrucks auf institutioneller Ebene genauer nachvollziehen zu können. Steiners Studie ist indes ausdrücklich nicht als Gesamtdarstellung angelegt, kommt einer solchen aber recht nahe. Positiv zu vermerken ist in dieser Hinsicht vor allem, dass neben der Industrie auch die Landwirtschaft und der private Konsum breiten Raum einnehmen. Dabei wird der Lebensstandard im Wesentlichen „als letztendlicher Ausweis der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ (S. 16), also als makroökonomischer Indikator thematisiert. Sozialgeschichtliche Anknüpfungspunkte wie Einkommensstruktur oder soziale Mobilität werden dadurch sehr knapp behandelt. Diese Schwerpunktsetzung ist jedoch ebenso einleuchtend wie die Betrachtung der betrieblichen Ebene aus der Perspektive ökonomischer Anreizprobleme, weil sich das Buch bewusst auf die Makroebene konzentriert. Dass Steiner auf die Ausbreitung von Forschungskontroversen verzichtet hat, mag das Fachpublikum an manchen Stellen bedauern. Im Hinblick auf die breitere Zielgruppe erscheint die Entscheidung für einen knappen Anmerkungsapparat und eine abschließende, kurz kommentierte Bibliografie zum Einstieg in die Forschungsdiskussion jedoch richtig. Der moderate Preis macht die Anschaffung des Buchs auch für Studenten empfehlenswert. In die Handbibliothek jedes DDR-Forschers gehört es ohnehin.