Im Ausland finden Korrespondenten unterschiedlicher Medien und verschiedener Staaten schnell zusammen: Bei Pressebällen oder Pressekonferenzen, bei diplomatischen Empfängen, bei formellen Treffen im feinen Botschafterpalais oder beim informellen Informationsaustausch in fragwürdigen Etablissements. Korrespondenten berichten für ihre Heimatöffentlichkeit, leben in ihrem jeweiligen Gastland (allein oder mit Familie) über Jahre und Jahrzehnte oder sind nur kurz als Sonderkorrespondent vor Ort. Sie gehören einer Berufsgruppe an, deren Hauptaufgabe die Informationsbeschaffung durch Kommunikation ist.
Die Basler Autorenkonferenz bereitet ein Themenheft vor, in dem es vor allem um die Repräsentationsarbeit von deutschen Korrespondenten im Ausland gehen wird. Es wird anhand von Fallbeispielen die lange Zeitphase von etwa 1890 bis in die 1980er Jahre abgedeckt und unterschiedliche Räume werden untersucht. Durch Analyse der verschiedenartigen Netzwerke der Korrespondenten werden Überschneidungen und Verflechtungen sichtbar. Allzu oft haben sie sich mit Diplomaten im Ausland ausgetauscht, beim Zigarrenrauchen in Salons, in der russischen Banja oder bei der Großwildjagd in Afrika. Hierbei wurden sie ebenso oft von Repräsentanten ihres Gastlands begleitet: Von Journalisten und Diplomaten, Politikern und Staatsbeamten, Großindustriellen und Geheimdienstlern, Künstlern und Intellektuellen, die Einfluss auf die jeweilige öffentliche Berichterstattung nehmen wollten.
In dem Themenheft werden neue Innensichten auf die Tätigkeit vor Ort möglich, die durch bloße Lektüre der Berichterstattung – sei es in den Medien, sei es in den Archiven – nicht deutlich werden können. Unsere Materialbasis sind dabei in erster Linie Selbstzeugnisse – Erinnerungen, Briefe, redigierte Berichte, Einladungsschreiben, Verhörprotokolle. Die vorgestellten historischen Fallbeispiele werden einen Einblick geben in das innovative Potential der personenbezogenen, transnationalen Geschichte internationaler Beziehungen. Die Netzwerkanalysen der Korrespondenten werden neue Erkenntnisse über das Zusammenwirken von Presse und Politik im Ausland liefern aber auch den Einfluss der Ausländer selbst auf die jeweiligen Berichte in den Blick nehmen. Ziel ist es, erste Umrisse einer Kultur- und Mediengeschichte im 20. Jahrhundert aus der Perspektive von Auslandskorrespondenten zu zeichnen, bei der die bisher vernachlässigten Grautöne von Konfrontation und Kooperation, Verwicklungen und Entflechtungen, Freund- und Feindschaften beleuchtet werden sollen.
Beiträge:
- Sonja Hillerich: Ritter der Feder oder Diplomaten in Hemdsärmeln? Die Berufskultur deutscher Auslandskorrespondenten (1880er bis 1914)
- Volker Barth: Auslandskorrespondenten und Nachrichtenagenturen 1880-1930
- Isabella Löhr / Madeleine Herren-Oesch: Zwischen den Stühlen: Arthur Sweetser, der Völkerbund und die USA in der Zwischenkriegszeit
- Bernhard Gißibl: Der Aufbau des Korrespondentennetzes der deutschen Rundfunkanstalten nach 1945
- Julia Metger: Auslandskorrespondenten als politische Akteure im Ost-West-Konflikt, Moskau 1966-1985
- Norman Domeier: Der Typus des Nazi-Korrespondenten
- Jörn Happel: Paul Scheffer. Journalist in der frühen Sowjetunion
Kommentiert werden die Aufsätze vor Ort von PD Dr. Peter Hoeres (Mainz/Gießen) und Dr. Isabelle de Keghel (Konstanz).