Die Gewaltbereitschaft und Gewaltfaszination der Deutschen in der Weimarer Republik ist ein Phänomen, das seit langem als Folge der krisenhaften Erfahrung des Ersten Weltkrieges und als Voraussetzung der nationalsozialistischen Machtergreifung diskutiert wird. Während es seit den 1960er Jahren als politischer und sozialer Militarismus institutionengeschichtlich für die Wehr- und Veteranenverbände sowie die bewaffnete Macht selbst, im übrigen auch ideengeschichtlich für den kulturellen Höhenkamm untersucht wurde, sind seit rund 15 Jahren kultur-, mentalitäts- und diskursgeschichtliche Ansätze beliebt. Als besonders fruchtbar hat sich dabei das von Michael Geyer vorgeschlagene Forschungsparadigma der “Vergesellschaftung der Gewalt” erwiesen, das den Blick auf die endogene gesellschaftliche Gewaltbereitschaft lenkt und zur Skepsis gegenüber jeder insbesondere manipulationstheoretischen Vorstellung ermahnt, nach der Gewalt einer an sich zivilen Gesellschaft aufgezwängt wird.
Petra Maria Schulz richtet den Fokus in ihrer geschichtswissenschaftlichen, 2001 in Münster abgeschlossenen Dissertation auf die Darstellung von Gewalt in der Bild-, und dabei insbesondere in der Plakatpropaganda des nationalsozialistischen und radikalnationalistischen Bewegung vor 1933. Die Untersuchung dieses Bereichs der “Ästhetisierung von Gewalt” bettet sie in eine historisch wie thematisch weitläufige Betrachtung der Gewalt-, Kriegs- und Militärfaszination seit dem deutschen Kaiserreich sowie des massenpsychologischen Propagandadiskurses dieser Zeit ein. Ausgangspunkt der Kontextstudie ist die Apotheose kriegerischer Gewalt und ihres Erneuerungspotentials in Nietzsches Lebensphilosophie. Einen weiteren thematischen Schwerpunkt bildet die Herausbildung des heroisch-monumentalen Männerkörpers im Ersten Weltkrieg. Der Hegemonialisierung dieses Männlichkeitsideals als eines wichtigen Symbols von Gewaltbereitschaft nach 1918 geht Schulz dann in Kapiteln über die ästhetische Gestaltung des Frontsoldaten im “neuen Nationalismus”, über die “Inszenierung von Gewalt” im politischen Totenkult sowie im Jugendmythos der nationalsozialistischen Bewegung nach.
Was dabei zu Tage gefördert wird, schöpft aus einem reichhaltig bestellten Forschungsfeld. Dieses reicht von den verbandsgeschichtlichen Arbeiten (Volker Berghahn, Karl Rohe, Eve Rosenhaft, Richard Bessel u.a.) über literaturwissenschaftliche Studien (Karl Prümm, Karl Heinz Bohrer, Jürgen Wertheimer) und den Klassiker von Klaus Theweleit oder die bekannten Grossessays von George Mosse bis hin zu den neueren Monographien von Sabine Behrenbeck (zum Heldenkult des Nationalsozialismus), Thomas Balistier (über die SA), Gerhard Paul (zur NS-Propaganda) oder Peter Reichel (zum ‚schönen Schein’ des Nationalsozialismus). Diese und weitere, bis zum Zeitpunkt der Dissertationsfassung 2001 (danach wurde das Manuskript offensichtlich nicht wesentlich überarbeitet) erschienene Titel hat Schulz ausgewertet, in einigermassen lesbarer Form synthetisiert und in Beziehung zu ihrem eigentlichen Thema, der Bildpropaganda, gesetzt. Die Krux der Arbeit besteht darin, dass sie es bei der Forschungssynthese belässt und das Quellenkorpus der Plakate lediglich zur Illustration bekannter Thesen und Einsichten verwendet. Diese kreisen um das erwähnte martialisch-monumentale, kriegerische und gewaltbereite, dezisionistische, “harte”, allem “Weichen” und dem Weiblichen (was immer darunter firmierte) feindlich gegenüberstehende Männlichkeitsbild, das Schulz in Anlehnung an den Männlichkeitssoziologen Bob Connell als hegemonial darstellt.
Daran ist sachlich nichts auszusetzen – Connell’s Modell ist in der um Männer und Männlichkeit kreisenden Geschlechtersoziologie und –historie zu Recht ausserordentlich populär, und dass jenes Männlichkeitsideal Ausdruck der Gewaltakzeptanz war und ihr auch wieder vorgearbeitet hat, dass dessen Verbreitung von allen literarischen und visuellen Formen der Ästhetisierung profitiert hat, wird kaum jemand bestreiten wollen. Es ist allerdings unzählige Male und von allen möglichen Seiten her untersucht worden – so oft, dass es ermüdend ist, es noch einmal ohne wirklich neue Quellen, neue Zitate, neue Bilder, neue Einsichten, neue Ansätze, neue Fragen vorgeführt zu bekommen. Dabei hätte es derlei durchaus gegeben. So bemerkt Schulz wie andere vor ihr, dass der von ihr untersuchte Gewalt- und Männlichkeitskult keineswegs auf das rechte Milieu begrenzt war. Wann, wie und warum dieser Kult in praktisch alle anderen sozialen Milieus und politischen Lager der Weimarer Zeit diffundierte (und wo er überhaupt entstanden ist), wäre ein spannendes Thema gewesen. Seine Untersuchung hätte freilich deutlich gemacht, dass der von Ernst Jünger über die Herkulesfiguren der Weimarer Wahlplakate bis zu Arno Breker und darüber hinaus reichende martialische Männlichkeitskult keineswegs hegemonial in dem Sinne waren, dass er unbestritten geherrscht hätte. Im Gegenteil: gerade im kriegerischen Männlichkeitsdiskurs waren andere Figuren – ambivalente, welche die Tugenden der Härte mit denen der Weichheit vereinten wie bei Walter Flex und Erich Maria Remarque - weitaus populärer, will sagen: auflagenstärker. Wie sich diese durchaus verschiedenen geschlechtlichen Codierungen von Gewalt zueinander verhielten und hegemonial strukturierten, wäre ein weiteres spannendes Thema gewesen. Wer darüber mehr erfahren will, muss sich wohl in Geduld üben. Einstweilen mag der Leser die Studie von Petra Maria Schulz zur “Ästhetisierung von Gewalt” als nützliche Bestandaufnahme der Forschung zur Kenntnis nehmen.