T. Bonacker u.a. (Hrsg.): Konflikte der Weltgesellschaft

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Titel
Konflikte der Weltgesellschaft. Akteure - Strukturen - Dynamiken


Herausgeber
Bonacker, Thorsten; Weller, Christoph
Erschienen
Frankfurt/Main 2006: Campus Verlag
Anzahl Seiten
326 Seiten
Preis
€ 29,90
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Werner Bührer, TU München

Konflikte wiesen heutzutage „grenzüberschreitende Dimensionen“ auf und ihre Austragung, Akteure, Gegenstände, Wahrnehmung würden „zu einem immer größeren Teil von globalen Rahmenbedingungen bestimmt“, stellen die Herausgeber in ihrer Einleitung fest (S. 9). Diese Beobachtung dürfte kaum Widerspruch provozieren. Doch welchen Beitrag können die Sozialwissenschaften zum Verständnis dieser Entwicklung leisten? Nach Ansicht der beiden Herausgeber liefert insbesondere das Konzept der Weltgesellschaft in seinen unterschiedlich akzentuierten, je nachdem ob auf Immanuel Wallerstein, Niklas Luhmann, John Burton oder John W. Meyer verweisenden Varianten das geeignete theoretische Rüstzeug. Doppeltes Anliegen des Sammelbandes ist es daher, die „Fruchtbarkeit einer weltgesellschaftlichen Perspektive gegenüber anderen Ansätzen“ (S. 19) zu demonstrieren und die Diskussion über Gemeinsamkeiten und Differenzen der verschiedenen, je nach Urheber stärker ökonomisch-sozialstrukturell, systemtheoretisch-funktionalistisch, kulturalistisch oder institutionalistisch argumentierenden Konzepte voranzubringen. Bonacker und Weller plädieren jedenfalls dafür, „Konflikte in der Weltgesellschaft als Konflikte der Weltgesellschaft zu verstehen“ (S. 40). Ebenfalls einleitenden Charakter haben die Überlegungen von Mathias Albert und Stephan Stetter zur Rolle von „Konflikt“ in der Weltgesellschaft. Sie beklagen das Fehlen eines Konfliktbegriffs, der als „Scharnier“ zwischen der Analyse des Verhältnisses von Krieg, Frieden und Sicherheit einerseits und globalem Wandel andererseits dienen könnte (S. 52), begnügen sich allerdings selbst mit recht allgemeinen Bemerkungen zum entsprechenden Potential der Weltgesellschaftstheorie.

Die Herausgeber haben die einzelnen Beiträge, wie im Untertitel bereits signalisiert, zu drei Kapiteln zusammengefasst. Zunächst werden wichtige „Konfliktakteure“ vorgestellt: Mark Herkenrath und Volker Bornschier beschäftigen sich mit transnationalen Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen „im Konflikt um ein globales Investitionsregime“ und betonen unter Verweis auf einschlägige empirische Studien und im Gegensatz zur vorherrschenden Auffassung, dass „die Präsenz transnationaler Konzerne nur dort einen wirtschaftlichen Vorteil bringt, wo deren Aktivitäten sinnvoll reguliert werden“ (S. 98). Ingo Take thematisiert die wachsende Bedeutung nichtstaatlicher Akteure in kriegerischen Konflikten und den daraus resultierenden neuen, „vielfach entgrenzten Charakter der heute dominierenden Kriegsformen“ (S. 121). Schließlich erläutern Julian Dierkes und Matthias Koenig in Anlehnung an John W. Meyer ihre These, dass „die weltgesellschaftliche Institutionalisierung hochgradig rationalisierter und universalistischer Prinzipien sowohl zur Diffusion standardisierter Konfliktbearbeitungsstrategien als auch zur Proliferation neuer Konfliktdynamiken führt“ (S. 127).

Letztere sind Gegenstand des zweiten Teils. Zu Beginn setzt sich Martin Shaw in einem der anregendsten Aufsätze des Bandes mit der gegenwärtigen „Renaissance“ und „Relegitimierung“ des Krieges auseinander, die eine Phase der „Delegitimierung“ abgelöst habe. Den in Afghanistan und im Irak praktizierten „new Western way of war“ bezeichnet er als „Risikotransfer-Krieg“ (S. 154), der sich unter anderem dadurch auszeichne, dass er das Risiko auf das feindliche Militär bzw. eigene Spezialtruppen und lokale Alliierte verlagere und die Berichterstattung in den Massenmedien zu manipulieren versuche. Thomas Diez diskutiert die Rolle von Grenzen in der internationalen Gesellschaft, Klaus Schlichte problematisiert unter der Überschrift „Staatsbildung und Staatszerfall“ die verbreitete „Dichotomisierung der Welt in eine zivilisierte und eine barbarische Zone“ (S. 197) und die damit einhergehende, aus der Verabsolutierung westlicher Werte und Normen gespeiste Missachtung „älterer Loyalitäten und Bindungen“ (S. 206). Mathias Bös und Kerstin Zimmer beschließen mit einem Beitrag über die mitunter konflikthafte Verwirklichung der Norm der Reisefreiheit den zweiten Themenkomplex.

Im dritten Teil geht es um „Konfliktstrukturen“. Gleich zwei Aufsätze beschäftigen sich mit dem Problem des Terrorismus. Während Albert J. Bergesen und Omar Lizardo nach dessen internationalen Bedingungen fragen und konstatieren, dass Terrorismus ein „wesentlicher Bestandteil der zyklischen Rhythmen des globalen Systems“ sei (S. 269), spürt Rudolf Stichweh am Beispiel des 11. September 2001 der „Genese des terroristischen Weltereignisses“ (S. 279) nach und zeigt, dass in diesem Fall „der Weltanspruch nicht nur auf der Seite der Täter als eine Kommunikationsabsicht“ vorliege, sondern auch dem World Trade Center als Objekt inhärent gewesen sei (S. 284). Abschließend widmet sich Wolfgang Hein unter Rückgriff auf Luhmann dem Thema „Armut“ als Problem weltgesellschaftlicher Exklusion und Inklusion sowie den Aussichten, mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen.

Der Nachweis, dass sich das Konzept der Weltgesellschaft für die Analyse „globalisierter“ Konflikte eigne, fällt nicht immer überzeugend aus, wird dieser Nachweis mitunter doch eher behauptet als am jeweiligen Untersuchungsgegenstands wirklich exemplifiziert. Manche der durchweg theorieorientierten Beiträge dürften deshalb vor allem Spezialisten der Internationalen Beziehungen oder des Diskurses über den Wandel von Staatlichkeit zufrieden stellen. Irritationen hinterlässt hingegen der Aufsatz von Bergesen und Lizardo: Zum einen subsumieren die Autoren völlig unreflektiert die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten unter „Staatsterrorismus“, weil sie darauf abgezielt habe, „die deutsche Bevölkerung während des Zweiten Weltkrieges zu terrorisieren“ (S. 254); zum anderen bleiben nicht wenige Aussagen im Vagen des „Kann“, „Vielleicht“, „Irgendwie“ oder sind gleich gänzlich unverständlich wie die folgende: „Obwohl Globalisierung für viele eine kausale Variable ist, die Gegenreaktionen und Widerstand hervorruft, gab es auch frühere Wellen der Globalisierung.“ (S. 265) Allerdings mögen diese Mängel nicht den Autoren selbst, sondern der Übersetzung anzulasten sein.

Dessen ungeachtet liefert der Sammelband einer historisch interessierten Friedensforschung wichtige Anstöße in Richtung einer theoretisch reflektierten Untersuchung von Konflikten und Konfliktformationen in der Geschichte. Und wenn sich seine Leserinnen und Leser animiert fühlen sollten, (wieder) zu den „Klassikern“ der Weltgesellschaftstheorie zu greifen, wäre das auch kein geringes Verdienst der Autoren dieses Bandes.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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