Lingelbach, Gabriele (Hrsg.): Vorlesung, Seminar, Repetitorium. Universitäre geschichtswissenschaftliche Lehre im historischen Vergleich. München 2006 : Martin Meidenbauer, ISBN 3-89975-566-9 365 S. € 49,90

Pöppinghege, Rainer (Hrsg.): Geschichte lehren an der Hochschule. Reformansätze, Methoden, Praxisbeispiele. Schwalbach 2007 : Wochenschau-Verlag, ISBN 978-3-89974-294-7 213 S. € 24,80

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karl Christian Lammers, Universität Kopenhagen

Historikerinnen und Historiker, die an Universitäten tätig sind, verbringen einen großen und wichtigen Teil ihres akademischen Lebens mit der Lehre. Die Geschichte der Geschichtswissenschaft sollte deshalb nicht allein als Geschichte der Geschichtsschreibung verstanden werden; sie sollte auch die akademische Lehre in den Blick nehmen – was die Wissenschaftsgeschichte bisher kaum getan hat. Seit einiger Zeit wird aber verstärkt diskutiert, was „gute Lehre“ sei. Bekanntlich ist es nicht selbstverständlich, dass ein hervorragender Historiker und Wissenschaftler zugleich ein guter und inspirierender Universitätslehrer ist. Nicht zuletzt im Kontext der Studienreformen gibt es Anlass genug, um Bestandaufnahmen zu machen und näher zu betrachten, wie Geschichte an den Universitäten gelehrt wurde, gelehrt werden könnte oder sogar sollte – auch im Hinblick darauf, dass das Geschichtsstudium in Zeiten der Massenuniversitäten und der zunehmenden Verschulung für viele Studenten nicht zu einer wissenschaftlichen Karriere führt, sondern eher eine Durchgangsstation ist, um auf ganz anderen Gebieten tätig zu werden.

Der Sammelband, den Gabriele Lingelbach herausgegeben hat, geht auf eine Tagung zur Geschichte des universitären Geschichtsunterrichts zurück, die im Jahr 2003 an der Universität Trier stattfand.1 In elf Beiträgen wird versucht, die akademische Lehre sowohl in historischem wie auch in internationalem Vergleich vorzustellen. In zeitlicher Hinsicht reichen die Aufsätze von den Anfängen des wissenschaftlichen Geschichtsunterrichts zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur aktuellen Reformdebatte. Neben Deutschland (Matthias Middell) beziehen sie Österreich und die Schweiz ein (Daniela Saxer), die Tschechoslowakei (Pavel Kolár), Frankreich (Gabriele Lingelbach), die Niederlande (Christoph Strupp), Polen (Markus Krzoska), die USA (Konrad H. Jarausch) und Afrika (Andreas Eckert). Außerdem findet sich ein Beitrag über den arabistischen Unterricht im 19. Jahrhundert (Sabine Mangold). Direkte Vergleiche erweisen sich als schwierig, weil die Strukturen und Traditionen sehr unterschiedlich sind. In ihrer ausführlichen Einleitung hebt die Herausgeberin hervor, dass die Geschichte der Geschichtswissenschaft bisher fast ausschließlich als Vermittlung von historischem Wissen in schriftlicher Form untersucht worden sei; hingegen sei die Art und Weise der mündlichen Vermittlung noch kaum analysiert und präsentiert worden.

Freilich ist die mündliche Kommunikation auch viel schwieriger zu erfassen, weil sie eben nicht schriftlich ist – zumindest wenn man sich für die Praxis und nicht nur für theoretische Programmschriften zur Lehre interessiert. Der Sammelband hat sich deshalb einem komplexen Thema zugewandt, und die Umsetzung ist letztlich nur teilweise gelungen. Informativ und interessant ist der Band besonders als Darstellung der Institutionalisierung, der Rahmenbedingungen und der Strukturen der geschichtswissenschaftlichen Lehre in unterschiedlichen Ländern. Nützlich ist etwa Ernst Schulins Beitrag über die Geschichte der Vorlesung. Die Darstellung der Institutionalisierung hat insgesamt aber größeren Raum erhalten als die Schilderung von Formen und Inhalten der Lehre.

Der Band will nicht nur Einblicke in die Genese der geschichtswissenschaftlichen Lehre vermitteln; er möchte auch die aktuelle Diskussion in der Bundesrepublik zur Universitätsreform historisieren. Um das zu erreichen, hätte meines Erachtens noch expliziter verglichen werden müssen, vor allem zwischen der deutschsprachigen Lehre und der angelsächsischen. Als zusätzlicher Referenzpunkt wären auch die Erfahrungen der Reformuniversitäten zum Beispiel in Skandinavien wichtig gewesen, wo das Projekt in der geschichtswissenschaftlichen Lehre eine zentrale Rolle einnimmt.

Behandelt Gabriele Lingelbachs Sammlung historisch und vergleichend vorwiegend die Institutionalisierung der geschichtswissenschaftlichen Lehre an den Universitäten, befasst sich der von Rainer Pöppinghege herausgegebene Band mit der aktuellen Lage der Lehre und mit neuen Wegen und Formen in der Hochschuldidaktik. Der Band geht zurück auf eine Tagung von 2005 an der Universität Paderborn, bei der Historikerinnen und Historiker die didaktischen Probleme der Lehre im Fach Geschichtswissenschaft erörterten. Dabei ging es um Hochschulreform und Hochschuldidaktik, um Lehrformate und Methoden und um den Einsatz neuer Medien.2 Pöppinghege spricht in seiner Einleitung davon, dass die Lehre in Deutschland mit ihren traditionellen drei Elementen – das heißt Vorlesung, Seminar und Übung/Tutorium – eher konservativ sei. Das mag in vieler Hinsicht zutreffen, obwohl Pauschalisierungen bezüglich der Lehre mitunter zu kurz greifen. In den deutschen Historischen Seminaren tut sich inzwischen vieles – auch was Formen und Inhalte der Lehre betrifft.

Von außen gesehen ist es vielleicht eine Schwäche der deutschen Diskussion, dass die Probleme der Lehre eher theoretisch und zu wenig praktisch und erfahrungsgestützt angegangen werden. Deshalb ist es sehr begrüßenswert, dass die Praktiker, die neue Wege gegangen sind, in diesem Band darüber informieren können, wie sie die traditionellen und historisch bewährten Formen der Lehre – vor allem die Seminare – zu erneuern versuchen. Dargestellt wird, welche Möglichkeiten und Probleme dies für die Lehre hervorbringt. Informativ sind etwa die Beiträge von Karl Heinrich Pohl über Projektarbeiten und von Simone Lässig über das so genannte „modulare Blockseminar“. Auch E-Learning (Sabine Geldsetzer und Meret Strothmann) sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (Jan Hodel) werden in ihrer Bedeutung für den universitären Geschichtsunterricht eingehend diskutiert. Reflektiert werden zudem die gewandelten Rahmenbedingungen der geschichtswissenschaftlichen Lernprozesse.

Der letzte Schritt wird aber nicht gegangen. Zu diskutieren wäre nämlich, ob es in der Lehre ausreicht, fachliche und methodische Kompetenzen für künftige Historiker zu vermitteln, wenn wir wissen, dass die Mehrheit der Absolventen in ihrem späteren Berufsleben nicht als Historiker arbeiten wird. Eine neue dänische Untersuchung hat ergeben, dass sich nur etwa 40 Prozent der ausgebildeten Historiker in ihrer Berufstätigkeit nach dem Studium noch mit Geschichte befassen. Sich dieser Situation zu stellen ist eine große Aufgabe für die künftige Lehre und Didaktik. Fragen der fachlich soliden, aber fachübergreifenden Kommunikation und Vermittlung an unterschiedliche Zielgruppen müssen vermutlich einen größeren Stellenwert erhalten.

Die Lektüre der beiden Bände verdeutlicht, dass die akademische Lehre in der Geschichtswissenschaft – wie auch in anderen Universitätsfächern – oft nicht die gebührende Beachtung findet, weil sie in gewissen Hinsichten als banal betrachtet wird. Tatsächlich mag sie insofern banal sein, als sich ganz einfache Dinge immer wieder als unumgängliche Elemente einer guten Lehre herausstellen. Um nur wenige Punkte anzudeuten: Die Lehre muss eine klare Zielsetzung aufstellen, sie muss die zum Erreichen bestimmter Ziele geeigneten Methoden verdeutlichen, und sie muss nicht zuletzt schon in der Vorbereitung die Voraussetzungen der Lernfähigkeit bei den Studenten der jetzigen Massenuniversität mitbedenken. Über das vermeintlich Banale zu schreiben und zu reflektieren ist durchaus anspruchsvoll. In der entstehenden neuen Universität werden Wissensaneignung und Wissensvermittlung ebenso wichtig sein müssen wie die wissenschaftliche Erkenntnisproduktion im Rahmen der Forschung.

Anmerkungen:
1 Siehe dazu den Bericht von Olaf Blaschke: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=273>.
2 Siehe dazu den Bericht von Gunnar Grüttner: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=888>.

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