Ansätze, Methoden und Forschungsfelder einer interdisziplinären Demokratiegeschichte

Ansätze, Methoden und Forschungsfelder einer interdisziplinären Demokratiegeschichte

Veranstalter
Forschungsstelle Weimarer Republik, Weimarer Republik e.V., Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte
Veranstaltungsort
Kulturzentrum Mon Ami, Goetheplatz 11
PLZ
99423
Ort
Weimar
Land
Deutschland
Findet statt
Hybrid
Vom - Bis
23.02.2023 - 25.02.2023
Deadline
15.02.2023
Von
Andreas Braune

Gemeinsame Fachtagung 2023 der Forschungsstelle Weimarer Republik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, dem Weimarer Republik e.V. und der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte e.V., inklusive der Verleihung der Preise zur Politik, Geschichte und Kultur der Weimarer Republik 2023

Ansätze, Methoden und Forschungsfelder einer interdisziplinären Demokratiegeschichte

In den vergangenen Jahren hat sich das Feld der Demokratiegeschichte zu einem immer stärker beachteten und diskutierten Bereich öffentlicher und politischer Aufmerksamkeit entwickelt. Zuletzt mündete dies in der Gründung der Bundesstiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte, die in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen soll. Ohne den erinnerungspolitischen Konsens an die nationalsozialistische Herrschaft, den Zivilisationsbruch des Holocaust und die SED-Diktatur in Frage zu stellen, geht es dabei um eine gesellschaftliche Selbstvergewisserung über „Wesen und Wert der Demokratie“ (H. Kelsen), indem ihre verschiedenen und bis weit vor 1949 zurückreichenden historischen Wurzeln stärker ins Bewusstsein gerückt werden.

Dieses Bemühen schlägt sich bislang vor allem in einer ganzen Reihe von Vermittlungsprojekten, zivilgesellschaftlichen Initiativen, feuilletonistischen Debatten und Gedenkveranstaltungen nieder – aber nur wenig in konkreter wissenschaftlicher Forschung, die sich explizit dem Thema „Demokratiegeschichte“ zuordnet. Wir möchten daher auf unserer Konferenz die Frage stellen, ob und wie ein Forschungsfeld „Demokratiegeschichte“ erschlossen werden kann. Ziel ist dabei auch die Etablierung eines „Forschungsverbundes Deutsche Demokratiegeschichte“, um Wissenschaftler:innen und andere Akteure, die in dem Feld arbeiten, besser miteinander zu vernetzen und gemeinsame Forschungsprojekte zu entwickeln. Dies erscheint umso wichtiger, als dass die laufenden gesellschaftlichen und politischen Debatten dringend einer wissenschaftlichen Absicherung und Begleitung bedürfen.

Unter Demokratiegeschichte verstehen wir das historische Ringen um mehr Rechte und Freiheiten, um mehr Gleichheit und um mehr Partizipation. Dies kann sich zu jedem historischen Zeitpunkt sehr unterschiedlich manifestieren, und schließt mögliche Rückschläge und Scheitern ein. Vielschichtige und verwobene historische Prozesse haben zu unserer heutigen liberal-demokratischen Ordnung und der sozialen Demokratie geführt; selbstredend, ohne dass dies irgendeiner Teleologie folgte oder ein gesichertes und letztes Ende wäre. Daher gilt es, eine Genealogie bis zu diesem Punkt frei zu legen. Eine solche Genealogie der deutschen Demokratiegeschichte umfasst im Wesentlichen die Entstehung, den Kampf um und die Etablierung und Verteidigung der folgenden Elemente:

- Grundrechtsschutz und Freiheitssicherung
- Rechtsstaatlichkeit und Konstitutionalismus
- Parlamentarismus, Wahlen und Parteien
- Gleichberechtigung, Minderheitenschutz, Bürgerschaft
- soziale Demokratie und Sozialstaatlichkeit
- Föderalismus, Gemeindedemokratie und Subsidiaritätsprinzip
- demokratische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft, Verbände und Pluralismus

Aufgrund dieses komplexen Prozesses ist uns ein interdisziplinärer Ansatz besonders wichtig. Denn ein möglichst differenziertes und kritisches Gesamtbild kann sich nur aus einer Vielzahl von Perspektiven und Ansätzen ergeben, die prinzipiell alle historisch arbeitenden Sozial-, Rechts- und Geisteswissenschaften beisteuern können. In einem ersten Schritt möchten wir diesen Aspekt der Interdisziplinarität daher ins Zentrum rücken und fragen, was einzelne (Teil-)Disziplinen und Ansätze für ein so verstandenes Forschungsfeld Demokratiegeschichte beisteuern können:

- Welche Stellung nimmt das Thema Demokratiegeschichte im jeweiligen Fachbereich bislang ein? Wie ist der bisherige Kenntnis- und Forschungsstand? Welche zentralen Fragen mit demokratiegeschichtlicher Relevanz bestimmen die jeweiligen (aktuellen) Fachdebatten?
- Welche thematischen Desiderata und welche Bereiche möglichen Erkenntnisgewinns liegen aus der jeweiligen Perspektive vor?
- Welche Materialien, Quellen, Methoden und Fragestellungen kommen in Frage?
- Wo sind besonders gewinnbringende Schnittmengen mit anderen Disziplinen und Ansätzen zu erwarten?

Die Vortragenden können und sollen dies gern anhand ihres persönlichen Forschungsfeldes oder -themas beleuchten, dabei aber vor allem den Blick auf ihre Disziplin bzw. ihren Forschungsansatz weiten und deren potentiellen Beitrag für eine interdisziplinäre Demokratiegeschichte und zukünftige Forschung skizzieren.

Konferenzleitung:
Michael Dreyer (michael.dreyer@uni-jena)
Andreas Braune (andreas.braune@uni-jena.de)
Markus Lang (markus.lang@gedg.de)

Konferenzorganisation:
Tim Haas (tim.haas@uni-jena.de)

Programm

Donnerstag, 23. Februar 2023

14:00-14:30 Uhr: Begrüßung & Einführung

Michael Dreyer / Andreas Braune (Jena):
Was ist und zu welchem Ende erforscht man Demokratiegeschichte?

14:30-16:00 Uhr: 1. Sitzung: DG in der Geschichtswissenschaft I – Epochen
Leitung: Michael Dreyer (Jena)

Lars Behrisch (Utrecht/Bielefeld)
Demokratiegeschichte in der Frühen Neuzeit? (vor 1789)

Klaus Ries (Jena)
Demokratiegeschichte im Zeitalter des Konstitutionalismus (1789-1918)

Eckart Conze (Marburg)
Demokratiegeschichte im Zeitalter der Massendemokratie (ab 1914)

16:00 Uhr: Pause

16:30-18:00: 2. Sitzung: DG in der Geschichtswissenschaft II – Ansätze und Teilbereiche
Leitung: Nadine Rossol (Colchester)

Martin Sabrow (Potsdam)
Wer sind „Demokratinnen und Demokraten“? Biographische Ansätze in der Demokratiegeschichte

Kerstin Wolff (Kassel)
Geschlechtergeschichte als Querschnittsaufgabe der Demokratiegeschichte

Hedwig Richter (München)
Kultur-, emotions- und mentalitätsgeschichtliche Ansätze in der Demokratiegeschichte

19:00 Uhr: öffentliche Abendveranstaltung & Preisverleihung:

Verleihung der Forschungspreise zur Politik, Geschichte und Kultur der Weimarer Republik 2023

Podiumsdiskussion: Forschen im Auftrag der Demokratie?
Demokratiegeschichte zwischen Geschichtspolitik und Wissenschaft
mit:
Ute Daniel (Braunschweig)
Bettina Greiner (Lübeck)
Eckart Conze (Marburg)
Hans Walter Hütter (Düsseldorf)

Anschließend: Empfang

Freitag, 24. Februar 2023

9:00-11:00: 3. Sitzung: Forum der Preisträgerinnen und Preisträger 2023
Leitung: Andreas Braune (Jena)

Matthias-Erzberger-Preis:

Ben Gattermann (Oldenburg)
Paul Gmeiner: Macht, Opposition, Verfolgung Das Leben als Kommunist in Braunschweig 1918-1944

Emily Calcraft (Sheffield)
‘The Natural and the Unnatural’: Antisemitic Portrayals of Jewish Gender and Sexuality in Weimar Germany

Hugo-Preuß-Preis:

Julia Gehrke (Bonn)
Die geistige Zusammenarbeit im Völkerbund und die Gründung der Deutschen Kommission für geistige Zusammenarbeit

Philipp Winkler (Berlin)
Die Weimarer Republik als Ort der Demokratiegeschichte. Demokratiegedenken und Wandel von Erinnerungskultur am Beispiel des 100. Gründungsjubiläums der Weimarer Republik in Geschichtsschreibung, Geschichtspolitik und Geschichtskultur

Friedrich-Ebert-Preis:

Albert Dikovich (Wien)
Den Umbruch denken. Die mitteleuropäischen Revolutionen nach dem Ersten Weltkrieg und die Politik der Philosophie

Stefan Schubert (Freiburg i. Br.)
Von der militärischen zur politischen Heroisierung: Paul von Hindenburg und Philippe Pétain im Vergleich

11:00 Uhr: Kaffeepause

11:30-12:45 Uhr: 4. Sitzung: DG in der Geschichtswissenschaft III – Ansätze und Teilbereiche
Leitung: Walter Mühlhausen (Heidelberg)

Kirsten Heinsohn (Hamburg)
All democracy is local: Demokratiegeschichte aus regionaler & lokaler Perspektive

Frank Bösch (Potsdam)
Medien und Öffentlichkeit in der Demokratiegeschichte

12:45-14:00: Mittagspause

14:00-16:00 Uhr: 5. Sitzung: Politikwissenschaft und Demokratiegeschichte
Leitung: Kathrin Groh (München)

Michael Dreyer (Jena)
Genese politischer Normen und Institutionen

Wolfram Pyta (Stuttgart)
Parteien- und Parlamentsgeschichte

Jürgen Falter (Mainz)
Historische Wahlforschung

Marcus Llanque (Augsburg)
Politische Ideengeschichte als Demokratiegeschichte
16:00 Uhr: Kaffeepause

16:30-18:00 Uhr: 6. Sitzung: Kapitalismus, Ungleichheit, Sozialstaat in der DG
Leitung: Alexander Gallus (Chemnitz)

Ute Daniel (Braunschweig)
Ungleichheit und Demokratiegeschichte

Stefanie Middendorf (Jena)
Kapitalismus und Demokratiegeschichte

Eberhard Eichenhofer (Jena / Berlin)
Demokratie und sozialer Rechtsstaat

18:00 Uhr: Abendessen

Samstag, 25. Februar 2023

9:30-11:00 Uhr: 7. Sitzung: Sprachwissenschaft, Historische Bildungsforschung und Religionsgeschichte
Leitung: Birgitta Bader-Zaar (Wien)

Stefan Scholl (Mannheim)
Begriffs- und Sprachgeschichte der Demokratiegeschichte

Sylvia Kesper-Biermann (Hamburg)
Historischen Bildungsforschung und Demokratiegeschichte

Benedikt Brunner (Mainz)
Mehr Demokratie: Mit, ohne oder gegen die Religion?

11:00 Uhr: Kaffeepause

11:30-13:00 Uhr: 8. Sitzung & Abschlussdiskussion: Soziologie und politische Philosophie/ Ethik
Leitung: Markus Lang (Weimar)

Wolfgang Knöbel (Hamburg)
Modernisierung und Demokratisierung: ein demokratiegeschichtlicher Pfad?

Bernd Ladwig (Berlin)
Gibt es einen moralischen Fortschritt in der Demokratiegeschichte?

13:00 Uhr: abschließender Mittagsimbiss

Kontakt

Die Konferenz wird live gestreamt unter:
https://bit.ly/demokratiegeschichte

Eine Anmeldung zur aktiven Teilnahme in Präsenz oder digital (via Zoom) ist bis zum 15.2.2023 erforderlich:
Kontakt: tim.haas@uni-jena.de

https://www.weimarforschung.uni-jena.de/