Der Berliner Emeritus Werner Dahlheim legt mit seiner Caesarbiografie gewissermaßen die Zusammenfassung seiner langjährigen Forschung zu diesem wohl bekanntesten römischen Feldherren dar. Bereits 1987 erschien seine ähnlich lautende Darstellung1, von der heute jedoch "nur das im Titel ausgedrückte Leitmotiv übrig geblieben" (S. 11) sei. Eine derartige Versicherung verwundert angesichts der Tatsache, dass sich die neue Biografie zum größten Teil aus Direktzitaten der alten speist.2 Allerdings ist die Gesamtkomposition etwas anders: Dahlheims Ausführungen zu Augustus, die früher den "Aufhänger" seiner Caesarbiografie bildeten, stehen nun um einige Bemerkungen ergänzt am Ende des Buches. Damit wird auch die Stoßrichtung seiner Überlegungen deutlich: Augustus wurde zum Vollender des Werks seines Adoptivvaters und konnte im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen der "Not des Staates" angemessen entgegentreten und als ausgleichende Kraft wirken - oder wie Dahlheim es ausdrückt: "Denn jetzt endlich war Zahltag für alle." (S. 270)
Dass Dahlheim im Klappentext als "einer der glänzendsten Stilisten unter den deutschen Historikern" gefeiert wird, ist keine Untertreibung. Dahlheim schreibt eine Tragödie vom Untergang der Römischen Republik nach allen Regeln der dramatischen Kunst.3 So bietet das erste Kapitel ("Die Umstände des Lebens") einen systematischen Zugriff auf das, was Dahlheim unter der Not der Republik versteht - gewissermaßen das "setting" für alles Folgende. Hier werden das Standesethos des römischen Adels dargestellt, die Folgen der marianischen Heeresreform vor Augen geführt sowie das Problem der Provinzialverwaltung erläutert. Die nach Ruhm und Reichtum gierenden Adelssprösslinge, die "als Wildhüter ihr Amt antraten und es als Wilderer ausübten" (S. 277), sind gewissermaßen der Stoff, aus dem Caesar und seine Gefolgsleute geschneidert waren. Ähnlich wie Cicero empfindet auch Dahlheim wenig Sympathie für Caesars emporstrebende Gefolgsleute. Schließlich habe "der Aasgeruch des Krieges […] zu allen Zeiten Hyänen angelockt" (S. 130). Doch sie alle bilden die "lost generation" der Späten Republik, blind für die Not des Staates und fixiert auf die ihnen angeblich zustehenden Ehren der Republik. "Gegen die moralische Verwüstung gab es für die schuldige und korrumpierte Generation kein Mittel." (S. 29) So nimmt die Tragödie ihren Lauf.
Ein retardierendes Moment stellt Sulla dar. Doch auch er war zuvorderst Verteidiger seiner Ehre, der der Not des Staates auf seine Weise begegnete. "Sulla hatte das Mögliche getan. Dass es nicht reichte, um die Republik zu retten, war nicht seine Schuld." (S. 27) Zum heimlichen Star des Buches avanciert jedoch Cicero, dessen Analysen zum Tagesgeschehen das Grundgerüst und den roten Faden von Dahlheims Caesarbiografie ausmachen. Unter der Überschrift "Das Ziel des Lebens" widmet sich Dahlheim daraufhin dem Aufstieg Caesars. Bereits zu Beginn seiner Karriere zeigt sich Caesar nicht nur als Vertreter seiner Generation, sondern auch als Verteidiger seiner Kriegerehre - ob bei der Eroberung Mytilenes, seiner Jagd nach Seeräubern oder seinem beherzten Eingreifen gegen pontische Truppen. Jedermann erkannte sofort: "Dies war so recht nach dem Herzen Roms. Hier handelte ein tapferer Soldat und vorbildlicher Römer." (S. 75; wortgleich auch 1987, S. 32) An dieser Stelle unterbricht Dahlheim seine Ausführungen, um die Erfolgsgeschichte des Pompeius zu erzählen. Dass seine außenpolitischen Erfolge im krassen Gegensatz zu seinen innenpolitischen Bemühungen standen, führte Pompeius in eine Allianz mit Caesar und dessen Gläubiger Licinius Crassus. Nach dem daraufhin folgenden Konsulat Caesars, das Dahlheim auf zwei Seiten knapp umreißt, richtet sich der Schwerpunkt der Darstellung auf den Gallischen Krieg. Gallien wurde nun zum Exerzierplatz für den großen Krieg gegen die Republik; "Caesar fand sich dabei selbst" (S. 99; ebenso 1987, S. 56), so Dahlheims Resümee.
Was nun folgt, ist die Explizierung der Titelthese. Mit einem markigen "Sie haben es so gewollt! Der Krieg gegen die Republik" läutet Dahlheim den zum "Weltkrieg" (S. 144) stilisierten Bürgerkrieg ein. Caesar forderte seine Bewerbung um ein zweites Konsulat ein, von dem er glaubte, dass es ihm nach den Siegen in Gallien zustehe. Doch in Rom warteten bereits seine Gegner, die nicht nur alte Rechnungen begleichen wollten, sondern zudem nach dem Gallienfeldzug einen daraus resultierenden Partherfeldzug befürchteten, nach dem Caesar unzweifelhaft zum ersten Mann im Staate aufgestiegen wäre (vgl. S. 128). Caesar wiederum sah sich nun in der Situation, seine Kriegerehre zwingend verteidigen zu müssen, wollte er nicht als politischer Niemand einsam im Exil sterben. Er hatte somit keine Wahl und tat das, was ihm seine Ehre gebot: Unter "dem Gebrüll der Soldaten" (S. 138) überschritt er den Rubikon. Auf seinem Siegeszug traf er die Ewiggestrigen der Republik, die Kriegerehre mit militärischem Leichtsinn verwechselten. Ohne große Mühe schlug er darum Domitius Ahenobarbus in Corfinium und das republikanische Heer bei Pharsalos. Hätte sich Pompeius dort nicht von den Optimaten zur offenen Feldschlacht überreden lassen, wäre seine Ermattungsstrategie gegen Caesar wohl erfolgreich gewesen. Doch die militärische Weitsicht des Pompeius widersprach dem Kriegerethos des römischen Adels. Deren herausragende Vertreter werden auch weiterhin von Dahlheim eher als Witzfiguren beschrieben. Entweder handelten sie zu überstürzt oder ließen wertvolle Chancen ungenutzt. Als Caesar das letzte republikanische Aufgebot bei Thapsus schlug, war dies gewissermaßen nur noch Formsache.
Im Feld unbesiegt, scheiterte Caesar jedoch wie Pompeius an der Innenpolitik. Ohne ein schlüssiges Konzept, die Not des Staates zu beheben, schwankte Caesar zwischen der Befriedigung seiner Anhänger und dem Ansinnen, nicht als zweiter Sulla in die Geschichte eingehen zu wollen. Es zeigte sich, dass Caesar der "Gefangene seines Sieges geworden" war (S. 256; wortgleich bereits 1987, S. 201). Doch die Gnade, die er seinen Gegnern im Gegensatz zu Sulla gewährte, beleidigte deren Standesehre. Die Konkurrenz um Ämter und ihre Verteilung förderte die Missgunst unter den Caesarianern. Zugang zum Diktator hatten nur wenige; und wer ein Anliegen hatte, äußerte es in aller Demut. Die nach Ehre dürstende Generation der römischen Elite sah sich nun von einem der ihren massiv gegängelt. Und so nimmt es nicht Wunder, dass Caesars Vorbereitungen zum Partherfeldzug die Befürchtungen schürten, Caesar wolle nach seinem Sieg "in Rom eher die Proskynese einführen, als die Freiheit der Republik wiederher[zu]stellen. Gründe genug für einen Mord" (S. 235; wortgleich bereits 1987, S. 186). Eine Biografie Caesars könnte mit dessen Tod an den Iden des März 44 v.Chr. schließen. Doch Dahlheim sieht zu Recht, dass es zur Behebung der Not des Staates eines Augustus bedurfte. So stehen denn seine Ausführungen zu den nach Caesars Tod folgenden Bürgerkriegen unter diesem Leitstern. Erst Augustus habe das selbstsüchtige, auf Kosten der Provinzen gehende Streben der Adligen eindämmen und das Zeitalter der Bürgerkriege beenden können - auch wenn seine Monarchie keine zwingende Konsequenz war.4
Nach der Lektüre bleibt letztlich doch ein zwiespältiger Eindruck zurück: Die anschauliche Erzählkunst Dahlheims und seine treffenden Analysen müssen sich gegen den Vorwurf rechtfertigen, dass dies alles bereits vor 18 Jahren zu lesen war.5
Anmerkungen:
1 Dahlheim, Werner, Julius Caesar. Die Ehre des Kriegers und der Untergang der Römischen Republik, München 1987.
2 So sind die Kapitel zur Ermordung Caesars nicht nur dem Werk von 1987 entnommen, sondern können auch beinahe identisch in einem Aufsatz von 1996 nachgelesen werden: Dahlheim, Werner, Die Iden des März 44 v. Chr., in: Demandt, Alexander (Hg.), Das Attentat in der Geschichte, Köln 1996, S. 39-59 (wenngleich das Dantezitat nebst gleich gebliebener Einleitung und Erläuterung jetzt vom Anfang an das Ende gerutscht ist, S. 278). Bisweilen haben sich aber auch Fehler eingeschlichen. So wurde die Aussage, "Cäsar hat nach dem Sieg von Pharsalos [9. August 48 v. Chr.] noch drei Jahre und zehneinhalb Monate gelebt" (1987, S. 184), umgewandelt in die chronologische Unmöglichkeit "Caesar hat nach dem Sieg in Nordafrika [6. April 46 v. Chr.] noch drei Jahre und zehneinhalb Monate gelebt" (S. 235). Die nachfolgenden Sätze sind jedoch wiederum identisch: "Von dieser Zeit brachte er - zählt man die Intervalle zwischen den Feldzügen nach Pharsalos zusammen - gerade elf Monate in Rom zu." (ebd.).
3 Dass das Drama die angemessene Betrachtungsweise sei, wird von Dahlheim explizit gefördert (vgl. S. 15; ebenso in der Erstauflage, S. 24).
4 Dieses resümierende letzte Kapitel ("Erinnerungen an einen Römer") konnte bereits 1987 als gelungenes Eingangskapitel gelesen werden.
5 Doch auch weitere Kritik scheint angebracht: So ist die Zielgruppe des Buches unklar. Das Glossar am Ende des Buches, in dem grundlegende Begriffe wie "cursus honorum" oder "Patrizier" erläutert werden, scheint sich eher an Einsteiger zu richten. Andererseits nimmt Dahlheim unentwegt Rekurs auf Politiker der gesamten republikanischen Zeit, so dass ein Unkundiger in der Flut der erwähnten Namen zu ertrinken droht. Das Springen in der Chronologie ist jedoch ein generelles Problem in Dahlheims Darstellung. Darüber hinaus wird der Text zuweilen unterbrochen von Doppelseiten, die Erklärungen zur Rezeptionsgeschichte einzelner Akteure liefern sollen. Dies geschieht zumeist etwas unvermittelt und nicht immer zielführend, zumal diese Einschübe inmitten unterbrochener Sätze oder gar getrennter Wörter platziert sind.