Mit dem „Lexicon of Argead Makedonia“ (LexAM) liegt erstmals ein Nachschlagewerk vor, das sich exklusiv dem argeadischen Makedonien widmet. In den letzten Jahrzehnten hat die Anzahl der Publikationen zum antiken Makedonien stark zugenommen.1 Dem gestiegenen Interesse der Forschung an der Geschichte der Argeaden auch jenseits Alexanders trägt das vorliegende Lexikon Rechnung, das in 247 Einträgen die wesentlichen Aspekte der Geschichte des argeadischen Makedonien beleuchtet. Bei den Autoren handelt es sich um 44 internationale Experten auf dem Gebiet des antiken Makedoniens, deren Spezialgebiete sich in den einzelnen Artikeln widerspiegeln.
Die ausgewählten Lemmata bieten einen sehr guten Überblick über alle Aspekte des argeadischen Makedonien und ermöglichen eine schnelle und einfache Orientierung in der Materie. Der Großteil der Artikel widmet sich den Herrschern, der Königsfamilie und weiteren politischen Akteuren, die die Geschichte Makedoniens mitgestaltet haben. Auch geographische Artikel über Reiche, Städte, Länder und Regionen haben in diesem Lexikon einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus werden die politischen Strukturen Makedoniens beleuchtet, und der Leser wird über die wichtigsten Themen aus den Bereichen Wirtschaft, Verwaltung, Kultur, Religion, Kult, Militär und Gesellschaft informiert. Hinzu kommen Einträge zur Rezeptionsgeschichte, Ikonographie, Numismatik, Epigraphik und zu antiken Autoren. Die Artikel beschränken sich allerdings nicht auf das makedonische Kernland und die von den makedonischen Herrschern (vor Alexander III.) eroberten und kontrollierten Gebiete, sondern umfassen ebenso Städte und Regionen anderer Länder, die mit den Argeaden in Kontakt standen, sodass zum Beispiel auch die griechischen Stadtstaaten, das Perserreich, Ägypten oder Indien berücksichtigt wurden. Diese Beiträge beinhalten jedoch lediglich Informationen, die die Verbindungen der Orte und Regionen zu den Argeaden oder Makedonien beleuchten. So informiert der Artikel „Athens“ nur über die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Athen und Makedonien, nicht aber über die Polis selbst; den Handelsbeziehungen zwischen Athen und Makedonien widmet sich zudem der Eintrag „timber“.
Zeitlich umfasst das Lexikon die Geschichte Makedoniens von der mythischen Gründung in der Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. bis zum Tod Alexanders IV., wobei die ersten Jahrhunderte aufgrund der schlechten Quellenlage etwas spärlicher behandelt werden. Die Auswahl der Lemmata lässt erkennen, dass die historischen Ereignisse der Regierungszeit Philipps II. und Alexanders III. einen hohen Stellenwert im Lexikon einnehmen, jedoch ohne dabei frühere Ereignisse in den Hintergrund zu drängen. Das Lexikon enthält zudem einen fünfseitigen Anhang mit Abbildungen zu einzelnen Artikeln; eine Karte wäre an dieser Stelle noch eine wünschenswerte Ergänzung gewesen.
Der Vorteil des LexAM gegenüber allgemeineren altertumswissenschaftlichen Lexika besteht zum einen darin, dass aufgrund des thematischen Zuschnitts auch Platz für weniger beachtete Themenfelder vorhanden ist, so finden sich beispielsweise auch Artikel zu „Lion, lion hunt“ und „Gordion knot“. Zum anderen stellt dieses Lexikon das argeadische Makedonien konsequent in den Fokus, sodass die Leser zu vielen Stichworten über Aspekte informiert werden, die in Einträgen anderer Lexika oftmals ausgespart werden. So beinhaltet etwa der Artikel zu „Achilles“ in diesem Lexikon keine ausführlichen allgemeinen Informationen über Achilleus in der griechischen Mythologie, sondern stellt die Abstammung Alexanders des Großen und den Vergleich der beiden Paare Achilleus und Patroklos sowie Alexander und Hephaistion in den Vordergrund. Das LexAM bildet damit eine wertvolle Ergänzung zu den allgemeinen altertumswissenschaftlichen Lexika.
Wie die Herausgeber Waldemar Heckel, Johannes Heinrichs, Sabine Müller und Frances Pownall in der Einleitung betonen, soll das Lexikon den aktuellen Forschungsdiskurs wiedergeben, weshalb die jeweiligen Positionen der Autoren in den verschiedenen Artikeln erkennbar sind (S. 8). So taucht in einzelnen Artikeln auch in diesem Lexikon die bereits bekannte Problematik auf, dass gesellschaftliche Verhältnisse in Makedonien aufgrund des Quellenmangels mit Hilfe epigraphischer Zeugnisse aus dem hellenistischen Kleinasien erklärt werden. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass alle Artikel mit zahlreichen literarischen, epigraphischen, archäologischen und numismatischen Quellenverweisen versehen sind. Darüber hinaus findet man am Ende eines jeden Artikels eine Auflistung ausgewählter Forschungstitel, die die weitere Recherche erleichtern. Die durchschnittlich vier bis fünf Literaturangaben sind auf die Einträge zugeschnitten und informieren auch über andere Forschungspositionen. Das Lexikon eignet sich daher hervorragend als Einstieg in alle Themenbereiche des argeadischen Makedonien und erfüllt die Intention der Herausgeber, sich sowohl an Wissenschaftler als auch an Studierende der Alten Geschichte und der Klassischen Altertumswissenschaft zu richten (S. 7). Die Rolle Makedoniens zur Zeit der Perserkriege und des Peloponnesischen Krieges sowie der anschließende Aufstieg zur Großmacht im 4. Jahrhundert v.Chr. machen deutlich, dass ein Gesamtverständnis dieser historischen Ereignisse nur möglich ist, wenn auch der makedonischen Perspektive Beachtung geschenkt wird.2 Aus diesem Grund ist das Lexikon auch für alle der griechischen Geschichte der archaischen und klassischen Periode Interessierten von großem Nutzen, da die wechselseitigen Beziehungen mit anderen Stadtstaaten und Reichen umfassend thematisiert werden.
Anmerkungen:
1 Erst kürzlich erschienen Miltiades B. Hatzopoulos’ umfassendes Werk über das antike Makedonien (Ancient Macedonia, Berlin 2020) und Waldemar Heckels Buch über den Widerstand gegen Alexander den Großen (In the Path of Conquest. Resistance to Alexander the Great, Oxford 2020) sowie ein von Kai Trampedach und Alexander Meeus herausgegebener Sammelband zu Königtum und Verwaltung des Alexanderreiches (The legitimation of conquest. Monarchical representation and the art of government in the empire of Alexander the Great, Stuttgart 2020).
Speziell zu den Argeaden sei zudem auf die Monographie von Sabine Müller hingewiesen (Die Argeaden. Geschichte Makedoniens bis zum Zeitalter Alexanders des Großen, Paderborn 2016).
2 Zu den Perserkriegen siehe u.a. die Lemmata „Persian Wars“ und „Alexander I“; zum Peloponnesischen Krieg siehe u.a. „Peloponnesian War“ und „Perdikkas II“; zum Aufstieg zur Großmacht siehe u.a. „Philip II“, „Alexander III“, „Third Sacred War“, „Crocus Field, battle of“, „Army Assembly“, „Army organization“, „hetairoi“ und „primum inter pares“.