K. Bierther (Hrsg.): Die Politik Maximilians I. von Bayern 1618–1651

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Titel
Die Politik Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618–1651.


Herausgeber
Bierther, Kathrin
Reihe
Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Zweiter Teil 1631 (6)
Erschienen
Anzahl Seiten
LII, 1.783 S.
Preis
€ 399,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Johannes Arndt, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Der Quellenband ist ein weiterer Quader eines Jahrhundertwerks: Seit der Anregung durch Moriz Ritter werden die Quellen zur bayerischen Geschichte für die ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die Dreißigjährige Kriegszeit, herausgegeben. Es ist der elfte Band in einer Editionsreihe, die 1907 zuerst erschien und in unregelmäßigen Abständen fortgesetzt wurde. Herausgeber der verschiedenen Bände waren Walter Goetz, Arno Duch, Georg Franz, Hugo Altmann, Dieter Albrecht und nun Kathrin Bierther für Band 6. Der aktuellen Herausgeberin ist nicht genug zu danken, dass sie nach formellem Eintritt in den Ruhestand 2004 dennoch weiterhin die Mühen auf sich nahm, die nicht nur in Lektüre und Transkription der Dokumente in der teilweise schwer entzifferbaren Schreibung des 17. Jahrhunderts bestanden, sondern auch in der redaktionellen Betreuung des Quellenbandes mit seinen beiden Teilbänden und seinen XLV und 1783 Seiten Umfang. Allein das „chronologische Aktenregister mit alphabetischem Anhang“ macht 95 Seiten aus, das Orts- und Personenregister – besorgt durch Martin Hille – weitere 50 Seiten.

Dass diese Überlieferung heute noch greifbar und in großer Dichte auswertbar ist, verdankt die Forschung zwei Zufällen. Zum einen durchlebte Herzog Maximilian I. von Bayern, später zum Kurfürsten promoviert, den gesamten langen Krieg als Herrscher – er war bereits seit zwei Jahrzehnten bayerischer Landesherr, als der Krieg begann. Es gibt daher ein Moment der personellen Kontinuität, genauso wie das auch für seine Kollegen Ferdinand von Bayern, Kurfürst von Köln und Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen gilt. Zum anderen sind die Akten und Urkundenstücke in den Wechselfällen der inzwischen 400-jährigen Geschichte keinem Brand, keinem Hochwasser, keinem Bombenangriff und keinem U-Bahn-Bau-induzierten Archiveinsturz zum Opfer gefallen – ein weiterer glücklicher Umstand.

Inhaltlich schließt Bierther an den 5. Band der Editionsreihe an, in dem Dieter Albrecht 1964 den Zeitraum von Mitte 1629 bis Ende 1630 behandelt hat. Für diesen 6. Band reicht der Zeitrahmen von Januar 1631 bis in die ersten Januartage 1632. Auf den ersten Blick: Ein beliebiges Jahr eines dreißig Jahre dauernden Krieges? Auf den zweiten Blick ist es das Wendejahr des Krieges: Die katholische Seite aus Kaiser, geistlichen Kurfürsten und nicht zuletzt Maximilian von Bayern hatten 1630 den Höhepunkt ihrer Macht ausgekostet, nach dem Sieg über den Dänenkönig Christian IV. und der Verfügung des Restitutionsediktes, das nun noch seiner konkreten Umsetzung harrte. Der selbstherrliche Albrecht von Wallenstein war entlassen worden, man glaubte, ihn nicht mehr zu brauchen. Der Schwedenkönig war zwar im Juli 1630 in Pommern gelandet, er verfügte aber über begrenzte Truppenmacht und eher wenig Geld, wurde mithin nur für eine „Regionalmacht“ gehalten. Wie sehr sich alle Beteiligten täuschten, zeigte die zentrale Schlacht von Breitenfeld im September 1631. In zahlreichen Dokumenten kommt das Entsetzen der katholischen Seite über den Sieg Gustav Adolfs zum Ausdruck, und diese Seite musste nicht nur strategisch vollständig umdenken, sondern ihre Exponenten befanden sich selbst auf der Flucht in eine der gut befestigten Großstädte im Reich, um der feindlichen Soldateska nicht persönlich in die Hände zu fallen.

Der Reiz der Edition liegt vor allem darin, nicht die Spitzenadministrationen der großen europäischen Monarchien wahrzunehmen, sondern die Korrespondenz eines Reichsfürsten, der als mittelgroßer Fürst begann und seine Rolle als Neu-Kurfürst zunächst noch festigen musste. Maximilians Position beruhte auf seiner wohlgeordneten Landesverwaltung, auf seiner fiskalischen Potenz, die das Ligaheer trug, auf seiner Festigkeit im altkirchlichen Glauben und auf seiner diplomatischen Geschmeidigkeit, die es ihm ermöglichte, mit Kaiser Ferdinand II. umzugehen. Er kannte den Kaiser seit Jugendzeiten persönlich, dieser entstammte aber einer seit Jahrhunderten rivalisierenden Großdynastie. Dieselben Eigenschaften brauchte der Bayernfürst auch im Umgang mit den geistlichen Kurfürsten, die über kleinere Territorien und weniger Geld verfügten, in der Rangordnung des Reiches aber über dem Bayern standen. Das Reich, vor Kriegsbeginn in verfassungsrechtliche Teilparalyse gefallen, bestand auf der handelnden Seite in den 1620er- und frühen 1630er-Jahren im Wesentlichen aus diesen fünf Ständen: dem Kaiser, drei Erzbischöfen und dem Bayernkurfürst. Wenn von „Kurfürstentagen“ die Rede ist, dann waren diese Stände vertreten. Auf den Sachsen und den Hohenzollern konnte man kaum zählen und niemand rechnete mit ihrer Mitwirkung. Der Pfälzer befand sich gar in der Reichsacht und im holländischen Exil.

Die Quellenedition weist in chronologischer Ordnung 514 Quellennummern auf (teilweise mit mehreren Dokumenten), die in verschiedenen Archiven und Bibliotheken in Bamberg, Darmstadt, Dresden, La Courneuve, Ludwigsburg, Mantua, München, Rom, Wien und Würzburg aufbewahrt werden. Bei den meisten Dokumenten handelt es sich um Briefe, die Bierther gemäß den Editionsrichtlinien von Johannes Schultze bearbeitet hat.1 Die übrigen Quellenarten bilden Resolutionen, Instruktionen, Ausschreibungen, Protokolle, Memoriale, Verhandlungsakten und Vertragstexte. Jede Quellennummer hat ein Kopfregest, es folgt der Text teilweise im Wortlaut und teils in Zusammenfassung. Um Zusammenhänge verstehbar zu machen, wird an vielen Stellen ein „Bezug“-Absatz vorausgeschickt. Fremdsprachige Dokumente (lateinisch, italienisch, französisch) sind in der Originalsprache ohne Übersetzung eingefügt. Am Ende steht der Überlieferungsort mit der Archiv- oder Bibliothekssignatur, gelegentlich auch der Nachweis einer Quellenedition, in der der Text bereits herausgegeben worden ist. In zahlreichen Fußnoten hat die Herausgeberin verschiedene weitere Erklärungen hinzugefügt.

Inhaltliche Schwerpunkte bilden vor allem die Korrespondenzen der Münchner Regierung mit dem Kaiser, mit den geistlichen Kurfürsten sowie mit den Ligaverbündeten. Ein kleinerer Teil der Korrespondenz wurde mit auswärtigen Mächten (römische Kurie, Frankreich, Spanien, niederländische Generalstaaten) geführt. Briefe und Verhandlungen drehten sich vor allem um die Durchsetzung des Restitutionsedikts, um die gemeinschaftliche Sicherheit gegen Kriegsauswirkungen sowie um eigene Armierungen und die Beschaffung von finanziellen Mitteln zur Bezahlung der vereinigten Liga- und Reichsarmee, die unter Johann Tserclaes Graf Tilly in Norddeutschland operierte. Auf Forderungen und Gesprächsangebote des protestantischen Leipziger Bundes, der sich im Frühjahr 1631 unter kursächsischer Führung gebildet hatte, gingen Kaiser und Ligamitglieder nicht ein. Monatelang erhofften sich die Korrespondenten etwas vom geplanten Frankfurter Kompositionstag, auf dem Katholiken und Protestanten eine Friedensregelung finden wollten (S. 734–1050). Die Tagung sollte eigentlich im Februar 1631 beginnen, wurde aber auf den September verschoben und war dann nach der Schlacht von Breitenfeld im Grunde genommen obsolet geworden. Die spannendsten Teile der Edition behandeln im Vorfeld von Breitenfeld die Debatten um die Frage, ob die Liga Kursachsen militärisch angreifen sollte (der Bayernherrscher wollte dies nur, wenn der Wettinerkurfürst mit Schweden ins Bündnis einträte), und die entsetzte Reaktion der katholischen Fürsten auf die Niederlage des Ligaheeres, was die Ausweitung der Kriegshandlungen nach Sachsen, Thüringen, Franken und das Mittelrheingebiet zur Folge hatte.

Auch politisch delikate Probleme werden abgebildet. So hatte sich Kurfürst Maximilian im Mai 1631 im Vertrag von Fontainebleau mit Frankreich verbunden, um seine Lande vor einem feindlichen Angriff zu sichern. Die Zusage der bayerischen Neutralität verstieß aber eindeutig gegen die Vereinbarungen der Liga. Der Wittelsbacher geriet gegenüber dem Kaiser und den Ligafürsten in erhebliche Erklärungsnot, als das geheime Abkommen bekannt wurde. Die spanische Regierung ließ ihren Botschafter „XII Argumenta“ am Regensburger Konvent an die kaiserliche Seite übergeben, um den Einfluss Maximilians einzuschränken (S. 554–556). Die Edition verdeutlicht einmal mehr die Brüche im katholischen Lager, die der protestantischen Seite aber verborgen blieben, auch weil sie sie nicht sehen wollte.

Fazit: Die überaus verdienstvolle Quellenedition vermittelt selbst dem Kenner des Dreißigjährigen Krieges zahlreiche neue Wissens-Miniaturen und Milieuschilderungen des politischen Deutschland in der Mitte des Krieges. Der Kriegsabschnitt 1631 wird für gewöhnlich aus schwedischer Perspektive dargestellt, die Verhandlungen der katholischen Seite brechen mit Wallensteins Entlassung ab, um erst nach seiner Rückberufung wieder aufgegriffen zu werden. Dazwischen steht die Erschütterung über das brennende Magdeburg. Im Quellenband sieht man den mühsamen Kommunikationsprozess unter den Ligaständen, die gleichermaßen ihre Territorien zu sichern und höhere Liga-Finanzbeiträge zu vermeiden suchten. Stetig wiederkehrend sind die Hoffnungen der mindermächtigen Reichsstände, der Kaiser und Bayern möchten auf wundersame Weise den katholischen Reichsteil retten, eine Hoffnung, die auch dann noch nicht erlosch, als manche geistlichen Fürsten bereits ihre Schutzquartiere in Köln hatten beziehen müssen.

Die Fortführung dieses Jahrhundertwerks einer Quellenedition war daher nicht vergebens, der Blick auf das politisch-militärische Geschehen aus der Perspektive einer potenten Reichsfürstenkanzlei birgt tiefe Einsichten in die Mechanik des langen Krieges. So ist der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu wünschen, dass auch die Akten für den siebten Band des Editionswerkes eines hoffentlich nahen Tages aufbereitet werden können.

Anmerkung:
1 Johannes Schultze, Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 98 (1962), S. 1–11.

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