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Titel
Hitler's Voice. The Völkischer Beobachter, 1920-1933; Vol. I: Organisation & Development of the Nazi Party, Vol. II: Nazi Ideology and Propaganda


Autor(en)
Mühlberger, Detlef
Erschienen
Anzahl Seiten
1083 S. in 2 Bde.
Preis
€ 137,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lars Jockheck, Seminar für Geschichtswissenschaft, Hellmut-Schmidt-Universität Universität der Bundeswehr Hamburg

Obschon niemand Publizistik und Propaganda eine große Bedeutung für den Aufstieg der NSDAP absprechen wird, ist gerade die recht gut überlieferte und leicht zugängliche Presse der Partei von der Forschung bislang eher wenig und nur selten systematisch untersucht worden. Das gilt sogar für das Zentralorgan der NSDAP, den „Völkischen Beobachter“ (VB). Auf dieses Desiderat weist Detlef Mühlberger eingangs seiner Sammlung und Übersetzung von Artikeln des VB aus den Jahren 1920 bis 1933 zurecht hin. In der nur acht Seiten langen allgemeinen Einleitung (Bd. 1, S. 17-24) stellt Mühlberger den übersichtlichen Forschungsstand zum VB und zur NS-Presse aber selbst verkürzt dar. Insbesondere versäumt er es, die nationalsozialistische Parteipresse in die Presse- und Mediengeschichte der Weimarer Republik einzuordnen und den eigenartigen Charakter der so genannten „Kampfblätter“ – die keine Zeitungen und Zeitschriften im herkömmlichen Sinne waren – herauszuarbeiten. Mangels Vergleichen wird auch die herausragende Bedeutung des VB nicht recht deutlich. Das Blatt erschien zwar noch bis Ende 1932 mit sehr beschränkten Mitteln im (von der politischen Metropole Berlin aus betrachtet) provinziellen München, war aber die auflagenstärkste und vor allem die Hitler nahe stehendste Zeitung der NSDAP (der Titel „Hitler’s Voice“ entspricht insofern der Selbsteinschätzung von Verlag und Redaktion des VB).1

Allerdings ist Mühlberger weniger ein Medienhistoriker, sondern sein Interesse gilt vor allem der Sozial- und Organisationsgeschichte der NSDAP. Dies schlägt sich in seiner Auswahl von Texten aus dem VB nieder. Der erste Band folgt in acht Kapiteln auf knapp 600 Seiten der Entwicklungsgeschichte der NSDAP von einem „peripheren Phänomen“ (S. 25) bis zum Beginn des „Dritten Reiches“. Jedem Abschnitt, der ein bis drei Jahre umfasst, ist eine etwa zehnseitige Einführung vorangestellt, darauf folgen insgesamt 261 Dokumente: Zusammenfassungen von Reden, Berichte über Parteiversammlungen, Verlautbarungen der Parteiführung, Meldungen über die Parteiarbeit.

Deutlich schmaler ist der zweite Band ausgefallen, der thematisch untergliedert ist: Hier geht es um die Angriffe auf das „Weimarer ‚System‘“ (S. 21-51), Rassismus (S. 53-103), sowie die spezifischen Angebote an die Arbeiter (S. 105-184), an den Mittelstand (S. 185-246), an die Bauern (S. 247-305) und schließlich an die Frauen (S. 307-360). Das Fortfallen so wichtiger thematischer Felder wie Religion und „Führerkult“ oder Außenpolitik begründet Mühlberger vor allem mit „Raumbeschränkungen“, im letzteren Fall aber auch mit der insgesamt untergeordneten Bedeutung dieses Themas in der NS-Propaganda vor 1933 (S. 11-19). Immerhin kommen nochmals 171 Dokumente zusammen, hauptsächlich Aufrufe, Zusammenfassungen von Reden und Berichte über Aktivitäten der Partei respektive ihrer Gliederungen.

Klassische publizistische Texte wie Leitartikel, Glossen und Kommentare sind in der Sammlung kaum vertreten, was auf den besonderen Charakter des Parteiorgans hinweist, dem es an publizistischer Kompetenz und Attraktivität mangelte. Seine Hauptaufgabe war bis 1933 die Binnenkommunikation innerhalb der NSDAP und ihre einheitliche Ausrichtung im Sinne der Münchner Parteiführung.

Die dokumentierten Artikel sind vom Herausgeber eher sparsam mit Literaturhinweisen sowie biografischen und sachlichen Anmerkungen versehen worden. Positiv hervorzuheben ist ihre Erschließung durch ein gemischtes Orts-, Personen- und Sachregister. Wer künftig für Forschung und Lehre nach Quellen zur Geschichte der NSDAP vor 1933 sucht, muss Detlef Mühlberger für seine umfangreiche Sammlungs- und Aufbereitungsarbeit dankbar sein. Da der VB in den meisten Universitätsbibliotheken wenigstens auf Mikrofilm vorhanden und zugänglich ist, wird dem deutschsprachigen Benutzer der Rückgriff auf die Artikel in ihrer Originalform nicht schwerfallen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Dokumentation darüber hinaus vielleicht auch einen Anstoß gibt, sich endlich einmal systematisch und in monografischer Form mit der gesamten Geschichte des VB auseinanderzusetzen.2

Anmerkungen:
1 Die wichtigsten von Mühlberger nicht berücksichtigten Beiträge sind: Hoser, Paul, Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der Münchner Tagespresse zwischen 1914 und 1934, Frankfurt am Main 1990 (zum Erwerb und zur wirtschaftlichen Basis des VB); Lemmons, Russel, Goebbels and Der Angriff, Lexington 1994 (zur Konkurrenz von VB und dem Berliner Gau-Organ „Der Angriff“); Stein, Peter, Die NS-Gaupresse 1925-1933, München 1987 (zur Einordnung des VB in das Gesamtgefüge der NS-Presse).
2 Als Vorbild könnte hier eine unlängst erschienene, gründliche Untersuchung zum Wochenblatt und Organ der SS dienen: Zeck, Mario, Das Schwarze Korps, Tübingen 2002.

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