Vorbild, Austausch, Konkurrenz. Höfe und Residenzen in der gegenseitigen Wahrnehmung.

Vorbild, Austausch, Konkurrenz. Höfe und Residenzen in der gegenseitigen Wahrnehmung.

Organizer
Residenzen-Kommission der ADW Göttingen in Zusammenarbeit mit der Historischen Kommission und der Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Venue
Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Location
Wien
Country
Austria
From - Until
20.09.2008 - 24.09.2008
Deadline
01.09.2007
By
Jöerg Wettlaufer / Jan Hirschbiegel

11. SYMPOSIUM DER RESIDENZEN-KOMMISSION

veranstaltet in Zusammenarbeit mit der
Historischen Kommission und der Kommission für Kunstgeschichte der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften

AUFRUF ZUR ANMELDUNG UND THEMENABRISS

Vorbild, Austausch, Konkurrenz
Höfe und Residenzen in der gegenseitigen Wahrnehmung

Wien, 20.-24. September 2008

Die „Société des Princes“, von Lucien Bély unlängst so benannt, muß natürlich auch nach unten schauen und sich von Aufsteigern und solchen, die es werden wollen, und allen Untertanen geziemend unterscheiden. Fast mehr noch aber ist sie gehalten, den Blick auf die Standesgenossen zu werfen, mit denen gleicher Rang zu halten ist, von denen man sich aber auch absetzen möchte, indem man anders ist, zugleich aber auch überlegen. Wer aber setzt die Standards, wenn nicht die übergeordnete Instanz, der wiederum man selbst sich angleichen möchte?
Diesem ungemein kulturproduktiven und ausgabeträchtigen Verhalten gilt die Aufmerk-samkeit des nächsten Symposium der Residenzen-Kommission, nicht zufällig an einem solchen übergeordneten „Vorort“ abgehalten, im kaiserlichen Wien. Auszugehen ist dabei von der Frage, was diese Fürsten und Höfe voneinander wissen und wie sie voneinander wissen konnten, auch davon, daß auf diesem Gebiet wie auf anderen im Laufe der Zeit Zunahme und Veränderung zu verzeichnen sind. Darum steht am Anfang:

Das Wissen vom Anderen: Information und Informationsbeschaffung

Darunter kann unterschieden werden zwischen okkasioneller und systematischer Information, wobei der Begegnung durch eigene Anschauung besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist:

1.1. Okkasionelle Information:
Hierher gehören Informationsreisen von Fachleuten, Künstlern und Technikern aller Art, die direkt zur Inspektion vor Ort gesandt werden, um in Kenntnis möglicher Vorbilder oder durch Import des betreffenden Fachmanns die Residenz neu zu gestalten. Dafür gibt es durchaus Beispiele aus der Zeit um 1400 in Frankreich und den Niederlanden, aber sicherlich auch anderswo, in Italien früher, im Reich später.
Stets unterwegs waren die „Fahrenden“: Musiker, Narren, Herolde, auch Boten, die selbstverständlich berichteten, ja ausgefragt wurden. Die Herolde hatten sogar ausdrücklich die Aufgabe, Taten zu registrieren, Mut und Feigheit zu benennen, Zeremonien zu beob-achten, und Lob und Tadel auszusprechen. Sie reisten ebensoviel, ja mehr noch als die Edelleute auf Heidenkampf, Pilgerfahrt, Hofesreise oder Universitätsbesuch. Diese schreiben dann oder lassen verfassen Reiseberichte, die mehr oder minder ausführlich auf den Empfang eingehen, der ihn an den Höfen zuteil wurde und auf die bemerkenswerten Dinge, die sie unterwegs gesehen haben. Der Grand Tour war stets ein Mittel der kulturellen Selbstver-gewisserung der Europäer und ein Weg der Ausbreitung kultureller Standards. Gleiches leisteten die vielfach bezeugten Erziehungsaufenthalte junger Edelleute und Fürstensöhne an fremden Höfen. Doch auch erwachsene Fürsten reisten und ließen aufzeichnen, was sie sahen, darunter mit Vorliebe Residenzen.

1.2. Information durch Begegnung
Die rangbedingte Exogamie führte weiterhin dazu, daß fremd geheiratet wurde, zuweilen geradezu befremdlich (Byzanz, Kiev, Masowien, Dänemark), so daß mit der jeweiligen Braut und ihrer Entourage stets neue Elemente an den jeweiligen Hof kamen. Das mußte Folgen zeitigen, vielleicht geringere als vermutet, denn Machtergreifung durch Fremde wurde von den Einheimischen in der Regel verhindert. Überaus häufig waren Verwandtenbesuche unterschiedlicher Grade, bei welcher Gelegenheit man sich gegenseitig besichtigte. Höchster Aufwand war zu treiben, wenn Fürsten am dritten Ort zusammenkamen, auf Hoftagen, Fürstentagen, Reichstagen und auf Konzilien, wobei der Hoftag zusätzlich den Königshof in den Blick rückte. Gerade auf solchen hochzeremoniellen Treffen wurden Rang gehalten und Verhalten eingeübt, Solidarität und Distanz demonstriert.

1.3. Systematische Information
Wenn die Gelegenheiten eine gewisse Dichte erreichen, wird aus okkasionellen Nachrichten systematische Information. Gesandte und ihre Berichte, zumal solche ständiger Legationen und italienischer Verfasser, hatten damals für den Empfänger hohen Wert und haben ihn heute für den Historiker. Ab einem gewissen Zeitpunkt, der früher oder später im 15. Jahrhundert zu suchen ist, gehen die Höfe von der passiven zur aktiven Information über. Hofordnungen und Festbeschreibungen werden in mehrfach ausgefertigten Handschriften festgehalten und an befreundete Höfe versandt. So sandte der burgundische Hofmeister Olivier de la Marche im Jahre 1474 auf Verlangen Eduards IV. seine Beschreibung der Hofhaltung Herzog Karls des Kühnen nach England, wo sie wohl einige Spuren in der neuen Hoforganisation hinterlassen hat; es gibt dort aber auch Exemplare tatsächlicher Hofordnungen Karls. Ihre größte Wirkung scheint jedoch die Neuauflage vom Jahre 1500 entfaltet zu haben, und zwar auf der iberischen Halbinsel. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts kommen Drucke hinzu. Tafelwerke mit Ansichten dokumentieren Ephemeres, zu den Prozessionsdarstellungen tritt diejenige von Gebäuden und Gärten. Handschriften und Drucke zirkulieren und verbreiten, nun schon fast unabhängig von persönlichen Beziehungen, Vorbilder und neue Selbstverständlichkeiten.

2. Was man haben muß und was man entbehren kann

Um diese Selbstverständlichkeiten muß es uns gehen. Seit wann sind welche nachweisbar, und für welchen Stand? Was unterscheidet einen Fürsten von einem Edelfreien (und einen Edelfreie von einem Ritterbürtigen)? Dies läßt sich beobachten, wenn ein Graf zum Reichsfürsten erhoben wird, was seit dem 14. Jahrhundert häufiger vorkam. Die vier Hofämter scheinen unerläßlich gewesen zu sein. Es gilt aber die Entwicklung höfischer Standards weiterzuverfolgen, zu beobachten, wie die Differenzierungen in Rang und äußeren Zeichen, Titeln, Anreden zunehmen, wobei den Kurfürsten noch einmal ein besonderer Status einzuräumen ist – jedenfalls war dies ihr Wunsch. Die Standards müssen notwendigerweise im Laufe der Zeit immer aufwendiger und detaillierter geworden sein – oder gibt es da nicht schon Machtpolitiker, für die nur Leistung und gekaufte Abhängigkeit zählten und die deshalb im Alltag auf jeglichen Aufwand verzichten konnten? Haben sie etwa Schule gemacht? Und wenn die Konflikte überhand nahmen, wer richtete oder richtete es aus?

3. Austausch zwischen Freund und Feind

Was im römischen Reich der Spätantike selbstverständlich war als integrative Form der Herr-scherbeziehung, nämlich daß man (fiktiv) miteinander verwandt war und sich deshalb je nach Alter als Vater, Vetter oder Oheim anredete, wird im Mittelalter fortgesetzt. Ob Freund oder Feind, der ranggleiche Verkehr wird zunächst gewahrt. Hier hinein gehört der (fast) nie abbrechende Gabentausch mit seinen Geschenkketten, denn Kostbarkeiten jeder Art, ob lebendig oder unbeseelt, Hund, Pferd, Falke, wilde Tiere, Einhorn, Straußenei oder Kokosnuß wurden gerne weitergegeben und gewannen dem Schenker Ansehen ebenso wie dem Beschenkten. Genauso wichtig wäre es aber auch festzustellen, was nicht weiterverschenkt wurde: z.B. die päpstliche Goldene Rose, wenn man sie denn erhalten hatte. Es wird der Symbolwert gewesen sein, der den Unterschied machte, abgesehen vom Münzwert der Edelmetalle.
Auch der ständige Briefverkehr oder die littera de statu als europäische Einrichtung gehört hierher. Besonders eng waren natürlich die Kommunikationskreise aufgrund von Bündnis, Freundschaft und Verwandtschaft, wie am Beispiel der Hohenzollern und Gonzaga unlängst untersucht. Desto wichtiger wird es sein zu beobachten, wie sich der Abbruch von Beziehungen auswirkte, und wie deren Wiederaufnahme gestaltet wurde.
Gute Fachleute waren immer selten, kein Wunder, daß es zur Abwerbung in Konkurrenz, aber auch zur Überlassung unter Freunden kam. Burgenbauspezialisten, Waffenfachleute, Kanoniere, Architekten, Musiker, Maler, Ärzte, Gelehrte, Literaten, Juristen: all diese waren bei ent¬sprechender Qualität hoch begehrt, und gaben ihr Wissen dem weiter, der es bezahlen konnte. So begegnet man einem Befestigungs- und Wasserbauspezialisten aus Werden an der Ruhr im Dienst der Carrara zu Padua.
Oft wird man die Anregung von Außen nur erahnen können. Aber Hofordnungstexte wan-derten von Herrscher zu Herrscher, vielleicht auch nur von Verwaltung zu Verwaltung. Neuorganisation und Neubau im Licht von Freundschaft, Nachahmung und Konkurrenz werden sich besser belegen lassen, wenn die nötigen Hofordnungseditionen und Korrespondenzen erst einmal vorliegen. Verwunderlich wäre ein intensiver Austausch nicht. Vielleicht gibt es da ganze Textfamilien, den Stadtrechten vergleichbar. Noch heute legt, wer Umorganisation plant, gern die Hand auf Vorgänger und Parallelen. Wenn wir aber im Laufe der Jahrhunderte die Dinge klarer sehen und immer mehr erfahren können, bleibt jedoch stets zu fragen, ob das Verhalten sich geändert hat oder lediglich die Schreibfreude.

4. Welche Vorbilder?

Italien, Wien oder Paris/Versailles? Das ist die Frage. Jeroen Duindam ist ihr schon nachgegangen, im hellen Lichte der frühneuzeitlichen Überlieferung. Auch über Dresden und Florenz wissen wir seit dem 16. Jahrhundert manches. Wie aber war es einerseits in der Zeit zuvor, andererseits in anderen Gegenden und auf kleinerem Niveau? Peter Moraw, von dem die Idee zum hier verfolgten Thema stammt, schrieb eindringlich von den europäischen Entwicklungsunterschieden und von dem allmählich sich einstellenden, nie abgeschlossenen Ausgleich. Sicherlich sind Zivilisationsstufen mit den Flüssen Rhein, Weser Elbe, Oder, Weichsel zu bezeichnen, oder mit Loire, Seine, Donau und Main. Die großen Gebirge, Alpen, Pyrenäen, Karpathen mögen andere Schwellen darstellen. Kulturelle Phasenverschiebungen von den Zentren hin zur Peripherie sind zu beobachten. Grundsätzlich sind politische Interessen und kulturelle Geographie miteinander in Beziehung zu setzen. Kultur konnte springen.
Dabei muß bewußt bleiben, daß es sich selten um einfache Kopien handelt. Anverwandlungen sind die Regel, Rückwirkungen sind zu erwarten. Dabei muß jeder Hof den Ausgleich zwischen stabilisierender oder auch rangerhöhender Übernahme und Identität stiftender Eigenheit anstreben, denn jeder will zwar die Anforderungen erfüllen, aber doch unverwechselbar bleiben. Dies kann zur schroffen Ablehnung gewisser fremder Modeerscheinungen führen (denn Mode will man selber kreieren) und sogar zur Rückkehr zu hergebrachter oder zu traditionell erklärter Kleidung, so zeitweilig in Polen und in Rußland. Einerseits gibt es die Attraktion und Ablehnung des vertraut Fremden im europäischen Rahmen, anderseits die Adoption des radikal Fremden, das maurisch-sarazenisch aus Asien und Afrika kommt. Oswald von Wolkenstein oder Bertrandon de la Broquière kommen im Türkengewand daher.
Es gilt also den Hof, den man kennt, auf Querverbindungen zu befragen und in Hierarchien einzubauen. Die Welt der Höfe ist eine vielgestalte Landschaft, deren Höhen und Tiefen, und innere Bezüge wir erkunden wollen. Bitte schicken Sie, wenn Sie einen Vortrag anbieten möchten, ein

Thesenpapier
bis zum
1. September 2007

An die

Arbeitsstelle Kiel der Residenzen-Kommission der
Akademie der Wissenschaften in Göttingen
c/o Historisches Seminar der Christian-Albrechts Universität zu Kiel
z.Hd. Dr. Jörg Wettlaufer
Olshausenstraße 40
D-24098 Kiel
Tel./AB: 0431-880-2296
Fax.: 0431-880-1484
E-Mail: resikom@email.uni-kiel.de

Über die Auswahl wird dann am 1. Oktober 2007 entschieden, wenn die Residenzen-Kommission sich zu ihrer Jahressitzung trifft.

Werner Paravicini, Paris.

Programm

Contact (announcement)

Joerg Wettlaufer

Residenzen-Kommission der ADW-Goettingen

0431-880 2296
0431-880 1484
resikom@email.uni-kiel.de

http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de/sympos_wien.htm
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