Gleich vorweg: Die "Einführung in die Alte Geschichte" von Hartmut Leppin ersetzt die gleichnamige Einführung von Manfred Clauss aus dem Jahr 1993 im Programm des C. H. Beck Verlag, die damit nicht mehr aufgelegt wird. Auch in der optischen Gestaltung sind die beiden Bücher der beiden Frankfurter Althistoriker nicht weit von einander entfernt. Es liegt immer nahe, Nachfolger mit Vorgängern zu vergleichen, doch will diese Besprechung der Versuchung nicht nachgeben, sondern die einleitende Übersicht zum Studium der Alten Geschichte von Leppin für sich alleine würdigen.
Das Buch ist durchgängig illustriert und mit fünf Übersichts-Karten in unterschiedlicher Qualität (und wohl auch Provenienz) ausgestattet; das Layout, wie es sich bei Einführungen inzwischen weitgehend durchgesetzt hat (Stichworte am Buchschnitt zu jedem Absatz; grau hinterlegte Kästen mit Quelleninformationen, grafische Hervorhebung der regelmäßigen Literaturhinweise), erleichtert schnelles Querlesen und häufigen kurzen Gebrauch, ist also - kurz gesagt - sehr benutzerfreundlich. Der Ton der Einführung ist persönlich und lebendig, aber dennoch sachlich gehalten, was wiederum zur durchgehenden Lektüre anregt. Die eigentliche, als Überblick gehaltene Einführung in den Gegenstand der Alten Geschichte: die griechische und die römische Geschichte (Kapitel IV und V) wird flankiert von einer kurzen Einführung (I), zwei Kapiteln zu "Gegenstand und Entwicklung der Alten Geschichte" (II) und zu den "Grundwissenschaften" (III) und schließlich einem - in Zeiten wie diesen notwendigerweise auch manchmal ernüchternden - Ausblick auf die "Praxis" (VI), also auf Ausbildung und Berufsfelder und -chancen zukünftiger Althistoriker.
Die Behandlung der griechischen wie der römischen Geschichte wird den modernen Ansätzen der Fachwelt in vollem Umfang gerecht, ohne einzelne Richtungen besonders hervorzuheben. Auch die Alte Geschichte ist schon lange nicht mehr nur Geschichte der Männer, der herrschenden Oberschicht, Geschichte der Sieger; Leppin versucht durchwegs, die Geschichte aller Gesellschaftsschichten in ihren Facetten auf dem schmal bemessenen Raum zu ihrem Recht kommen zu lassen und verfolgt somit nicht nur bei den üblichen "Stichwortgebern" wie Ständekämpfen oder den Reformen der Gracchen eine sozialgeschichtliche Blickrichtung.
Eingeleitet wird der kompakte, aber breit gefächerte Überblick über die Geschichte der Griechen und Römer zum einen von einem kurzen Blick auf den Forschungsgegenstand der Alten Geschichte und deren eigene Geschichte als Wissenschaft von der griechisch-römischen Antike. Die wichtigsten Vertreter, Ansätze und Theorien der letzten 150 Jahre sowie die Ausbildung und Entwicklung einzelner Disziplinen wird in gebotener Kürze angerissen (S. 9-16). Einzelne Köpfe (Mommsen, Burckhardt, Meyer usw.) tauchen kurz auf, um dann ebenso schnell wieder in die Ehrennischen zurückzutreten. Der Gefahr, dabei kaum mehr als ein "name-dropping" zu bieten, konnte der Autor leider nicht befriedigend begegnen. Dies ist aber auch dem geringen Platz anzulasten ist, der für den Überblick reserviert wurde.
Die ein wenig umfangreicher ausgefallene Darstellung der so genannten "Grundwissenschaften" (auf 23 Seiten), also den anderen altertumswissenschaftlichen Disziplinen (Archäologie, Epigrafik usw.), die sich früher wechselseitig Hilfswissenschaften geheißen haben, geht zunächst und plausibel von den Quellen aus, denn "historische Forschung basiert auf den Quellen" (S. 18): ein Grundsatz, der angesichts der Fülle muttersprachlicher Übersetzungen und Sekundärliteratur von Studenten der Alten Geschichte gerne vergessen wird. Die Quellen werden sinnvoll, Hand in Hand mit den ihnen zugeordneten Fachdisziplinen und Methoden, vorgestellt (S. 18-34) und kurz, aber ausgesprochen luzide und immer mit Blick auf den aktuellen Forschungs- und Reflexionsstand kommentiert. Zwei sonst oft weniger beachteten und doch wichtigen Feldern wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt (S. 18-39): Zeit und Raum, mithin der Chronologie und der historischen Geografie.
Das Bekenntnis des Autors, "das Studium zu allererst als ein geistiges, aus sich heraus befriedigendes Erlebnis zu betrachten", steht nicht als Widmung am Anfang des letzten Teils zur Praxis (S. 153-164), sondern erst auf Seite 160. Dass dieses Erlebnis durch andere, weitaus profanere, weil von Sach- und Bürokratiezwängen bestimmte Erfahrungen getrübt werden kann, ist dem Verfasser bewusst: Studienpläne, Fächerkombinationen und Abschlüsse der einzelnen Universitäten wollen beachtet sein, müssen ge- und erwogen, sollten geprüft werden. Leppin geht hier - die Gegenwart fest im Blick - sowohl auf die "traditionellen" deutschen Magister- und Lehramts-Studiengänge, als auch auf die neuen modularen Studienpläne der Bakkalaureats- und Master-Studiengänge der Zeit "nach Bologna" ein.
Quidquid agas respice finem: viele böse Zungen haben leider - und das "besonders in Zeiten wie diesen" - nach wie vor recht, wenn sie den Führerschein und eine Taxilizenz als notwendige Schlüsselqualifikationen für Geisteswissenschaftler ansehen. Auch angehende Studenten der Alten Geschichte stehen vor der Frage, wessen Brot sie später, nach dem Studium, essen sollen. Im Abschnitt "Berufsfelder für Althistoriker" werden einerseits beispielhafte Anregungen gegeben, wie eine berufliche Laufbahn auch oder gar vor allem außerhalb der universitären Forschung und Lehre aussehen kann. Andererseits werden ohne jede Schönfärberei jene - immer begrenzter werdenden - Möglichkeiten und Frei-Räume dargestellt, in denen man mit einem Abschluss in Alter Geschichte sein Auskommen finden kann.
Angesichts des Arbeitsmarktes und der Budget-Situation der Einrichtungen des Dritten Bildungsweges und angesichts der angebotenen Viertel-, Halb- oder Vollzeit-Stellen ist ein Wort des Autors auch zur Aussicht auf eine von freier Mitarbeit, Teilzeitarbeit und fast selbstverständlich auch von Phasen der Arbeitslosigkeit durchsetzten "patchwork"-Biografie durchaus am rechten Platze: Wer Leppins "Einführung in die Alten Geschichte" bis zum Ende liest und dann (trotzdem) dieses Fach studiert, kann später nicht behaupten, nicht gewarnt worden zu sein (S. 163). Doch den Mutigen hilft Fortuna; und allen, auch jenen, die ihr Studien- und vielleicht auch ihr Berufsziel erreicht haben, schreibt Leppin erinnernd ins Stammbuch: "Es ist ein Privileg, sich in Studium und Beruf einer intellektuellen Arbeit hinzugeben." (S. 163)