H. Brandt u.a.: Lycia et Pamphylia

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Titel
Lycia et Pamphylia. Eine römische Provinz im Südwesten Kleinasiens


Autor(en)
Brandt, Hartwin; Kolb, Frank
Reihe
Orbis Provinciarum. Zaberns Bildbände zur Archäologie
Erschienen
Anzahl Seiten
146 S.
Preis
€ 41,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Körner, Seedorf

Nach einer allgemeinen Einführung in die Reihe "Orbis Provinciarum" von Tilmann Bechert und den Bänden über die Provinzen Noricum und Pontus et Bithynia liegt nun die Darstellung der Doppelprovinz Lycia et Pamphylia vor.1 Die Verfasser Hartwin Brandt und Frank Kolb sind ausgewiesene Kenner der Region, haben sie sich doch im Rahmen des Tübinger Lykienprojekts intensiv mit den Landschaften befasst.2

Die Doppelprovinz bestand aus den drei Landschaften, Lykien, Pamphylien und dem südlichen Pisidien, deren regionale Differenzen in den Ausführungen immer sorgfältig herausgearbeitet werden. Zunächst geben Brandt und Kolb einen kurzen Überblick über den bisherigen Forschungsstand seit dem 19. Jahrhundert (S. 5-11), wobei dieser Abschnitt auch eine Reihe von Karten enthält, die den Wandel der Provinzeinteilung in Kleinasien von der späten Republik über die frühe Kaiserzeit, die flavische Zeit bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts aufzeigen. Das zweite Kapitel (S. 12-19) schildert die verschiedenen Landschaftstypen der Provinz, wobei das gebirgige, kleinräumige Lykien der großflächigen Alluvialebene Pamphyliens gegenübergestellt wird.3 Während sich in Lykien eine ethnische Gruppe anhand der sprachlichen Zeugnisse (ca. 200 lykische Sprachdenkmäler) und architektonischen Überreste (Fels- und Pfeilergräber, spitzbogige Sarkophage) festmachen lässt, ist eine ethnografische Definition der Bevölkerung Pamphyliens schwieriger, zumal hier das hellenische Element mit den Zentren Perge, Aspendos, Sillyon und Side seit dem 7. Jahrhundert starken Einfluss ausgeübt hat.

Das folgende Kapitel (S. 20-24) zeigt auf, wie die Regionen in hellenistischer Zeit zunehmend in den Sog der römischen Politik gerieten, bis sie schließlich provinzialisiert wurden. Dabei wird auch die Forschungsdiskussion um den Status Lykiens im 1. Jahrhundert n.Chr. dargelegt (S. 22-24). Ein kurzer Überblick über die administrative Entwicklung der Provinz bis ins 4. Jahrhundert (S. 25f.) geht auch auf die Frage des Zeitpunkts der späteren Trennung der beiden Provinzen ein (S. 26). Ausführlich befassen sich Brandt und Kolb mit der Bedeutung des lykischen Koinons in der Kaiserzeit (S. 27-30). Dieses Koinon, ursprünglich im frühen 2. Jahrhundert v.Chr. als "Selbsthilfeorganisation" gegen den rhodischen Einfluss gegründet (vgl. S. 21), blieb auch unter römischer Herrschaft bestehen und nahm Funktionen als lykische Interessenvertretung gegenüber der Obrigkeit und als Verwaltungsinstanz wahr. Zentral war seine Bedeutung für den Kaiser- und Roma-Kult - der Lykische Bund hatte schon sehr früh seine Ergebenheit gegenüber den römischen Machthabern demonstriert (vgl. S. 21f.). Dem Koinon übergeordnet war die Provinzverwaltung (S. 31-33). Auch die Städte genossen eine gewisse Autonomie, wobei hier die pamphylischen und pisidischen Poleis über einen größeren Spielraum als die lykischen verfügten, die beispielsweise keine eigenen Münzen prägten (S. 31). Über die innere Struktur der Poleis, die wichtigsten Ämter, die Finanzen und die gesellschaftliche Differenzierung sind wir relativ gut informiert (S. 34-39). In diesen Kapiteln entsteht so ein lebendiges Bild der Verwaltung und ihrer verschiedenen Ebenen in einer römischen Provinz.

Die beiden umfangreichsten Kapitel des Werks stellen die Regionen der Provinz mit Karten und zahlreichen Bildern vor (S. 40-98). Zunächst gehen Brandt und Kolb auf die Poleis der Provinz ein (S. 40-82). Von den lykischen Zentren (S. 40-65) werden das nordlykische Oinoanda (S. 40-43), das westlykische Telmessos (S. 43f.), die Poleis des Xanthos-Tales, Xanthos selbst (S. 44), der Statthaltersitz und Versammlungsort des Lykischen Bundes Patara (S. 45-47) und Tlos (S. 47-49), die zentrallykischen Orte Kyaneai (S. 49-51) und Myra (S. 52) mit ihren jeweiligen Häfen Teimiusa (S. 49) bzw. Andriake (S. 52f.) und die ostlykischen Städte Limyra (mit Hafen Phoinix, S. 54f.), Olympos (S. 58-60) und Phaselis (S. 60-65) genauer vorgestellt. Insgesamt sind die Poleis Lykiens kleiner als diejenigen im übrigen Kleinasien, was mit der gebirgigen und zerklüfteten Geografie der Region zusammenhängt. Die wohlhabenden pamphylischen Poleis (S. 65-73) waren im Vergleich sehr viel großzügiger angelegt, so vor allem Perge (S. 65-67), Aspendos (S. 67f.) und Side (S. 68-71), die zum Teil in einem starken Konkurrenzverhältnis untereinander standen. Auch auf Attaleia (S. 65), Sillyon (S. 67) und Lyrbe (S. 71-73) wird kurz eingegangen. Von den südpisidischen Poleis (S. 73-78), die in der Doppelprovinz lagen, stellen die Autoren vor allem die Zentren Selge (S. 73-76), Termessos (S. 76) und Sagalassos (S. 76-78) ausführlicher vor.

Das zweite Hauptkapitel, das sich der ländlichen Siedlungsstruktur der Provinz widmet (S. 83-98), stützt sich auf die Feldforschungen des Tübinger Lykienprojekts und dessen Ergebnisse, die im Yavu-Bergland gewonnen wurden (Karten S. 84-87, Abb. 117f.). Dabei lassen sich aufschlussreiche Beobachtungen zur demografischen Entwicklung (Zunahme der ländlichen Bevölkerung von hellenistischer Zeit bis zum Ende der Antike), zum Wandel der Siedlungsstruktur (Übergang von hellenistischen Konglomeratsiedlungen in verteidigungstechnisch günstiger Lage zu kaiserzeitlichen unbefestigten Streusiedlungen in den Ebenen im Zuge der pax Romana) und zur Landwirtschaft (Intensivkulturen mit Wein und Öl) machen. Kaiserliche und private Großdomänen sind vor allem in Pisidien epigrafisch belegt, hingegen scheinen in Pamphylien und Lykien ländliche Familienbetriebe vorherrschend gewesen zu sein. Über Gewerbe und Handel (S. 99-104) lassen sich aufgrund der Quellenlage weniger Aussagen machen.

Wie in vielen Provinzen des Kaiserreichs, so finanzierte auch in Lykien und Pamphylien die lokale Elite (S. 105-108) die rege Bautätigkeit, Agone und Feste (S. 109-118). Bekannt geworden sind vor allem Opramoas aus dem ostlykischen Rhodiapolis und Plancia Magna aus Perge. Auffällig ist, dass die lykischen Honoratioren stärker auf eine lokale Karriere ausgerichtet waren, oft nicht einmal das römische Bürgerrecht besaßen (so Opramoas und Iason von Kyaneai), während in Pamphylien viele senatorische Familien belegt sind. Zwischen der lykischen und der pamphylischen Oberschicht scheinen nur wenige Kontakte bestanden zu haben.

Die Arbeit schließt mit einem ausführlichen Ausblick auf die Situation in der Spätantike (S. 119-132), als die drei Landschaften nicht mehr in einer Provinz vereinigt waren. Die Poleis existierten weiter und erhielten nun Kirchbauten, zum Teil auch Stadtmauern. Von einem Niedergang lässt sich sicherlich nicht sprechen, vielmehr kam es vom 4. bis 6. Jahrhundert nochmals zu einer ökonomischen Blüte der Region; ein Bevölkerungsrückgang ist erst mit den Arabereinfällen des 7. Jahrhunderts feststellbar.

Die Arbeit mit dem Werk wird erleichtert durch eine umfassende Zeittafel (S. 133-136), ein Glossar (S. 137f.), ein Register nach Orten, Namen und Sachen (S. 139-143) und ein Literaturverzeichnis (S. 144-146). Ärgerlich ist die teilweise minderwertige Qualität der Ortspläne: Zum Teil sind sie zu klein abgedruckt (Oinoanda, S. 41, Abb. 37) bzw. nahezu nicht mehr erkennbar (Selge, S. 76, Abb. 104), oft werden nicht alle Legenden aufgeschlüsselt (Perge, S. 66, Abb. 80, Side, S. 70, Abb. 90).

Im Vergleich etwa mit dem Band zu Pontus et Bithynia fällt das Werk von Brandt und Kolb im Hinblick auf eine lebendige, zugängliche Vermittlung etwas ab: Während es Christian Marek gelingt, seine Darstellung auch für ein breiteres Publikum ausgesprochen spannend und anregend zu gestalten, setzt die Arbeit von Brandt und Kolb viele Kenntnisse voraus und bleibt somit eher auf ein Fachpublikum beschränkt. Gerade ein solches wiederum vermisst ein Fazit, das die Situation der Provinz in den Gesamtkontext des Römischen Reiches eingeordnet hätte: Was ist denn nun eigentlich das Typische an der Provinz Lycia et Pamphylia? Was sind lokale Besonderheiten? Inwieweit sind diese im Verlauf der Kaiserzeit auch einem Wandel unterworfen? Wie stark setzt sich die Romanisierung durch? All diese Fragen werden zwar verstreut im Buch angesprochen, doch eine stringente Zusammenfassung bleibt aus, und eine solche wäre zweifellos notwendig, wenn das Werk Teil einer übergeordneten Reihe ("Orbis Provinciarum") sein soll, die einen Gesamtüberblick über die römischen Provinzen bieten will.

Ein großer Vorzug der Arbeit ist der sorgfältige Einbezug der epigrafischen Dokumente, wobei auch Neufunde angemessen berücksichtigt wurden, so beispielsweise das foedus zwischen Rom und dem Lykischen Bund vom 24. Juli 46 v.Chr. (S. 22). Zentrale Bedeutung kommt der Opramoas-Inschrift zu, auf die immer wieder im Werk verwiesen wird (vor allem S. 105f.).4 Insgesamt handelt es sich um einen hervorragenden Überblick über die Doppelprovinz von der Kaiserzeit bis zur Spätantike, der von den profunden Kenntnissen der beiden Verfasser profitiert.

Anmerkungen:
1 Bechert, Tilmann, Die Provinzen des Römischen Reiches. Einführung und Überblick, Mainz am Rhein 1998; Fischer, Thomas, Noricum, Mainz am Rhein 2002; Marek, Christian, Pontus et Bithynia. Die römischen Provinzen im Norden Kleinasiens, Mainz am Rhein 2003.
2 Brandt, Hartwin, Gesellschaft und Wirtschaft Pamphyliens und Pisidiens im Altertum, Bonn 1992; Kolb, Frank, Lykische Studien, Bd. 1-6, Bonn 1993-2003.
3 Kurz gehen Kolb und Brandt auf den geografischen Landschaftsbegriff ein (S. 19, Anm. 1) und entscheiden sich für eine flexible Verwendung "als die Summe geographischer, kultureller, ethnographischer und politischer Faktoren".
4 Kokkinia, Christina, Die Opramoas-Inschrift von Rhodiapolis. Euergetismus und soziale Elite in Lykien, Bonn 2000.

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