„Paradigmatische Fälle in der Geschichtswissenschaft“. Itinera. Beiheft zur Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte (SZG)

„Paradigmatische Fälle in der Geschichtswissenschaft“. Itinera. Beiheft zur Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte (SZG)

Veranstalter
Malte Bachem (ETH Zürich), Ruben Hackler (Universität Zürich), Katherina Kinzel (Universität Wien)
Veranstaltungsort
Ort
Zürich/Wien
Land
Switzerland
Vom - Bis
30.03.2014 -
Deadline
30.03.2014
Website
Von
Malte Bachem, Ruben Hackler, Katherina Kinzel

Itinera. Beiheft zur Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte (SZG): „Paradigmatische Fälle in der Geschichtswissenschaft“

HerausgeberInnen: Malte Bachem, Ruben Hackler, Katherina Kinzel

Kommentar: PD. Dr. Marietta Meier

Deadline für Abstracts: 30. März 2014

Fallgeschichten dienen in unterschiedlichen Disziplinen wie Recht, Psychologie, Medizin, Pädagogik, Philosophie und Anthropologie dazu, Wissen zu generieren, zu strukturieren und anschaulich zu vermitteln. Ab den 1980er Jahren wurden Fallstudien signifikant aufgewertet und entwickelten sich zu einem zentralen Textgenre der Geschichtswissenschaft. Ausgangspunkte dieses Wandels waren unter anderem die Kritik „großer Erzählungen“, die Entwicklung mikrohistorischer Ansätze sowie das Interesse an kontingenten und partikularen Momenten im Geschichtsverlauf. Seit rund zehn Jahren lässt sich zudem eine verstärkte theoretische Reflexion der Erkenntnismöglichkeiten und -grenzen von Fallstudien beobachten.

Was genau einen „Fall“ beziehungsweise eine „Fallstudie“ ausmacht, ist allerdings nicht hinreichend geklärt. Verglichen etwa mit dem rechtlichen Kontext ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften weniger streng definiert, welche Ereignisse, Entwicklungen und Situationen als in sich geschlossene Einheit behandelt werden dürfen. Die Unschärfe des Fallbegriffs zeigt sich auch an der Vielfalt der Funktionen von Fallstudien: Diese können als Einzel- oder Sonderfall für sich stehen oder aber eine allgemeine Tendenz abbilden; sie können einen erst vorläufigen Wissensstand markieren oder als Gegenbeispiel zu etablierten Deutungen in bestehende Debatten intervenieren; sie können Mosaiksteinchen in einem noch zu vollendenden Geschichtsbild sein oder im Sinne Thomas S. Kuhns „paradigmatischen“ Status und damit normative Verbindlichkeit für die historische Forschung behaupten.

Historische Fallstudien bewegen sich stets im Spannungsfeld zwischen Allgemeinem und Besonderem. Einerseits sollen sie der Komplexität des historischen Gegenstands gerecht werden, andererseits gehen sie in ihrem Allgemeinheitsanspruch häufig über das tatsächlich herangezogene Material hinaus. Dies wirft Fragen nach den Bedingungen gelingender Verallgemeinerung und der (Il-)Legitimität historischer Extrapolation auf.

Auch fällt auf, dass einige Fälle im Lauf der Zeit einen besonderen Status erlangt haben, der ihnen ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit sichert. Zu denken wäre an wissenschaftliche „Entdeckungen“ wie Robert Kochs Nachweis des Tuberkuloseerregers oder Albert Einsteins Formulierung der Relativitätstheorie, deren Geschichte immer wieder unter neuen Vorzeichen erzählt wird. Ob sich die Besonderheit in solchen und anderen Fällen eher dem Gegenstand, der Beschaffenheit der Quellen, dem konkreten Erkenntnisinteresse, den theoretischen Vorannahmen, Trends in der Wissenschaftsförderung oder gesellschaftlichen Entwicklungen verdankt, ist nicht allein durch theoretische Setzungen zu entscheiden.

Das Itinera Sonderheft „Paradigmatische Fälle in der Geschichtswissenschaft“ nimmt diese Unschärfen zum Anlass einer wissensgeschichtlichen und metamethodologischen Diskussion des Falls als Gegenstand historischen Interesses und als konstitutives Genre historischer Darstellung. Besonderes Augenmerk soll dabei auf der Frage liegen, wie und unter welchen Gegebenheiten einzelne Fälle beziehungsweise Fallstudien paradigmatischen Status erhalten.

Beiträge insbesondere zu den folgenden Fragen sind erwünscht:
- Was kennzeichnet einen Fall? Wie wird der Einzelfall in unterschiedlichen (historischen) Disziplinen bestimmt und eingegrenzt?
- Wie konstituiert sich der Fall als Erkenntnisgegenstand und welche Rolle spielen dabei methodologische Entwicklungen in den historischen Disziplinen?
- In welchem Verhältnis steht der Fall als historische Episode oder Ereignis zu seiner erzählerischen Präsentation in einer Fallstudie?
- Warum werden bestimmte Personen, Ereignisse – und seit einiger Zeit vermehrt auch Dinge – immer wieder zum Gegenstand von Fallgeschichten, andere hingegen nicht?
- Wie wird der paradigmatischen Status eines Falles hergestellt und durch welche (methodologischen, narratologischen, gesellschaftlichen etc.) Faktoren wird die Wirkmächtigkeit von Fallstudien beeinflusst? Welche Rolle spielt die Anschlussfähigkeit an bestehende Fälle und Daten, die Komplexität des Falls, die narrative Eindrücklichkeit, das Verblüffungspotential, der didaktische Charakter etc.?
- Wie wird ein Fall zu einem Argument in einer philosophischen, politischen, soziologischen oder historiographischen Debatte?
- Wie lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen partikularem Fall und allgemeinem Geltungsanspruch sinnvoll konzeptualisieren?
- Wie flexibel sind Fälle im Hinblick auf ihre Deutungen?

Diese Fragen sollen anhand von konkreten Beispielen, das heißt durch die Analyse spezifischer Fallstudien diskutiert werden. AutorInnen können Fälle aus der eigenen Forschung wählen oder sich mit zentralen Fallstudien der historischen Diskussion auseinandersetzen.

Das Heft wird neben einer theoretischen Einleitung auch von einem abschließenden Kommentar von PD. Dr. Marietta Meier, Universität Zürich, ergänzt.

Die Abstracts (600 Worte) senden Sie bitte an: katherina.kinzel@univie.ac.at

Wichtige Termine:
Deadline für Abstracts : 30. März 2014
Deadline für Artikel: 15. Oktober 2014
Maximale Artikellänge: 45.000 Zeichen
Vorgesehenes Publikationsdatum: Mai 2015

Programm

Kontakt

mbachem@ethz.ch, Largesse@gmx.net, katherina.kinzel@univie.ac.at