Israel sei ein tief gespaltenes Land, ist zur Zeit fast täglich in Medien zu lesen und zu hören. Tatsächlich gehen tiefe Risse durch Israels Gesellschaft: die einen sind für, die anderen gegen die aktuelle Regierung und deren Justizreform. In dieser Debatte werden alle Widersprüche, Spaltungen und Missstände wiederbelebt: Links gegen Rechts, Religiöse gegen Säkulare, Zentrum gegen Peripherie.
Bereits die Entstehungsgeschichte des israelischen Staates ist voller Dynamiken und Konflikte. Das Verhältnis von Religion, Ethnie und Politik bleibt seit der Staatsgründung ungelöst und führt seit mehr als 75 Jahren immer wieder zu Spannungen zwischen der Idee eines demokratischen Staates aller Bürger:innen und der einer Heimstatt (und Privilegierung) des jüdischen Volkes.
Dabei spielt die Frage des Zionismus eine zentrale Rolle: von der Nationalbewegung einer Minderheit wurde er zu einer Staatsideologie, die heute in verschiedenen Varianten vorzufinden ist. Der nationalreligiöse Zionismus, wie er sich in der jüngeren Geschichte Israels entwickelt hat, dient als Begründung für die Expansions- und Siedlungsbewegung in den besetzten Palästinensischen Gebieten. Gleichzeitig fordern Postzionisten die Überwindung der Verkoppelung von Staat und Religion und die Forderung nach einem liberalen, säkularen Staat.
Der Status der nicht-jüdischen Minderheiten wurde nie endgültig gelöst und ist in den letzten Jahren immer weiter beschnitten worden. Zuletzt entluden sich die Konflikte zwischen Palästinenser:innen mit israelischer Staatsbürgerschaft und rechten jüdischen Israelis bei den sogenannten Mai-Unruhen 2021 im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um Sheikh Jarrah, Ausschreitungen während des Ramadan auf dem Tempelberg/Haram as-Sharif und der Altstadt Jerusalems sowie des Krieges im Gazastreifen. Während der Ausschreitungen zwischen jüdischen und palästinensischen Israelis in israelischen Städten kamen Siedler:innen, insbesondere die sogenannten Hilltop-Youth, vielfach ins israelische Kernland, worin einige Beobachter eine neue Dimension der Eskalation und die Gefahr eines Bürgerkrieges sahen.
Die letzte Episode der Spaltung stellt die Radikalisierung nach der letzten Wahl dar: radikalisierter, religiös begründeter Nationalismus, deren Vertreter heute die Regierung stellen, läßt die Gewalt besonders durch die Siedler auf ein bisher nicht gekanntes Maß anwachsen. Die Justizreform ist der Ausdruck einer Abkehr von den demokratischen und liberalen Elementen des Staates und seinem Kennzeichen der Gewaltenteilung. Zugleich ist dies der Katalysator des Bruches zwischen dem rechten Lager und dem liberal-säkularen Mitte-links Spektrum. Diese Spaltung geht soweit, dass mittlerweile vor der Gefahr einen Bürgerkrieges gewarnt wird.
Steht Israel also vor der endgültigen Spaltung?
Bedeutet diese Politik und ihre Auswirkungen eine Abkehr von dem historischen Kompromiss zwischen demokratischer Ordnung und jüdischem Staat? Steht Israel vor einer endgültigen Übernahme durch rechtsextreme Kräfte und was würde das für die Minderheiten in Israel/Palästina bedeuten?
Die Vertreter dieser auch als Neozionismus bezeichneten Neuinterpretation des Staates fordern u.a. die Annexion der palästinensischen Gebiete und die gewaltsame Unterdrückung und Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung. Diese Politik würde das Ende der völkerrechtlich legitimierten und nach UN-Mehrheitsbeschluss festgelegten Teilung und der Forderung des Aufbaus zweier Nationalstaaten bedeuten.
Themenschwerpunkte für Beiträge:
- Ursprünge und Traditionen der zionistischen Bewegung als Nationalbewegung
- Die Voraussetzungen und Bedingungen der Staatsgründung 1948
- Geschichte der Friedensbewegungen, Ansätze zur Konfliktlösung
- Aushandlung von Minderheitenrechten in der Geschichte des Landes
- Was eint bzw. trennt die Protestbewegung?
- Was ist Neozionismus?
Call for Papers
Für das Heft 3/2023 suchen wir Beiträge zu den oben genannten Themen. Artikel mit einem Umfang von höchsten 10.000 Zeichen (5 Seiten), 12, Times new roman, 1,5 Zeilen, Harvard Referencing können bis zum 15. Oktober 2023 per E-Mail an redaktion@diak.org eingereicht werden. Bitte fügen Sie auch einen Kurzlebenslauf bei.
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Interessierte sind herzlich eingeladen, vor einer Einreichung die Redaktion zu kontaktieren, um sich über die geplante Einreichung abzustimmen. Die Redaktion behält sich vor, nach einem Review-Prozess Beiträge auszuwählen oder abzulehnen.
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israel & palästina – Zeitschrift für Dialog
israel & palästina – Zeitschrift für Dialog oder kurz i & p ist das Mitgliedermagazin des diAk – Israel - Palästina - Deutschland — zusammen denken. Jede der quartalsweise erscheinenden Zeitschrift hat ein Schwerpunkthema und informiert umfassend über neue Entwicklungen in Israel und Palästina. Die Themen reichen von Frieden und Konflikt, über Politik, Kultur, Gesellschaft bis Religion. Die Beiträge, Analysen, Rezensionen und Originaldokumente lassen verschiedene Stimmen aus der Region und Deutschland zu Wort kommen, sodass ein multiperspektivisches Bild entsteht. Damit sollen vor allem konstruktive Debattenanstöße für eine deutschsprachige Leserschaft ermöglicht werden. Ebenso sollen komplexe Themen fundiert und verständlich für ein breites Publikum vermittelt werden. Das i & p Magazin fungiert somit als Medium zwischen Fachreisen, politischer Bildung und breiter Öffentlichkeit.
Die Hefte haben einen Umfang von ca. 80 Seiten und erscheinen seit 2013 im AphorismA Verlag. Das erste Heft hat der diAk 1983 herausgegeben.
Weitere Infos: https://diak.org/2023/08/23/call-for-papers/