U. Lappenküper: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland

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Titel
Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1990.


Autor(en)
Lappenküper, Ulrich
Reihe
Enzyklopädie deutscher Geschichte 83
Erschienen
München 2008: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
X, 164 S.
Preis
€ 19,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Guido Thiemeyer, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Universität Kassel

Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland ist schon lange ein Thema wissenschaftlicher Forschung – zunächst der Politik-, dann, seit Öffnung der Archive mit Beginn der 1980er-Jahre, auch der Geschichtswissenschaft. Dies hat zu einer selbst für Experten kaum zu überblickenden Vielzahl von Einzelstudien zu sehr verschiedenen Aspekten geführt, so dass die Außenpolitik der „alten“ Bundesrepublik inzwischen als vergleichsweise gut erforscht gelten kann. Insgesamt dominieren Spezialstudien zu einzelnen Aspekten der Außenbeziehungen oder dem bilateralen Verhältnis zu anderen Staaten. Vor allem die deutsch-französischen Beziehungen sind zumindest für die Zeit bis in die 1970er-Jahre hinein breit dokumentiert und analysiert. Hinzu kommt eine außergewöhnlich gute Quellenlage; selbst an Quelleneditionen zur Geschichte der bundesdeutschen Außenpolitik herrscht kein Mangel. Umso erstaunlicher ist, dass es nur wenige Überblicksdarstellungen gibt, die die Außenpolitik der Bundesrepublik in langfristiger Perspektive untersuchen.

Eben dies leistet nun Ulrich Lappenküper im Rahmen der bewährten „Enzyklopädie deutscher Geschichte“. Der Band ist – wie alle Bände dieser Reihe – dreigeteilt: Ein enzyklopädischer Überblick schildert die wesentlichen Ereignisse, ein zweiter Teil liefert einen Forschungsbericht, eine umfangreiche, thematisch gegliederte Bibliographie ermöglicht die vertiefende Lektüre.

Lappenküper schildert zunächst die Voraussetzungen, die langsame Entstehung des westdeutschen Staates im Schatten des Kalten Krieges, zunächst ohne jede außenpolitische Kompetenz. Vor diesem Hintergrund war es rückblickend geradezu erstaunlich, wie schnell die Bundesrepublik bis 1955 unter dem damals umstrittenen Schlagwort der Westintegration zu einem weitgehend souveränen Staat heranwuchs. „Souveränität durch Integration“ überschreibt Lappenküper diese formative Phase der Außenpolitik treffend. Demgegenüber stand die zweite Phase der Ära Adenauer eher defensiv im Zeichen der „Stabilisierung der Westbindung“. Diese reine Westbindung erwies sich in der Entspannungsphase des Kalten Krieges seit dem Ende der Krisen um Berlin und Kuba zunehmend als schwierig. Die Bundesregierung öffnete sich langsam auch nach Osten, zunächst zaghaft, im Rahmen der „Neuen Ostpolitik“ seit 1970 dann engagiert. Zudem war die Bundesrepublik seit Mitte der 1960er-Jahre zu einer ökonomischen Weltmacht herangereift, die vor allem seit Mitte der 1970er-Jahre auch bereit war, dieses ökonomische Potenzial außenpolitisch zu nutzen. Besonders im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften wuchs nun der Einfluss Bonns auf die westliche Politik; die EG selbst wuchs unter deutscher und französischer Führung zu einem vor allem ökonomischen Akteur in der internationalen Politik heran. Gerade das ökonomische Potenzial spielte auch im Prozess der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 1989/90 eine zentrale Rolle. Ohne die Vertiefung der europäischen Integration (Währungsunion, Vertrag von Maastricht) und erhebliche Wirtschaftshilfe für die Sowjetunion bzw. Russland wäre es nicht so schnell zu einer internationalen Einigung über die Deutsche Frage gekommen.

Lappenküper liefert eine souveräne Synthese der bundesdeutschen Außenpolitik zwischen 1949 und 1990. Das gilt insbesondere für den Forschungsüberblick, der die Hauptwerke und Probleme der Forschung angemessen berücksichtigt. Gleichwohl hat insbesondere der darstellende Teil eine methodische Schlagseite: Die Außenpolitik der Bundesrepublik wird vor allem als Resultat der politischen Entscheidungen einzelner Personen interpretiert, insbesondere der Bundeskanzler, obwohl in der Einleitung angekündigt wird, „Strukturbedingungen und Handlungsspielräumen nachzugehen“ (S. IX). Konsequenterweise setzt der Autor immer dort Zäsuren in der chronologischen Darstellung, wo Kanzlerwechsel stattfanden (nur Adenauer und Kohl erhalten jeweils zwei Kapitel). Nun soll die Bedeutung der Bundeskanzler für die Außenpolitik keineswegs bestritten werden, doch ist auch der Kanzler eingebunden in ein Geflecht von Strukturen, die seinen Handlungsspielraum einengen. Dazu gehören die Strukturen des internationalen Systems (Kalter Krieg, Europäische Integration), die Lappenküper weitgehend berücksichtigt; dagegen fehlen nahezu völlig die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen auf internationaler und nationaler Ebene. Dabei kann gerade die Bundesrepublik Deutschland als Beispiel für einen Staat gelten, der trotz eines im globalen Maßstab unbedeutenden militärischen Potenzials nahezu ausschließlich wegen seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit erheblichen internationalen Einfluss erlangte. Gerade die Frage, wie es der Bundesrepublik gelang, dieses wirtschaftliche Potenzial in politischen Einfluss umzusetzen, gehört zu den wichtigen Aspekten bundesdeutscher Außenpolitik, die im darstellenden Teil allenfalls angedeutet werden. Dabei zeigt Lappenküper in seinem gelungenen Forschungsüberblick, dass die Politik- und die Geschichtswissenschaft sich ausführlich mit dieser Frage beschäftigt haben, ja dass diese sogar zu einem Kernproblem in der Forschung avancierte (vgl. insbesondere S. 61-64).

Insgesamt jedoch liegt ein Werk vor, das besonders in der universitären Lehre, aber auch für künftige Forschungen eine solide Ausgangsbasis bilden wird. Damit setzt dieser Band die bewährte Tradition der Reihe fort.

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