Pfalzgraf Ottheinrich (1502-1559) als Schuldeneintreiber?

Von
Fritz Grosse

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Pfalzgraf Ottheinrich (1502-1559) im Dezember 1536 von Neuburg an der Donau zu seinem "Oheim", dem polnischen Koenig Kasimir nach Krakau reiste, ritt in seinem Tross ein Zeichner mit, der von allen Stationen Veduten zu fertigen hatte. Neumarkt, Prag, Neisse, Krakau, Breslau, Berlin, Wittenberg, Zeitz ... insgesamt 50 Ansichten entstanden auf diese Weise. Für viele Städte ist es die früheste Ansicht überhaupt.

Zu Hause angekommen wurden die Skizzen ins reine gezeichnet, coloriert und in ein Album gebunden. Diesen einzigartigen Schatz verwahrt heute die Wuerzburger UB (Delin VI). Er wird bis 13. Mai in einer Ausstellung zum 500. Geburtstag des Fuersten in Schloss Neuburg an der Donau praesentiert. Schon seit dem Vorjahr ist das Album einer breiteren Oeffentlichkeit als kommentiertes Faksimile bekannt.1

Nach meiner Dissertation zur politischen Ikonologie bei Ottheinrich von der Pfalz (Uni Halle-Wittenberg) steht nun eine umfassendere Rezension dieser Faksimilebaende an. Ich bitte hierbei um Hilfe in einer schwierigen Frage: Es steht zu diskutieren, wozu der Pfalzgraf eigentlich diese Reise unternommen hat. Die Herausgeber der neuen Publikation folgen der aelteren Literatur, wonach Ottheinrich nach Prag und Krakau gereist sei, um dort ererbte, uralte Schuldforderungen einzutreiben.2 Dies scheint auch ein Schreiben an Herzog Wilhelm IV. von Bayern-Muenchen zu bestaetigen und tatsaechlich verhandelte Ottheinrich mit bescheidenem Erfolg auch in dieser Angelegenheit. Statt jedoch den kuerzesten Weg nach Neuburg zurueckzureiten, begab sich der fuerstliche Tross auf eine umstaendlich- weite Rueckreiseroute via Berlin und Wittenberg. Allgemein wird dies mit der "Reiselust" des Pfalzgrafen begruendet. Mit diesem Erklaerungsmuster eruebrigte sich bisher jedes weitere Nachdenken ueber moegliche andere Reisemotive. So blieb auch etwa ein moeglicher Rahmen tiefgreifender Konflikte ausser acht, die nur auf der obersten Ebene durch einen Vermittler geschlichtet werden konnten. Der Fuerst als reisender Diplomat zur Herstellung von Frieden und Eintracht? Im Kleinen lassen sich mehrere solcher Missionen Pfalzgraf Ottheinrichs verfolgen. Moeglicherweise auch hier?

Auf dem Symposium zu Pfalzgraf Ottheinrich im November 2001, dessen Ergebnisband vorliegt, wurde bereits erste Kritik an der bisherigen Begruendung geuebt.3 Die Frage also lautet weiterhin: Konnte ein Reichsfuerst allein zur Eintreibung von Schulden eine solche Reise unternehmen, wozu er im Grunde seine Raete und Diplomaten hatte, oder stand dies gegen den 'Ehrenkodex' der Zeit? Gibt es vergleichbare spaetmittelalterliche oder fruehneuzeitliche Beispiele, bei denen ein Fuerst offiziell und in eigener Person reiste, um seine Schulden einzutreiben?

Fuer jeden Hinweis in dieser Anglegenheit dankbar,

Fritz Grosse M.A.

1 Die Reisebilder Pfalzgraf Ottheinrichs aus den Jahren 1536/37: Von seinem Ritt von Neuburg an der Donau ueber Prag nach Krakau und zurueck ueber Breslau, Berlin, Wittenberg und Leipzig nach Neuburg. Hg. von Angelika Marsch u.a., 2 Bde., Weissenhorn 2001.
2 Kolberg, Joseph: Des Pfalzgrafen Ottheinrichs Ritt nach Polen 1536. In: Altbayerische Monatsschrift 14, 1917/18, S. 29-36; Petersohn, Juergen: Albrecht von Preussen und Ottheinrich von der Pfalz: Ein vergleichender Beitrag zur deutschen Fuerstenkultur und Bibliotheksgeschichte der Renaissance. In: Archiv fuer Kulturgeschichte 39, 1957, S. 323-360.
3 Pfalzgraf Ottheinrich; Politik, Kunst und Wissenschaft im 16. Jahrhundert. Red. Barbara Zeitelhack, Regensburg 2002, ISBN 3-7917-1802-9.

Zitation
Pfalzgraf Ottheinrich (1502-1559) als Schuldeneintreiber? , In: H-Soz-Kult, 16.04.2002, <www.hsozkult.de/query/id/anfragen-47>.
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