Deutsche Jagdflieger waren die von der NS-Propaganda zu „Popstars“ hochgelobten Helden des Zweiten Weltkrieges. Ihr Mythos hielt auch im Kalten Krieg an, da die führenden „Asse“ wie Erich Hartmann ihre gegenüber den Alliierten astronomischen Abschusszahlen gegen den neuen Feind im Osten erzielt hatten. Außerdem waren sie weder in die Massenmorde des rassistischen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion verwickelt noch von der Debatte über die moralische Fragwürdigkeit des Bombenkrieges betroffen. Dennoch waren sie Teil der von Jeffrey Herf treffend charakterisierten „reaktionären Modernisierung“ des NS, da ihre Flugzeuge von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert wurden. Auch erlebte die große Mehrheit der Piloten eine bedrückend andere Realität – im Kampf gegen die oft zehnfach überlegenen feindlichen Bomberpulks und deren Begleitjäger überlebten sie keine fünf Einsätze.
Zu deutschen Jagdfliegern gibt es viel autobiografische und – oft von ehemaligen Kriegsberichterstattern verfasste – populärwissenschaftliche Literatur, aber nur wenige seriöse Studien1 sowie Abschnitte in allgemeinen Standardwerken.2 Diese Lücke will Jens Wehner, langjähriger Historiker und Kurator am Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden, in seiner von Sönke Neitzel betreuten Dissertation zu Doktrin, Technik und Taktik der deutschen Jagdflieger mit einer „Verschmelzung von Methoden der Militär-, Technik- und Kulturgeschichte“, aber mit dem „Schwerpunkt in der Militärgeschichte“ (S. 57) schließen.
In den – zu langen – ersten Kapiteln analysiert Wehner die Luftkriegsdoktrin von Giulio Douhet und deren Praxis in der deutschen Luftwaffe bis zur verlorenen Luftschlacht von England. Seine zentrale These besagt, dass die deutsche Luftwaffenführung bis Mitte 1944 die Rolle der Jagdflugzeuge sträflich unterschätzte und einseitig der 1921 von Douhet aufgestellten Doktrin folgte. Schnelle, gut bewaffnete Bomber und zweimotorige Zerstörer sollten die gegnerische Luftwaffe am Boden und in der Luft besiegen. Die Luftschlacht um England bewies dagegen die Überlegenheit moderner Jagdflugzeuge mit immer stärkeren Motoren und verstärkter Feuerkraft. Doch anstatt das fehlerhafte Konzept an die Realität anzupassen und Jäger in Massen zu produzieren, versuchte die Luftwaffenführung das Problem durch Technik zu lösen und entwickelte immer neue, technisch unausgereifte Bomber- und Zerstörermodelle (He 177 und Me 210), die nie die Einsatzreife erreichten.
Selbst bei den Jagdflugzeugen wurde Douhet gefolgt und zu stark auf Geschwindigkeit statt auf Wendigkeit fokussiert. Dies zeigte sich bereits bei der durch Messerschmitts Lobbyarbeit unterstützte Wahl der Bf-109 zum Standardjäger. Erst der am 1.März 1944 von Karl-Otto Saur im Rüstungsministerium eingerichtete Jägerstab führte zur Konzentration auf die Jagdflugzeugfertigung mittels Untertageverlagerung und Steigerung der Produktion. Doch standen 1944 in Europa 25.000 deutschen Jägern 42.000 alliierte gegenüber (S. 439f.).
Die USA und die Sowjetunion hatten aus den deutschen Fehlern gelernt. Sie forcierten die von Wirtschaftsfachleuten gesteuerte Massenproduktion der (richtigen) Standardtypen und erzielten deutliche Skalenvorteile, während Deutschland in der letzten Kriegsphase „Wunderwaffen“ entwickelte, die kaum zum Einsatz kamen. Wehner kritisiert zu Recht die Mythologisierung und minimale militärische Bedeutung dieser aus verfehlter Offensivorientierung resultierten V-Waffen, an deren Stelle 24.000 zusätzliche Jagdflugzeuge hätten produziert werden können. Noch größer wäre diese Zahl, wenn die bestehenden Jagflugzeugtypen kontinuierlich weiterentwickelt und damit in Massen produziert wären, statt ständig neue, an einseitigen Höchstleistungen orientierte Typen zu entwickeln und dafür immer die Produktion umstellen zu müssen.
Neben zutreffenden finden sich auch inkonsequente oder zumindest diskussionswürdige Befunde. Skalenvorteile der Massenproduktion wären auch mit der Beschränkung auf ein zusätzliches zweimotoriges Mehrzweckflugzeug (Ju 88) erzielt worden, das sowieso gegen die britischen Nachtangriffe benötigt wurde. Ein weiteres von Wehner kritisiertes Mehrzweckflugzeug war das zweite Standardjagdflugzeug Fw-190, das wegen seiner hohen Tragfähigkeit und Robustheit an der Ostfront zusätzlich als Jagdbomber und Schlachtflugzeug eingesetzt wurde. Wehner bemängelt zudem die geringe Steigfähigkeit und Wendigkeit der Fw-190, obwohl er später die verstärkt bewaffneten und gepanzerten Sturmgruppen dieses Typs als erfolgreichstes Verteidigungskonzept gegen die amerikanische Bomberoffensive herausstellt. Einschränkend betont er jedoch, dass die Leistungsunterschiede zwischen einzelnen Flugzeugtypen in der Regel nur bei 10 Prozent lagen.
Erst nach 385 (!) Seiten kleinschrittiger und häufig redundanter Technikgeschichte folgt ein wichtiges Kapitel über Aufbau, Habitus und Mentalität der Jagdwaffe. Von den 18,2 Millionen Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS wurden nur 30.000 als Jagdflieger eingesetzt, die aber (nur leicht überhöhte) 70.000 Abschussmeldungen erzielten, davon 45.000 an der Ostfront. Die Hälfte davon entfiel auf nur 300 Flieger. Diese extreme Konzentration auf wenige hochprofessionelle Spezialisten zeigte sich jedoch auch bei den Westalliierten. Die deutschen Starpiloten wurden überproportional häufig hoch dekoriert. Von den nur 27-mal verliehenen Brillanten des Ritterkreuzes entfielen 9 auf Jagdflieger (28%), vom einfachen Ritterkreuz immer noch 8% auf eine gerade 0,2% umfassende Waffengattung (S. 380). Doch der große Unterschied zwischen den Kriegsgegnern war, dass die US-Amerikaner ihre Piloten nach 25 Einsätzen als Ausbilder in die Heimat schickten, während deutsche Piloten mit wenigen Ausnahmen bis zum Tod weiterfliegen mussten. Erich Hartmann erzielte seine 352 Luftsiege in 1.400 (!) Einsätzen, während das amerikanische „As“ Robert Johnson 28 Abschüsse in 91 Einsätzen erzielte.
Diese Zahlen unterstreichen das vom NS propagandistisch verklärte Prestige und Elitegefühl der Jagdflieger, das die in der Kampfesweise liegende Individualisierung weiter verstärkte. Ihre Erfolge beruhten auf der Kombination von „Schätzvermögen, physischer Stärke, Risikobereitschaft, Entscheidungsfreude, Intelligenz, fliegerischem Feingefühl“ (S. 490). Am erfolgreichsten war aber nicht der rücksichtslose Draufgänger, sondern der risikobewusste Typ, der in jahrelangem Üben sein Flugzeug und die Luftkampftechnik in allen Extremsituationen zu beherrschen gelernt hatte. Doch die große Mehrheit der Jagdflieger erreichte diese Meisterschaft nicht, zumal die Ausbildungsdauer in der zweiten Kriegshälfte weit unter derjenigen der Westalliierten lag. Auswüchse dieser Individualisierung der Jagdflieger und ihrer „Stars“ waren neben Alkoholkonsum und Vergnügungssucht auch die Infragestellung der militärischen Hierarchie, die Anfang 1945 zum erfolglosen „Aufstand der Jagdflieger“ gegen Hermann Göring führte.
Auswahl, Struktur und Gewichtung des Werkes sind leider unausgewogen und nicht immer nachvollziehbar. Aufgrund der viel zu ausführlichen Behandlung von Douhets Luftkriegsideologie bleibt zu wenig Raum für die Darstellung und Diskussion der Kriegszeit. Der Luftkrieg an der kriegsentscheidenden Ostfront (Overy) wird fast komplett ausgeblendet; zu knapp bleibt die Analyse der Abwehrmöglichkeiten gegen den westlichen Bombenkrieg. Kulturgeschichtliche Aspekte sind zu wenig berücksichtigt, um den Anspruch einer Neuen Militärgeschichte zu erfüllen, zu techniklastig die Details. Dies wirkt sich leider auch auf die sehr trockene Sprache aus. Insgesamt legt Wehner auf breiter Literaturbasis und unter Berücksichtigung der nicht bei Kriegsende zerstörten Archivalien eine technikorientierte Arbeit vor, die zwar wichtige Erkenntnisse liefert, aber den Anspruch der Integration von Gesellschafts- und Kulturgeschichte nicht erfüllen kann. Dabei bleibt das Buch, wie bereits der etwas unglückliche, auf einem Zitat des Generalluftzeugmeisters Erhard Milch beruhende Titel andeutet, letzten Endes eine militärwissenschaftlich erweiterte Technikgeschichte der deutschen Jagdwaffe, deren Entwicklung durch militärpolitische Doktrinen gesteuert wurde, ohne die in den ersten Kriegsjahren gewonnenen Erfahrungen ausreichend zu berücksichtigen.
Anmerkungen:
1 Stefanie Schüler-Springorum, Krieg und Fliegen. Die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg, Paderborn 2010; Christian Kehrt, Moderne Krieger. Die Technikerfahrungen deutscher Militärpiloten 1910–1945, Berlin 2003.
2 Lutz Budraß, Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutschland 1918–1945, Düsseldorf 1998; Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, Bonn 2007; bis heute wegweisend Richard Overy, Die Wurzeln des Sieges. Warum die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewannen, Stuttgart 2001; ders., Der Bombenkrieg. Europa 1939–1945, Berlin 2014.