J. T. Roche: The Crusade of King Conrad III of Germany

Cover
Titel
The Crusade of King Conrad III of Germany. Warfare and Diplomacy in Byzantium, Anatolia and Outremer, 1146–1148


Autor(en)
Roche, Jason T.
Reihe
Outremer. Studies in the Crusades and the Latin East 13
Erschienen
Turnhout 2021: Brepols Publishers
Anzahl Seiten
365 S.
Preis
€ 94,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gion Wallmeyer, Historisches Institut, Universität Duisburg-Essen

In den vergangenen 20 Jahren hat der zweite Kreuzzug sich innerhalb der Mittelalterforschung großer Aufmerksamkeit erfreut, wovon diverse neuerschienene Überblicksdarstellungen zeugen.1 Mit seiner Studie über den Kreuzzug Konrads III. (1146–1148), die auf seiner 2008 an der Universität von St. Andrews eingereichten Dissertationsschrift basiert, knüpft Jason T. Roche an die Ergebnisse dieser Forschung an und versucht, neue Akzente in einem etablierten Feld zu setzen. Diese neuen Impulse verspricht Roche sich von einer dezidiert militärgeschichtlichen Herangehensweise, die Operationsstrategie und Logistik in den Vordergrund stellt, ohne dabei den größeren politischen Kontext auszublenden. Er stützt sich hierbei auf altbekannte Quellentexte wie die Werke der byzantinischen Geschichtsschreiber Johannes Kinnamos und Niketas Choniates sowie die Kreuzzugschronik des französischen Hofkaplans Odo von Deuil, denen er durch die veränderte Lesart neue Erkenntnisse abgewinnen möchte (S. 35–56). Daneben bemüht Roche vor allem die Enkomien des sogenannten Manganeios Prodromos, welchen er zusammen mit anderen Werken aus der byzantinischen Hofdichtung einen großen Einfluss auf die griechische Kreuzzugshistoriographie zuspricht.

Die Darstellung des Kreuzzuges ist chronologisch aufgebaut und folgt dem Heer des Staufers von Nürnberg über den Balkan und Kleinasien bis an die Levante. Die ersten beiden empirischen Kapitel des Werkes widmen sich dementsprechend den politischen und logistischen Planungen, die dem Feldzug vorangegangen waren. Auf politischer Ebene werden der Kreuzzugsaufruf Papst Eugens III., das Werben Bernhards von Clairvaux für den Kreuzzug sowie der diplomatische Austausch zwischen Byzanz und dem Westen beschrieben (S. 57–80), wobei Roche der jüngeren Forschung in der Annahme folgt, Konrads Kreuzzugsunternehmen sei Teil einer langfristigen Allianz zwischen Staufern und Komnenen gewesen.2 Anschließend analysiert er mithilfe der von Riley-Smith und anderen zusammengestellten Kreuzfahrer-Datenbank3 die Zusammensetzung von Konrads Heer und erläutert die Versuche des Staufers, die Lebensmittelversorgung seiner Streitmacht auf dem Weg nach Konstantinopel sicherzustellen (S. 81–110). Roche versucht überdies die Größe des Kreuzfahrerheeres zu schätzen, indem er die Zahlenangaben extrapoliert, die Konrads Nachfolger Friedrich I. während seines ersten Italienfeldzuges (1154/55) in einem Brief an Otto von Freising machte. So kommt er schließlich zu dem Ergebnis, dass statt der noch von Phillips angenommenen 30 000 Personen nur etwa 12 000 Personen an Konrads Kreuzzug teilgenommen haben können (S. 92ff.). Wie der Autor selbst betont, sind derartige Schätzungen in Anbetracht der dürftigen Quellenlage hochspekulativ, aber für einen militärgeschichtlichen Ansatz wohl unerlässlich.

Die beiden folgenden Kapitel widmen sich dann dem Marsch der Kreuzfahrer über den Balkan ins byzantinische Reich (S. 111–137) sowie ihrem anschließenden Aufenthalt vor Konstantinopel (S. 139–173). Roche will dabei zeigen, dass trotz kleinerer Scharmützel byzantinischer Truppen mit den Kreuzfahrern keinerlei Feindschaft zwischen Komnenen und Staufern bestand und Kaiser Manuel I. trotz gegenteiliger Behauptungen zeitgenössischer Geschichtsschreiber sogar versuchte, die Lebensmittelversorgung von Konrads Heer sicherzustellen. Überdies geht er im Unterschied zu großen Teilen der Forschung davon aus, es sei bereits im September 1147 außerhalb der Stadtmauern von Konstantinopel zu einem Treffen zwischen Manuel und Konrad gekommen, das allerdings aufgrund des Zweikaiserproblems geheim bleiben musste und deshalb allein in der auf Augenzeugenberichten fußenden Chronik Arnolds von Lübeck Niederschlag gefunden hat (S. 150–156).

Die anschließenden vier Kapitel behandeln den Weg von Konrads Heer vom Bosporus über Nikäa (S. 201–228) bis ins anatolische Hochland (S. 229–260) sowie den anschließenden Rückzug nach Konstantinopel (S. 261–286), wobei der Fokus darauf liegt, plausible Erklärungen für die Niederlage der Kreuzfahrer zu finden. Roche wendet sich hier gegen zwei in der Forschung nach wie vor prominente Thesen: Erstens die auf Kugler zurückgehende Annahme, das Kreuzfahrerheer sei undiszipliniert und Konrad selbst ein schlechter Heerführer gewesen.4 Zweitens die bereits von mittelalterlichen Geschichtsschreibern verbreitete Behauptung, der byzantinische Kaiser habe sich im Geheimen mit dem Sultan von Iconium gegen die Kreuzfahrer verbündet und Konrads Streitmacht in eine Falle gelockt. Roche führt dagegen Konrads Niederlage auf die logistischen Schwierigkeiten zurück, die aus der Topographie der Regionen erwuchsen, welche die Kreuzfahrer auf ihrem Weg nach Osten durchquerten. Aus diesem Grund verlässt die Darstellung an dieser Stelle die ansonsten chronologische Erzählung zugunsten eines längeren Exkurses über Westanatolien und die dortige Siedlungsstruktur (S. 175–200). Daran anknüpfend versucht Roche zu rekonstruieren, welchen Weg die Kreuzfahrer von Nikäa ausgehend in Richtung Iconium eingeschlagen haben. Dazu werden nicht allein die bekannten Textquellen herangezogen, sondern auch „topographical observations“, die der Autor selbst vor Ort gemacht hat (S. 211ff.). Obwohl es gelingt, die Route mithilfe von Karten und Beschreibungen nachvollziehbar zu illustrieren, wäre es aus rein methodologischer Hinsicht an dieser Stelle hilfreich gewesen, darüber hinaus auch zu erfahren, welche Prinzipien diesen Beobachtungen zu Grunde liegen. Im Anschluss berechnet Roche auf Basis seiner Annahmen über die Größe von Konrads Heer den Lebensmittelbedarf der Streitmacht und kommt zu dem Ergebnis, dass die durchquerten Regionen trotz entsprechender Bemühungen von byzantinischer Seite keine adäquate Versorgung der Kreuzfahrer erlaubten (S. 217–220). Der daraus resultierende Mangel an Nahrungsmitteln und Wasser, welcher auch von der lateinischen Chronistik eingehend problematisiert wurde, war Roche zufolge die Kernursache für den Rückzug der Kreuzfahrer nach Konstantinopel.

Akzeptiert man diese Argumentation, so erscheinen Entscheidungen wie die Teilung von Konrads Heer bei Nikäa oder seine Abreise aus Konstantinopel vor Eintreffen der französischen Kreuzfahrer nicht länger als strategische Fehler eines ungeschickten Heerführers, sondern als Schachzüge eines erfahrenen Feldherrn, dem die logistischen Schwierigkeiten von militärischen Großoperationen wohlbekannt waren (S. 226f.). Auf diese Weise gelingt es Roche, in Abgrenzung zu altbekannten Narrativen eine neue und deutlich plausiblere Version der Ereignisse von 1148 zu entwickeln: Auf der Suche nach Nahrungsmitteln und Wasserquellen ließ die Vorhut von Konrads Heer den weniger mobilen Hauptteil der Streitmacht ungeschützt zurück, was den in der Region lebenden türkischen Nomaden die Gelegenheit zum Angriff bot und die ohnehin schon prekäre Versorgungslage weiter verschlimmerte (S. 242–248). Problematisch erscheint allein, dass Roche bei seiner Interpretation der Kreuzzugschronistik nicht berücksichtigt, inwiefern die Berichte über Hungerleiden topisch waren und den Marsch der Kreuzfahrer als imitatio christi portraitieren sollten.5

Der Aufenthalt der Kreuzfahrer an der Levante wird im Unterschied zu ihrem Marsch durch Kleinasien nur vergleichsweise kurz dargestellt (S. 287–314). Roche folgt hier im Wesentlichen den bereits etablierten Darstellungen des zweiten Kreuzzuges, so argumentiert er beispielsweise mit Forey dafür, dass die Belagerung von Damaskus durch die Kreuzfahrer nicht aufgrund eines Verräters unter den Fürsten der Kreuzfahrerreiche, sondern durch strategische Fehleinschätzungen gescheitert sei.6

Insgesamt gelingt es Roche also durchaus, etablierte Erzählungen über den zweiten Kreuzzug und Konrads Marsch durch Kleinasien in Frage zu stellen, wobei er bei seiner Interpretation der Quellen allerdings mitunter ins Spekulative abgleitet. Auch wenn der Titel des Werkes zunächst anderes suggerieren mag, handelt es sich keineswegs um eine neue Überblicksdarstellung zum Kreuzzug Konrads, sondern um eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem bisherigen Forschungsstand, die vor allem für Kreuzzugs- und Militärhistoriker von Interesse sein dürfte.

Anmerkungen:
1 So u.a. Ralph-Johannes Lilie, Byzanz und die Kreuzzüge, Stuttgart 2004; Jonathan Harris, Byzantium and the Crusades, 2. Aufl., London 2014; Jonathan Phillips, The Second Crusade. Extending the Frontiers of Christendom, New Haven 2007; Christopher Tyerman, God's War. A New History of the Crusades, Cambridge 2006.
2 Jürgen Dendorfer, Konrad III. und Byzanz, in: Karl-Heinz Rueß (Hrsg.), Die Staufer und Byzanz (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 33), Göppingen 2013, S. 58–73.
3 Jonathan Riley-Smith / Jonathan Phillips u.a. (Hrsg.), A Database of Crusaders to the Holy Land (1095–1149), https://www.dhi.ac.uk/crusaders/ (10.08.2021).
4 Bernhard Kugler, Studien zur Geschichte des zweiten Kreuzzuges, Stuttgart 1866.
5 So argumentiert u.a. Bernard S. Bachrach, Crusader Logistics. From Victory at Nicaea to Resupply at Dorylaion, in: John H. Pryor (Hrsg.), Logistics of Warfare in the Age of the Crusades. Aldershot 2006, S. 43–62, hier S. 59.
6 Alan J. Forey, The Failure of the Siege of Damascus in 1148, in: Journal of Medieval History 10 (1984), 1, S. 13–23.

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