Der von Wolfgang Augustyn herausgegebene interdisziplinäre Band untersucht vor allem aus kunsthistorischer Perspektive verschiedene Darstellungsformen des Friedens, dessen Semantisierungen in weiteren historischen Zusammenhängen durch die Beiträge anderer Geisteswissenschaften vorgestellt werden. Dadurch wird der Band zu einem hilfreichen und informativen Kompendium und Nachschlagewerk. Die Gelegenheit zu einer methodischen Öffnung, die eine theoretische Reflexion jenseits der historischen Semantisierungen erlaubt, wurde hingegen nicht ergriffen.1
Heinhard Steiger eröffnet den Band mit einer rechtshistorischen Übersicht über die Entwicklung des Friedens und der dazugehörigen juristischen Institutionen. Er zeichnet dabei mehrere Entwicklungslinien nach: u.a. von speziellen Friedensabkommen zum allgemeinen Frieden, von religiöser Friedensbegründung zum Primat der rechtlichen Einigung, von im Gebrauch entwickelten vertraglichen Friedensbestimmungen zu einem wissenschaftlich reflektierten Völkerrecht. Raimund Lachner ergänzt diesen Aufsatz aus theologischer Sicht, wenn er Begriffe wie Fehde, Gottesfrieden, Landfrieden oder Gerechter Krieg im Kontext der Theologie des Mittelalters diskutiert. Außerdem untersucht er die verschiedenen Semantisierungen der Wörter für Friede im Alten und Neuen Testament und in der frühen Kirche. Ingeborg Kader begibt sich auf die Suche nach einer pazifistischen Auffüllung des Eirene-Topos in der Antike. Dort bleibt die Friedenssehnsucht immer nur ferne Vorstellung eines gesegneten Daseins, ein Topos eben ohne außenpolitische friedenssichernde Wirksamkeit. Nur im Zweiten Attischen Seebund erhält der Eirene-Topos eine kurzzeitige demokratische und ikonographische Relevanz, die im Hellenismus und auch in der imperialistischen Idee der pax romana nicht mehr aktualisiert wird.
Im Zentrum des Bandes steht Hans-Martin Kaulbachs Überblick über den Frieden als Thema der bildenden Künste. Im Zeitraum von etwa 1500 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts tritt die Personifikation des Friedens (Pax) vor allem in drei ikonographischen Modellen auf: In der Verherrlichung der Figur des friedensstiftenden Herrschers, in der Vereinigung der Tugenden zum Bild der ‚Guten Regierung’ der Kommunen und im Verein mit mythologischen Figuren wie Mars und Minerva zwecks exemplarischer Vorführung des Wegs zum Frieden. Kaulbach bringt mit den ikonographischen Bildformeln „zugleich die politischen Voraussetzungen der Friedensbilder zur Sprache“ (S. 161). Der ikonographische Ansatz ist allerdings buchstäblich mit seinem Latein am Ende, wenn Pax dem Frieden weicht und im 19. Jahrhundert mit der Allegorie allgemein auch die allegorische Darstellung des Friedens zusammenbricht. In der Kunst des 20. Jahrhundert gelte der Frieden „nicht mehr als darstellbar“ (S. 161). Wenn Picasso seit 1949 Plakate für die Friedensbewegung entwirft, dann beklagt Kaulbach den Bedeutungswandel der ‚Friedenstaube’: „Sie wird nicht mehr, mit dem Ölzweig im Schnabel, als ‚Botin göttlichen Friedens’ verstanden, sondern sie dient […] den Friedensbewegungen als Signet.“ (S. 226) Der Frieden ist aus der Kunst in andere Sphären bildlicher Darstellung gewandert, denen mit einem traditionellen ikonographischen Ansatz sicher nicht nachzuspüren ist. Außerdem gelangt hier die Unterscheidung zwischen Hochkunst und populärer Bildpublizistik an ihre Grenzen. Der agitatorische Einsatz von Friedenssymbolen in Renaissancefresken wird goutiert, während der agitatorische Einsatz aktueller Signets in zwei Absätzen lediglich erwähnt wird und ihm auch kein anderer der Aufsätze, die sich mit spezielleren Bildthemen befassen, gewidmet ist.
Wolfgang Augustyn schildert in einem kunsthistorischen Längsschnitt vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert die Auslegungstradition von Ps 84,11: dem Kuss von Pax und Iustitia. Im Mittelalter war das Motiv als eschatologische Chiffre für die Hoffnung auf himmlischen Frieden in typologische Darstellungen eingebunden. Vom 16. bis zum 17. Jahrhundert galten Friede und Gerechtigkeit als ethische, innerweltliche Kategorien, während im 18. Jahrhundert das Motiv zur Feier der ethisch überhöhten politischen Vernunft herangezogen wurde. Sibylle Appuhn-Radtke untersucht aus Emblembüchern und anlassgebundenen Publikationen entnommene Embleme hinsichtlich dreier Themen: Friede als Antithese zum Krieg, Früchte des Friedens, Gefährdung und Erhaltung des Friedens; ihr Fazit lautet, dass dem „Frieden mit seinen positiven kulturellen Folgen gegenüber dem Krieg der Vorzug gegeben wurde“ (S. 354). Christoph Bellot erläutert Anlass und Funktion des Augsburger Friedensfestes, dessen barocke Kernform in die Zeit von 1651 bis 1789 fällt. Es feierte den politischen Frieden seit 1648 auf der Basis des konfessionellen Friedens, dessen von der evangelischen Gemeinde mit Hilfe von Gottesdiensten, ephemerem Schmuck, Musik und graphischer Bildpropaganda gedacht wurde, wobei die „die Feier des konfessionellen Friedens als ‚Gedächtnisort’“ (S. 432) fungierte.
Dietrich Erben gelingt es, den Sinnzusammenhang von Jagd, Krieg und Frieden im Jagdbild der frühen Neuzeit theoretisch zu durchleuchten und sich von der These abzusetzen, dass es sich bei Jagdbildern lediglich um Darstellungen eines exklusiven Adelsvergnügens handelt. Ganz im Gegenteil formuliert sich sowohl in den Jagdtraktaten als auch in der Jagdikonographie ein paradoxes Verhältnis von gleichzeitig in der Jagd zu demonstrierender Bellizität und Friedensbewahrung. Die theoretische Reflexion der Jagd reiht sich ein in die machiavellistische Wende im Politikverständnis: Politik wird von nun an als Machtwissen verstanden, das auf Akkumulation und Legitimation von Herrschaft zielt. Zur Regierungsklugheit „des Fürsten gehörte nicht nur dessen Friedens-, sondern auch dessen kriegerischer Behauptungswille“ (S. 368). Dabei passt sich die Jagd und ihre Darstellung im Epochenwechsel ideologisch der zunehmenden Unterscheidung zwischen Außen- und Innenpolitik an: Der jagende Fürst sichert für sein eigenes Territorium die Friedensbewahrung und schult sich durch die Jagd für den Krieg nach außen.
Die beiden literaturhistorischen Beiträge recherchieren philologische Belege für das Friedensthema. Dass in der mittelhochdeutschen weltlichen Literatur ein Bewusstsein von der Differenz zwischen kriegerischer und friedlicher Auseinandersetzung existiert, legt Thomas Bein dar. Dabei ist der Friede als zumeist beschützenswertes Gut dargestellt, zu dessen Bewahrung „mit Gewalt interveniert werden“ (S. 312) darf. Dietmar Peil kommt zu ähnlichen Ergebnissen, wenn er literarische Texte aus der Zeit zwischen 1550 und 1650 vergleicht: Der Komplex von Frieden und Krieg wird anhand antiker Topoi diskutiert, und es werden Kalküle zur friedlichen Beilegung von Konflikten entwickelt, wobei die Möglichkeit des ‚Gerechten Krieges’ aber immer vorbehalten wird.
Stefan Hanheide listet musikalische Kompositionen auf, die den politischen Frieden zum Inhalt haben und sowohl in der heteronomen Hof- und Auftragsmusik bis 1800, als auch in der ‚engagierten Musik’ ab 1930 auftreten. Friedenskompositionen verdanken sich epochenübergreifend meistens Anlässen wie Friedensabschlüssen oder -verhandlungen. Eine autonome Friedensmusik mit eigener Gattung wie etwa die Marschmusik für den Krieg gibt es jedoch nicht. Im 20. Jahrhundert unterscheidet Hanheide zwischen echter „Antikriegsmusik“ und „antifaschistischer Musik“, wobei etwa Hanns Eisler zur letzteren gehört und „keinen Schritt über die patriotischen Lobgesänge auf die Friedensbringer in früheren Jahrhunderten“ (S. 479) hinausgehe, indem er statt des Sonnenkönigs dem Weltkommunismus huldige. Dabei bleibt es fraglich, ob Hanheides Reinheitsideal einer Musik, die „nicht politisch, sondern humanitär“ argumentiere und „den Menschen, der unter dem Krieg leidet, in den Mittelpunkt“ (S. 479) stelle, sich stringent von einer politischen Kategorie trennen lässt und insofern nicht ebenfalls ideologisch ist; schließlich lässt sich kein Begriff so schnell (bio-)politisch und rassistisch instrumentalisieren wie der Begriff des ‚Menschen’.2
In dem Band wird kaum die Gelegenheit ergriffen, die spezifischen medialen Eigenschaften der verschiedenen Objekte (Texte, Kompositionen, Bilder, etc.) hinsichtlich des Themas zu untersuchen, wodurch der Band trotz Interdisziplinarität methodisch recht uniform erscheint, nämlich als philologische oder ikonographische Materialsammlung und -erläuterung. In dieser Funktion ist der Band umfangreich und informativ, wenn er sich sicherlich auch um einige Aspekte ergänzen ließe, wie etwa um einen medien- oder bildwissenschaftlichen Beitrag zur Darstellung des Friedens im 20. Jahrhundert. Gerade ein solcher Blickwinkel hätte die vorhergehende Forschungsdiskussion sinnvoll ergänzt.
1 In der Themenauswahl z.B. aufschlussreicher: Garber, Klaus; Held Jutta (Hgg.), Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision, Bd. 1 Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden. Religion, Geschlechter, Natur und Kultur, München 2001.
2 Vgl. Agamben, Giorgio, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a.M. 2002.