traverse: Die Pragmatik der Emotionen im 19. und 20. Jahrhundert

traverse: Die Pragmatik der Emotionen im 19. und 20. Jahrhundert

Veranstalter
traverse. Zeitschrift für Geschichte. Revue d'histoire
Veranstaltungsort
Ort
Zürich / Bern
Land
Switzerland
Vom - Bis
30.04.2006 -
Deadline
30.04.2006
Website
Von
Daniela Saxer

DIE PRAGMATIK DER EMOTIONEN IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT

traverse. Zeitschrift für Geschichte. Revue d’histoire

Voraussichtlicher Erscheinungstermin: Sommer 2007

Die Historizität von Gefühlen bildet seit langem einen Bestandteil geschichtswissenschaftlicher Beschreibungen gesellschaftlichen Wandels. Dabei erhielt bisher die Frühe Neuzeit besondere Aufmerksamkeit: Der Weg in die Moderne war nach gängigen Ansätzen von einem grundlegenden Wandel gesellschaftlicher Affekthaushalte, von einer zunehmenden Kontrolle von Gefühlen (Norbert Elias) begleitet. Seit einigen Jahren erscheinen nun Studien, die von einem erneuerten Interesse an der Geschichte der Emotionen zeugen und eine solche lineare Beschreibung zunehmend in Frage stellen. Ausserdem treten nun vermehrt auch die Gefühlslagen des 19. und 20. Jahrhunderts ins Blickfeld. Diese Entwicklung soll zum Anlass genommen werden, um in einem Schwerpunktheft der Traverse dem Erkenntnispotential nachzugehen, das eine Untersuchung vergangener Emotionen bietet.

Forschungen aus unterschiedlichsten Bereichen betonen, dass Emotionen Phänomene sind, die sich weder auf körperliche Vorgänge noch auf innere Zustände von Individuen reduzieren lassen, sondern mit vielfältigen kognitiven Vorgängen der Wahrnehmung, Bewertung und des Ausdrucks verbunden sind. In dieser Perspektive sind Gefühle also an der Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft, Innen und Aussen der Person angesiedelt. Die Untersuchung von Emotionen eignet sich deshalb, um zu verstehen, wie Gesellschaften soziale Interaktionen und die Rolle des Einzelnen wahrnehmen und bewerten. Sie kann die sozialgeschichtliche Erklärung von sozialen Dynamiken in unterschiedlichen Teilbereichen der Gesellschaft wie in politischen Prozessen bereichern. Ausserdem ermöglicht sie Zugänge zu gesellschaftlichen Phänomenen, die nicht über die Analyse formaler sozialer Regeln oder geschlossener Symbolsysteme erschlossen werden können.

Eine historische Beschäftigung mit Emotionen trifft auf das Problem, dass Gefühle immer nur vermittelt analysierbar sind. Dies ist aber kein Nachteil des historischen Zugangs, sondern trifft den Kern des Phänomens. Denn zahlreiche Untersuchungen weisen darauf hin, dass Emotionen als immer schon sozial geformt und vermittelt verstanden werden müssen. In seinem Buch «The navigation of feeling» entwickelte der Historiker und Kulturanthropologe William Reddy ein Konzept von Emotionen, in dem diese im Zusammenhang sozialer Interaktion, insbesondere sprachlicher Kommunikation, analysiert werden. Reddys Grundaussage ist, dass Emotionen und emotionale Ausdrücke in Gesellschaften in dynamischer Weise interagieren. Diese emotionale Dynamik kann gesellschaftlichen Wandel miterklären. Für den geschichtswissenschaftlichen Untersuchungszugang bedeutet dies, dass Emotionsstile von Gesellschaften nicht unabhängig von konkreten sozialen Handlungs- und Kommunikationszusammenhängen untersucht werden können. Im Zentrum steht damit die pragmatische Dimension von Gefühlen.

Für das Schwerpunktheft sollen Beiträge zusammengestellt werden, die sich auf diese pragmatische Dimension einlassen: Zum einen sind Aufsätze erwünscht, die sich in spezifischen historischen Fallstudien zum 19. und 20. Jahrhundert mit den Hervorbringungs- und Deutungsprozessen von Gefühlen auseinandersetzen und damit die Rolle von Gefühlen historisch kontextualisieren. Zum andern sind auch Beiträge gefragt, die sich dem skizzierten Forschungsproblem aus methodisch-theoretischer Perspektive widmen: Auf welche Weise kann man sich dem Thema als HistorikerIn nähern, wenn Gefühle äusserst dynamische Phänomene sind, die sich im Zug ihrer sozialen Repräsentation verändern? Welche Art von Schlüssen lässt sich angesichts der Tatsache, dass Gefühle für die historische Forschung nur indirekt analysierbar sind, überhaupt ziehen?

VERANTWORTLICH FÜR DEN HEFTSCHWERPUNKT
Marietta Meier, Daniela Saxer

TERMINE, ADRESSEN
Skizzen für Beiträge (max. 4000 Zeichen) sind mit Angaben zu Forschungsschwerpunkten und -projekten wenn möglich als E-Mail-Attachment bis spätestens am 30. April 2006 zu senden an:
Daniela Saxer (saxer@collegium.ethz.ch), Collegium Helveticum, Schmelzbergstrasse 25, ETH-Zentrum / STW, CH-8092 Zürich

Programm

Kontakt

Daniela Saxer

Collegium Helveticum, Schmelzbergstr. 25, ETH-Zentrum / STW
CH-8092 Zürich
+41 44 632 82 37
+41 44 632 12 04
saxer@collegium.ethz.ch