Konzilien und die Welt der Klöster

Konzilien und die Welt der Klöster

Veranstalter
Internationale Gesellschaft für Konziliengeschichte (Johannes Grohe, Thomas Prügl), FOVOG - Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte an der Universität Dresden (Mirko Breitenstein), Sächsische Akademie der Wissenschaften (Gert Melville)
Veranstaltungsort
TU Dresden, Dülfersaal, Mommsenstr. 13
Gefördert durch
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Freistaat Sachsen im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern
PLZ
01069
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.09.2021 - 02.10.2021
Deadline
15.09.2021
Von
Federica Giordani, Römische Institut der Görres Gesellschaft

Die Internationale Gesellschaft für Konziliengeschichte veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte an der Universität Dresden und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften eine Tagung zur Konziliengeschichte mit dem Thema: "Konzilien und die Welt der Klöster".

Konzilien und die Welt der Klöster

Konzilien und Synoden waren stets bevorzugte Instrumente der Kirche, Glaubensinhalte zu definieren sowie Lehrstreitigkeiten zu entscheiden. Daneben wurde auf Konzilien aber auch Recht gesprochen und Fragen der Disziplin und Organisation der Kirchen behandelt. Das Mönchtum oder die Orden scheinen in diesem Zusammenhang kaum vorzukommen, da monastische Regeln oder Ordensstatuten weniger die Kirche als ganze oder einzelnen Diözesen betrafen, sondern eher Ausdruck einer individuellen Frömmigkeit waren oder auf Lebensformen abzielten, die keine öffentliche Relevanz im kirchlichen Leben beanspruchten. Darüber hinaus haben sich die Orden selbst weniger an Konzilien als vielmehr an das Papsttum gewandt, wenn sie Privilegien oder Schutzbriefe benötigten oder um die Approbation von Statuten und Regeln nachsuchten. Im Gegensatz dazu befasste sich ein Großteil synodaler Gesetzgebung über die Jahrhunderte hinweg bevorzugt mit dem Standesrecht des Weltklerus, mit Fragen der Kirchenfinanzierung oder der Regelung von Liturgie und Katechese. Die vita religiosa scheint auf Konzilien daher keine größere Aufmerksamkeit erfahren zu haben. Doch dieser Eindruck trügt. Blickt man genauer in die Geschichte des Konzilslebens der Kirche, wird man schnell feststellen, dass Mönche und Ordensleute auf Konzilien nicht nur gewichtigen Einfluss besaßen, sondern auch dass die Orden selbst häufig Gegenstand synodaler Beratungen und konziliarer Legislation waren.

Die Tagung setzt sich daher zum Ziel, die Relevanz von Orden und Religiosen auf Konzilien in dieser doppelten Perspektive zu untersuchen: Zum einen hinsichtlich der Rolle von Religiosen als Konzilsteilnehmer und ihre damit verbundenen Rollen, zum anderen hinsichtlich des monastischen bzw. regulierten Lebens selbst, insofern es Gegenstand synodaler Diskussion und Legislation wurde. In dieser Fragestellung soll einerseits zum Ausdruck kommen, inwieweit kirchliche Entscheidungsprozesse von Mitgliedern bestimmter Orden und damit von Vertretern bestimmter theologischer oder geistlicher Schulen geprägt, beeinflusst oder durchgesetzt wurden, andererseits soll das Augenmerk auf Loyalitäten gelegt werden, denen Vertreter von Orden verpflichtet waren. In beiden Blickrichtungen soll thematisiert werden, ob und inwiefern auf Konzilien Weltklerus und Ordensklerus rivalisierten bzw. kooperierten und ob religiös-monastische Affiliationen die Entscheidungsfindung beeinflussten.

Um in dieser Fragestellung historisch belastbare Befunde zu erhalten, wird man zunächst zwischen ökumenischen Konzilien, die also die Universalkirche betrafen, und Provinzialkonzilien, die das kirchliche Leben auf regionaler und lokaler Ebene reglementierten, unterscheiden. Waren die Fragen des monastischen Lebens von solcher umfassender Tragweite, dass sich ein Universalkonzil damit befassen musste, oder gab es nur lokalen Regelungsbedarf in solchen Fragen, der idealerweise auf Provinzialkonzilien erfolgen konnte? Diese Unterscheidung läuft auch auf die Frage nach der zuständigen Autorität in diesen Kontexten hinaus. Vor dem Hintergrund grundsätzlicher Bestrebungen von Orden, sich der Autorität des Ortsbischofs zu entziehen (Exemtion) und mit dem Anspruch universalkirchlicher Verankerung und überregionaler Tätigkeit rechtliche Selbständigkeit zu gewinnen, erhält diese Forschungsfrage eine besondere Brisanz. Wo und in welchen Zusammenhängen gerieten exemte Klöster, Orden oder monastische Verbände dennoch in die Zuständigkeit bischöflicher bzw. konziliarer Autorität (egal ob individuell oder kollektiv-synodal), oder wo gelang es den Orden, diese abzuwehren und auf übergeordnete Privilegien zu insistieren? Vor diesem Hintergrund kann die Behandlung und Erörterung von Angelegenheiten diverser Orden auf Konzilien auch den Blick auf den unterschwelligen Kompetenzkampf zwischen päpstlicher und konziliarer Autorität freigeben. Umgekehrt lohnt es sich zu untersuchen, ob die universalkirchliche Autorität des Papstes und damit sein Jurisdiktionsprimat nicht auch durch die Regelung von Fragen des Ordenslebens und individueller Orden selbst profitierte.

Einige Beispiele mögen die Relevanz der Fragestellung beispielhaft unterstreichen. Eine berüchtigte Rolle spielten Mönche auf den beiden Konzilien von Ephesus 431 und 449, wo die alexandrinische Partei die Einheitschristologie des Kyrill von Alexandrien gegen duophysistische Konzepte der antiochenischen Tradition durchzusetzen versuchte. Mönche traten hier weniger als theologische Experten denn als Mob und „pressure group“ auf und schreckten auch vor Handgreiflichkeiten gegen den theologischen Gegner nicht zurück. Der christologische Streit wurde weiterhin von dem Archimandrit und Mönch Eutyches befeuert. Seine Position wurde jedoch auf dem Konzil von Chalkedon verurteilt, was nicht nur zu einer Abspaltung der Monophysiten von der Reichskirche führte, sondern auch zu einer theologischen Entfremdung großer Teile des östlichen Mönchtums. Dass das frühe Mönchtum auch ein überregionales Disziplinproblem darstellte, belegen ferner die Kanones von Konzilien im 4. und 5. Jahrhundert, worin die ortskirchliche Bindung von Mönchen dekretiert wurde und sie unter die jeweilige bischöfliche Autorität gestellt wurden. Die Maßnahmen zeigen, dass man in vielen Mönchen ein latentes Ärgernis und Unruhepotenzial sah, dem man mit einer Akzentuierung bischöflicher und konziliarer Autorität begegnete. Als überaus interessierte und kirchenpolitisch agitierende Gruppe traten Mönche auch in den monergetisch-montheletischen Synoden des 6. Jahrhunderts auf. Wie hier so zählten Mönche auch in der Zeit des Bilderstreits im 8. und 9. Jahrhundert zu den treibenden Kräften und repräsentierten die extremen Positionen, welche die großen Konzilien letztlich in die Schranken wies.

In der lateinischen Kirche des zweiten Jahrtausends treten ganz neue Formen des Ordenslebens auf: Zisterzienser, Prämonstratenser, Kartäuser, (reformierte) Regularkanoniker, Bettelorden und selbst Ritterorden spiegeln die Vitalität und Vielfältigkeit der mittelalterlichen Kirche und stellen sich in den Dienst einer nun als universal verstandenen Kirche und ihrer „Reform“. Mit charismatischen Gründungsfiguren wie etwa Bernhard von Clairvaux, Norbert von Xanten, Franz von Assisi oder Dominikus von Caleruega gewann die Kirche neue charismatische Autoritäten jenseits der traditionellen Ämter von Bischof und Abt, die ihre Spuren auch im konziliaren Leben der Kirche hinterließen. Ein Bernhard von Clairvaux etwa initiierte und dominierte lokale Synoden in Frankreich, auf denen progressive Theologen verurteilt wurden. Papst Innozenz III. lud zum Vierten Laterankonzil nicht nur Bischöfe, Kardinale und Fürsten ein, sondern auch Vertreter der Orden und deren Vorsteher und weist damit auf neue Machtzentren in der Kirche, nämlich die nun universal agierenden neuen Orden, hin. Individuelle Ordensvertreter spielten seither wichtige Rollen auf Konzilien des Mittelalters und der Neuzeit. Meist waren sie als theologische Experten gefragt, wie Thomas von Aquin oder Bonaventura, die beide im Umfeld des Konzils von Lyon 1274 das Zeitliche segneten, daneben agierten sie aber auch als Exponenten einer Kirche, die sich als Repräsentation der gesamten christianitas verstand und die sich der Expertise und dem Einfluss der großen Orden in bevorzugter Weise bediente. Daneben wurden auf Konzilien aber auch (Re-) Formen des Ordenslebens der monastischen Disziplin und der Kompetenzzuweisungen erörtert und geregelt. Das Vierte Laterankonzil etwa verpflichtete alle Mönchsorden zur regelmäßigen Abhaltung von Ordenskapiteln, es erließ ein Verbot neuer Bettelorden, verbot Äbten, sich bischöfliche Amtsvollmachten anzumaßen und untersagte Ordensleuten, von Laien den Kirchenzehnt entgegenzunehmen. Das Zweite Konzil von Lyon (1274) schaute mit Sorge auf die Vielzahl neuer Ordensgemeinschaften und unterstellte sie der bischöflichen Autorität. Auf dem Konzil von Vienne (1311) wurden die bis dahin umfangreichsten und detailliertesten universalkirchlichen Verfügungen für Ordensangehörige erlassen. Sie reichen von den kanonischen Voraussetzungen und Folgen bei einem Ordenswechsel, über Kleider- und Verhaltensvorschriften bis hin zu vermögens- und standesrechtlichen Fragen bei Ordensangehörigen. Der Umfang der Dekrete, die allesamt ins mittelalterliche Kirchenrecht eingingen, zeigt, welche Präsenz und Bedeutung Orden mittlerweile für das kirchliche Leben erreicht hatten und wie dringlich deren Regelung auf universalkirchlicher Ebene erachtet wurde.

Die Normierung des Ordenslebens, allen voran der Ausbildung der Novizen wurde auch auf dem Konzil von Trient zu den vordringlichen Reformagenden gerechnet, die die katholische Kirche reformieren, erneuern und gegenüber den neuen Konfessionen der Reformation abgrenzen sollte. Die tridentinischen Reformdekrete verdeutlichen das hohe Interesse der Kirchenleitung, ein traditionell vielfältiges und auch am Beginn der Neuzeit kaum überschaubares Ordenswesen in den Dienst einer neuen katholischen Identität einzubinden. Nach dem Tridentinum nahm sich schließlich auch das Zweite Vatikanische Konzil dem Ordenswesen als solchem an. Ein eigenes Dekret (Perfectae caritatis) wurde der Erneuerung des Ordenslebens gewidmet, worin sowohl die besondere geistliche Berufung von
Ordensleuten, eine Theologie des regulierten Lebens als auch deren Vielfalt, seine kanonischen Formen sowie neue Wege der Verwirklichung aufzeigt wurden.

Das Thema „Mönchtum und Orden auf Konzilien“ erweist sich daher in historischer Perspektive als ein ungemein reiches Feld komparativer und individueller Forschung, um die Verzahnung von hierarchischer Kirchenleitung, charismatischen Impulsen und der Diversifizierung von Kirche und Christenheit mittels der repräsentativen Institution Konzil zu beleuchten. Die Tagung wird neue Einsichten nicht nur hinsichtlich dem Handeln und dem Einfluss von Orden sowie der kirchlichen Wahrnehmung und gelegentlichen Instrumentalisierung derselben bringen, sondern auch neues Licht auf Konzilien als Formen der kollegial ausgeübten Kirchenleitung werfen und ihre thematischen Weite werfen. Denn Konzilien unterlagen in ihrer Konsensfindung und Entscheidungen weitaus mehr Einflüssen als nur den Überlegungen und Interessen des versammelten Episkopats und des (präsenten oder absenten) Papsttums. Als Indikatoren von kirchlichen Transformationsprozessen eignen sich Konzilien, historische Entwicklungen präziser zu beschreiben, die Realität des gesellschaftlich Lebens und seiner Akteure deutlicher zu erfassen, neue Felder sozialen und religiösen Handelns in der Geschichte zu erschließen und Konstanten nachzuspüren, die für die Identität und Kohärenz von Kirche zu jeder Zeit unverzichtbar waren.

Programm

Donnerstag, 30.09.2021

14:00 Uhr Eröffnung

14:15 Uhr: RICHARD PRICE (London): Monasticism at the Early Ecumenical Councils
15:00 Uhr: JOSEF RIST (Bochum): Die Synode von 536 in Konstantinopel und das Mönchtum
15:45 Uhr: HEINZ OHME (Berlin): Der Mönch Maximus Confessor († 662) und die Autorität von Synoden

Pause

17:00 Uhr: PETER BRUNS (Bamberg): Die nordmesopotamischen Klöster und ihr Einfluss auf das ostsyrische Synodenwesen – online
17:45 Uhr: EVANGELOS CHRYSOS (Athen): Teilnehmer aus den großen monastischen Zentren des Ostens auf der „Synode“ von 843 in Konstantinopel zur feierlichen Wiederherstellung der Verehrung der Ikonen – online
18:30 Uhr: LUISE MARION FRENKEL (São Paulo): The reception of Nicaea and the development of monasteries under the Arian and Nicene bishops – online (13:30 Uhr Ortszeit São Paulo)

Freitag, 01.10.2021

8:30 Uhr: Pablo DE LA CRUZ DÍAZ MARTÍNEZ (Salamanca): Vigilanza conciliare e patrimonio monastico nella Hispania visigota
9:00 Uhr: ALBERTO FERREIRO (Seattle): Virgins, Religious Widows, Monks, and Priscillianism: Monastic and Ascetical Legislation in the Hispano-Roman / Suevic-Visigothic Councils

9:30 Uhr Diskussion

9:45 Uhr: GERT MELVILLE (Dresden): Konzilien und Generalkapitel der Orden im Mittelalter – ein struktureller Vergleich
10:30 Uhr: MIRKO BREITENSTEIN (Dresden): Beschränkungen der Aufnahme von Novizen in Klöstern und Orden durch Konzile und Beschränkungen des Austritts aus dem Kloster

Pause

Kurzreferate:
11:30 Uhr: ŁUKASZ ŻAK (Rom): I monaci „pericolosi“ e i concili carolingi
11:50 Uhr: FILIPPO FORLANI (Rom): I monaci presenti nel Concilio di Pisa 1135

12:10 Uhr Diskussion

Mittagspause

14:30 Uhr: ANSGAR FRENKEN (Ulm): Speerspitze der Reform? Orden und Ordensleute auf dem Konstanzer Konzil
15:15 Uhr: JOHANNES GROHE (Rom): Die Rolle des Ordensgemeinschaften auf den Konzilien des spanischen Spätmittelalters

Pause

16:30 Uhr: JOHANNES HELMRATH (Berlin): Prämonstratenser auf dem Basler Konzil
16:50 Uhr: THOMAS PRÜGL (Wien): Mendikantenprivilegien und Armutsstreit auf dem Konzil von Basel

17:10 Uhr Diskussion

Pause

17:30 Uhr: THOMAS WOELKI (Berlin): Exemte Orden auf Diözesansynoden des Spätmittelalters
18:15 Uhr: NELSON H. MINNICH (Washington): Religious Orders Caught in the Struggle Between the Councils of Pisa-Milan-Asti-Lyon and Lateran V – online (12:30 PM Eastern time)

Samstag, 02.10.2021

9:00 Uhr: MATTEO AL KALAK (Modena): L’eredità monastica al concilio di Trento: sospetti di eresia, tradizione e innovazione
09:45 Uhr: MARIA TERESA FATTORI (Bologna/Berlin): Monks and Regular clergy in the decisions of the Provincial Councils and the Congregation of the Councils, 1517-1817
10:15 Uhr: KLAUS SCHATZ (Frankfurt/St. Georgen): Projekte der Ordensreform in der Vorbereitung des 1. Vatikanums

Pause

Kurzreferate:
11:30 Uhr: FRANCESCO RUSSO (Rom): L’arte della sopravvivenza. L’Ordine dell’Ospedale di S. Giovanni e il Concilio di Trento – online
11:50 Uhr: FEDERICA GERMANA GIORDANI (Rom): Riflessioni sui Concili negli scritti di Jean Mabillon OSB – online
12:10 Uhr: ALEXANDRA V. TEUFFENBACH (Rom): Jesuiten auf dem II. Vatikanischen Konzil

12:30 Uhr: Diskussion

Pause

Mittagspause

14:30 Uhr: PETAR VRANKIĆ (Krumbach): Yves Congar OP und sein Beitrag zur Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit Dignitatis Humanae

15:15 Uhr: Zusammenfassung und Ausblick

15:30 Uhr: Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Konziliengeschichtsforschung e.V.

Kontakt

PD Dr. Mirko Breitenstein
E-Mail: mirko.breitenstein@tu-dresden.de

http://www.konziliengeschichte.org/site/de/aktuell/article/225.html
Redaktion
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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