Titel
Fame di Guerra. L'occupazione italiana della Grecia (1941-1943)


Autor(en)
Fonzi, Paolo
Erschienen
Rom 2019: Carocci
Anzahl Seiten
216 S.
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Franziska Zaugg, Historisches Institut, Universität Bern

Bereits die Einleitung von Paolo Fonzis Werk über die italienische Besetzung Griechenlands ist ein interessantes und aufschlussreiches Leseerlebnis. Fonzi steigt mit der italienischen Filmgeschichte ein, die im Gegensatz zur Historiographie der 1950er-Jahre einige kritische Werke zu bieten hat. Dabei greift er das Element „Hunger“ (fame) heraus, denn der Titel seiner Untersuchung kann auf verschiedene Weisen gelesen werden. Da ist einerseits Mussolinis Kriegshunger, die unersättliche Lust auf Expansion, andererseits aber auch der sehr reale Hunger italienischer Soldaten in Griechenland – ein wesentliches Verbindungsmerkmal zur Hunger leidenden griechischen Bevölkerung; wohlgemerkt, eine der schlimmsten Hungerkatastrophen, die von Großmächten während des Zweiten Weltkriegs heraufbeschworen wurde.

Paolo Fonzi schreibt bescheiden, dass er mit seiner Studie eine Forschungslücke schließen möchte. In diesem Falle scheint es allerdings mehr zu sein als nur eine Lücke. Denn erstens ließ die italienische Historiographie jahrzehntelang einen kritischen Umgang mit der eigenen Vergangenheit während des Zweiten Weltkriegs vermissen und zweitens existiert bisher kein vergleichbares Werk, welches nicht auf die deutsche, sondern explizit auf die italienische Besatzung Griechenlands fokussiert (S. 9). Fonzi konzentriert sich in seiner Untersuchung auf sozialgeschichtliche Aspekte, beispielsweise indem er die Interdependenzen zwischen Besatzung, Widerstand und Kollaboration aufzeigen will, die nicht nur die Handlungsweise der militärischen Elite, sondern auch Überlebensstrategien der Zivilbevölkerung beeinflussten. Richtig schreibt Fonzi, dass erst in den letzten Jahrzehnten eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Italiener in Südosteuropa und Griechenland eingesetzt habe, etwa durch Lidia Santarelli, Marco Clementi, Davide Rodogno, Mark Mazower oder Hagen Fleischer. Dass späte Einsetzen der Erforschung italienischer Besatzungsstrategien in Griechenland spiegle einerseits die von Italien gewählte Opferrolle wider, andererseits aber auch den Unwillen der italienischen Armee, ihre Archive kritischen Forscherinnen und Forschern zu öffnen.

Die Publikation gliedert sich in drei Teile, „Krieg und Besetzung (1940–41)“, „Die Besatzungsgesellschaft (1941–43)“, „Von der Stabilisierung zur ,verbrannten Erde‘ (1942–43)“. Der erste Teil widmet sich in verschiedenen kleineren Kapiteln dem Krieg, der seit Oktober 1940 von Mussolini gegen Griechenland geführt wurde, und dem Aufbau militärischer als auch ziviler Dienststellen, als erster Schritt der Befriedung. Dabei hebt Fonzi hervor, dass das Projekt „Griechenlandfeldzug“ wesentlich zur Schwächung Italiens innerhalb der Achse beigetragen habe, welches fortan eine dem Dritten Reich untergeordnete Rolle einnahm. Als Hitler am 8. Oktober 1940 Truppen in Rumänien einmarschieren ließ, trieb Mussolini aus Angst vor einer deutschen Vorherrschaft im Balkan die Besetzung Griechenlands voran. Nach einem Ultimatum an Metaxas am Tage zuvor, griffen am 28. Oktober 1940 140.000 italienische Soldaten Griechenland an (S. 22). Fonzi unterteilt den Krieg gegen Griechenland in vier Phasen, die mitunter von Niederlagen der Italiener gekennzeichnet waren. Erst die letzte Phase führte mithilfe deutscher Verbände zum Sieg der Achsenmächte und Bulgarien.

Aufgrund fehlender Studien sei schwierig nachzuvollziehen, wie die große Masse der italienischen Soldaten am Anfang der Invasion dachten. Aus Tagebüchern wird ersichtlich, dass die Soldaten den Feldzug nicht nur als nationalen Prestigeakt sahen, sondern auch als Gelegenheit zu reisen und der Monotonie ihres Alltags zu entgehen. Doch schon bald sollte sich in den Reihen der Soldaten Fatalismus breit machen. Die asymmetrische Kriegführung, bei welcher der Gegner aus dem Hinterhalt agierte, rief bei den Soldaten das Gefühl hervor, von Partisanen umzingelt zu sein. Dazu trug auch bei, dass italienische Einheiten, welche zusammen ausgebildet worden waren, vor Ort oft auseinandergerissen wurden und nicht gemeinsam im Einsatz standen.

Zu den wichtigsten Aufgaben des neuen italienischen Besatzungsregimes gehörten die Aufrechterhaltung der militärischen Sicherheit, Kriegführung, Überwachung der öffentlichen Verwaltung, Ausbeutung der landeseigenen Ressourcen zugunsten der Kriegswirtschaft der Achsenmächte sowie das Vorantreiben der Entwicklung von Landwirtschaft, Industrie und Handel. Wie in anderen Balkanstaaten auch führte die doppelte Besatzung Griechenlands zu ständigen Konflikten zwischen italienischen und deutschen Dienststellen. Die nur dürftige Anerkennung der Regierung Tsolàkoglou, viele Regierungsmitglieder waren Militärs, war dem Umstand geschuldet, dass ein großer Teil der ehemaligen politischen Elite sich aus der Politik zurückzog, um weder gegen die noch mit der Besatzung arbeiten zu müssen.

Im Kapitel „piani e realtà“ (Pläne und Wirklichkeit) erörtert Fonzi die italienischen Pläne zum Umgang mit Griechenland nach Kriegsende. So beispielsweise sollten die Grenzen des ebenfalls unter italienischer Herrschaft stehenden „Großalbaniens“ noch ausgedehnt und gegebenenfalls auch Teile Griechenlands, etwa die Region Ciamuria (Çamëria/Tsamouriá) abgetreten werden. Zudem war Griechenland auch Teil der italienischen Expansionsstrategie mit dem Ziel eines „spazio mediterraneo“ (Mittelmeerraum). In den Plänen der Italiener kam Griechenland dabei die Rolle eines Übergangsraumes zwischen Orient und Okzident zu, eine „Erschließungsgrenze“ (nach Jürgen Osterhammel), die variabel, verschiebbar und in kontinuierlicher Bewegung sein sollte. Obwohl Griechenland nicht als Kolonie angesehen wurde, schmiedete der italienische Faschismus in diesem Raum dennoch Pläne für eine Zivilisierungsmission (S. 38).

Drei Faktoren führten schließlich zur Hungersnot: die Krise der Nahrungsmittelproduktion, der Zusammenbruch der Importe und die Okkupationspolitik der Besatzungsmächte. Der Einbruch von Importprodukten hing mit der Seesperre der Briten zusammen und mit der Unfähigkeit der Achsenmächte, jene traditionellen Importwege durch neue zu ersetzen, welche sich innerhalb des eigenen Einflussbereichs befunden hätten. Hinzu kam, dass Gebiete wie Thrakien und Mazedonien als Nahrungsmittellieferanten aufgrund der Entscheidung der Bulgaren, diese von anderen griechischen Landesteilen zu isolieren, ganz wegfielen (S. 62). Insbesondere in den Städten, vor allem in Athen, forderte die Hungersnot schon 1941 bis1942 zahlreiche Todesopfer. Zwischen April 1942 und April 1943 nahm die Mortalität dank besserer meteorologischer Verhältnisse, frischer Produkte und dem Einsetzen der Kornlieferungen durch das Rote Kreuz ab. Nach der italienischen Kapitulation verschlechterte sich die Situation unter anderem durch eine enorme Inflation wieder.

In die Nahrungsmittelkrise mischten sich andere wesentliche Punkte, die zu einer Verschlechterung der innergesellschaftlichen Beziehungen führten: Etwa die Instrumentalisierung bereits schwelender interethnischer Konflikte, in Ciamuria zwischen muslimischer und orthodoxer Bevölkerung oder zwischen den Vlachen oder auch der slawischstämmigen Bevölkerung und der griechisch-orthodoxen Mehrheitsbevölkerung. Kleinere Unterkapitel widmen sich einzelnen Facetten, die stete Begleiter von Besatzungsherrschaften sind: Beispielsweise die Korruption innerhalb des Militärs, aber auch die Gratwanderung von Übersetzern und Informanten. Ein außerordentlich aufschlussreiches Kapitel bietet „Fidanzate, Prostitute“, das offenbart, aufgrund welcher Handlungszwänge sich griechische Frauen mit Italienern einließen, wie diffus die Trennlinie zwischen Prostitution und Beziehung war und welche Stigmatisierung diese Frauen nachträglich erfuhren.

Ein wiederkehrendes Thema in Fonzis Studie ist die von den Besatzern verübte, angeordnete und tolerierte Gewalt. Den Fokus auf diese zu richten, ist ein großer Mehrwert der Studie, war doch lange das Bild von den angeblich vergleichsweise harmlosen italienischen Soldaten vorherrschend. Dieses Bild dekonstruiert Fonzi für die Region Griechenland mit zahlreichen Fakten zu unterschiedlichen Zeiträumen: Von einem ersten Kapitel zur Gewalt im ersten Besatzungsjahr führt Fonzi zur Steigerung der Gewalt im zweiten und dritten Besatzungsjahr. Anschließend beschreibt Fonzi eindrücklich die Steigerung der Gewalt im Zeitraum Februar bis März 1943, die in einem dialektischen Verhältnis zu den erstarkenden Widerstandsbewegungen stand. In den letzten Monaten der Besatzungsherrschaft folgt die breit angelegte Zerstörung materieller Güter, die von einer Bürokratie orchestriert wurde, die mit jener der deutschen Verwaltung in Weißrussland vergleichbar sei (S. 186).1

Am Ende des Buches steht auch das Ende der italienischen Besatzung, das allerdings für die Griechen kein Ende, sondern den Anfang der deutschen Besatzung bedeutete. Was fehlt, ist ein abschließendes Fazit, das neue Erkenntnisse und weiterführende Fragen zusammenfasst. Obwohl die Studie nur rund 200 Seiten lang ist, vermag sie ein detailliertes Bild über die italienische Besatzung als auch der davon betroffenen Bevölkerung zu zeichnen. Paolo Fonzi ist ein eindrücklicher Einblick in die Zeit der italienischen Besatzung Griechenlands gelungen, welcher an zahlreichen Beispielen die Dimension und das Zusammenspiel von Gewaltherrschaft, Hunger und Widerstand offenlegt. Es ist zu hoffen, dass dieses Werk bald auch in deutscher oder englischer Sprache erscheinen wird.

Anmerkung:
1 Christian Gerlach, Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrussland 1941–1944, Hamburg 1999.

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