Kontext: südöstliches Europa. Kulturwissenschaftliche Germanistik und die Herausforderung standortbezogener Forschung

Kontext: südöstliches Europa. Kulturwissenschaftliche Germanistik und die Herausforderung standortbezogener Forschung

Organizer
Zagreber Germanistische Beiträge, Jg. 24 (2015); Hgg. Svjetlan Lacko Vidulić, Milka Car
Venue
Location
Zagreb
Country
Croatia
From - Until
01.10.2014 -
Deadline
31.12.2014
By
Zagreber Germanistische Beiträge

Das Jahrbuch „Zagreber Germanistische Beiträge“ hat seit der Gründung vor mehr als zwei Jahrzehnten (1992, Gründer und Chefredakteur bis 2011: Marijan Bobinac) unter anderem einen Schwerpunkt auf germanistischer Forschung, die im Zusammenhang mit südosteuropäischen Kontexten steht. Diesem Schwerpunkt möchten wir ein deutlicheres Profil verleihen und die Zeitschrift zu einer Plattform kulturwissenschaftlicher Germanistik mit regionalem Bezug entwickeln. Der Themenschwerpunkt des einzelnen Jahrgangs soll Beiträge zu allgemeinen und Beiträge zu regionalen Aspekten des Themas zusammenführen. Außerdem bleiben wir – in der Abteilung Varia – weiterhin offen für alle germanistischen Themenbereiche. Unser Anspruch besteht in der Fruchtbarmachung regionaler Erfahrungen, Kontexte, Wissensbestände und Netzwerke für die Modellierung allgemeiner kulturwissenschaftlicher Fragestellungen. Der regionale Bezug und der unikale Standort sollen also keineswegs zur Einschränkung allgemeiner Fragestellungen, sondern zu deren besonderer Profilierung führen. Ebenso wenig sollen regionaler Bezug und unikaler Standort die Erbschaft einer international ausgerichteten, im internationalen Maßstab exzellenten Germanistik vergessen lassen, die wir vor allem den hervorragenden Forscherpersönlichkeiten Zdenko Škreb (1904–1985) und Viktor Žmegac (1929) zu verdanken haben. Ganz im Gegenteil: wir knüpfen an die auch slawistisch und komparatistisch flankierte germanistische Forschungstradition in Zagreb an, einschließlich ihrer wechselnden regionalen und internationalen Vernetzung. Den Begriff ›südöstliches Europa‹ verwenden wir als Abbreviatur für die vielfältigen topographischen Konzepte, die sich auf die physischen, politischen, kulturellen, imaginären u.a. Landschaften zwischen einer europäischen ›Mitte‹ und einer südöstlichen ›Peripherie‹ bezogen und beziehen. Kontext: südöstliches Europa meint somit nicht die geographische Region Südosteuropa in ihrer Abgrenzung von Mittel- und Osteuropa. Gemeint ist vielmehr der mit den Gebieten zwischen Donauraum und Adriabecken korrespondierende kulturelle Raum; gemeint sind die Überlappungen mit dem kulturellen Raum ›Zentraleuropa‹ im Sinne von Moritz Csáky; gemeint sind die Überlappungen mit der multifaktorial bestimmten ›Balkan‹-Region im Sinne von Holm Sundhaussen; gemeint sind die zugehörigen diskursiven Konstrukte im Sinne von Maria Todorovas ›Balkanismus‹-Begriff; gemeint sind die regionalen Zusammenwirkungen von Sprachsystemen im Sinne von Jurij Lotmanns Konzept der ›Semiosphäre‹. Konturen gewinnt der so verstandene regionale Bezug nicht durch Grenzziehungen, sondern durch unsere Perspektive auf die Verflechtungen, Wechselwirkungen und Transfers mit dem deutschsprachigen Raum (ebenfalls im Sinne wechselnder geo-historischer Regionen, kultureller Räume und Semiosphären). Unser Standortvorteil liegt in der Möglichkeit, beide Perspektiven von Kontext: südöstliches Europa forschungsintensiv zusammen zu führen: einerseits die südostwärts gerichteten Blicke aus den deutschsprachigen Räumen, d.h. das historisch variable, doch anhaltende Interesse für die Randlagen Europas an der imaginären ›Porta Orientis‹; und andererseits die westwärts gerichteten Blicke in die deutschsprachigen Räume, vor allem in ihre imperiale oder leitkulturelle ›Zentren‹. Der Anspruch auf eine produktive Zusammenführung kulturwissenschaftlicher Perspektiven und regionaler Kontexte soll in dieser Ausgabe des Jahrbuchs zur Diskussion gestellt werden. Erwartet werden Abhandlungen und Fallstudien, die jeweils: (1) einen impliziten oder expliziten Beitrag zur methodisch-theoretischen Reflexion auf die Herausforderung regionaler und standortbezogener Bezüge kulturwissenschaftlicher Forschung im Allgemeinen leisten; (2) implizit oder explizit den exemplarischen Charakter des regionalen Bezugs unter Beweis stellen, d.h. durch den regionalen Fokus die Modellierung kulturwissenschaftlicher und interkultureller Fragestellungen vorantreiben.
Besondere Aufmerksamkeit möchten wir auf die folgenden Bereiche lenken und laden zur Einreichung entsprechender Beiträge ein:

A) Germanistik in regionalen Zusammenhängen – methodisch-theoretische Einblicke und wissenschaftsgeschichtliche Rückblicke:
- zu Standorten weltweit: die Herausforderungen standortbezogener germanistischer Forschung zwischen regionaler Verortung und globaler Positionierung;
- zum Standort Zagreb: wissenschaftsgeschichtliche Rückblicke auf die Entwicklung der universitären Germanistik (1895-2015) im Zusammenhang mit sprachgeschichtlichen, institutionellen, (hochschul)politischen, erinnerungspolitischen u.a. Entwicklungen;
- zum Standort Zagreb: die Methodendiskussion der 1970er Jahre und das Projekt einer Sozialgeschichte der Literatur in neuer Perspektive (Wissenssoziologie, Feldtheorie u.a.);

B) Fallstudien mit Perspektiven auf den Kontext: südöstliches Europa im oben skizzierten Sinne, ausgeführt als paradigmatische Exempla allgemeiner Zusammenhänge und Entwicklungen im europäischen oder globalen Maßstab; vorzugsweise in den folgenden Bereichen:
- Kulturtopographie: Raumnarratologische, imagologische, postimperiale u.a. Perspektiven, die den Raum als kulturelles Konstrukt im Sinne der Narrativierung der Grenzräume und Formung von Kulturräumen ausloten (Schlögel 2003), die sich der Frage nach Repräsentationsformen der imaginären Geographien (de Certeau 1980) widmen, wie auch den postkolonialen Topographien des südosteuropäischen Raumes (Sundhaussen 1999), insbesondere im Sinne der Balkan-Diskurse (Todorova 1997). Der raumtheoretische Ansatz ist eng mit der Frage nach Vergangenheitskonstruktionen (Anderson 1991) und Transformationsprozessen (Wolf 1994) auf der Achse Norden/Süden oder Westen/Osten verknüpft, die ihrerseits einen neuen Blick auf die Prozesse der Kanonisierung und Etablierung des nationalen kulturellen Kanons ermöglichen.
- Kulturelle Transfers: Kulturtransferforschung im Sinne der Forschergruppe um Michel Espagne/Michael Werner (1985) und der Grazer Forschergruppe (Celestini/Mitterbauer 2003). Die Fragen nach mehrdimensionalen Prozessen der Identität, Differenzierung und Globalisierung sind von besonderer Brisanz in kulturellen Grenzzonen, in denen die lange tradierten Oppositionspaare und dichotomischen Denkmuster neu zu konzipieren sind.
- Interkulturelle Germanistik: Anwendung von Theorien zur Prägung kultureller Identitäten in bestimmten kulturspezifisch definierten Kontexten und Epochen (Wierlacher 1999). Weitere Forschungsbereiche sind die Erforschung der kulturellen Differenz als einer relationalen Größe sowie die Xenologie mit Fragen nach Repräsentationen von Multi- und Transkulturalität in der Literatur. Als Oberbegriff können die unterschiedlichen Konzepte des Fremden fungieren (wie etwa bei Waldenfels 1997).
- Kollektives Gedächtnis und (über)regionale Erinnerungskulturen: Fragen nach dem sozial bestimmten individuellen Gedächtnis (Halbwachs dt. 1991) und den Formen des kulturellen Gedächtnisses (J. Assmann 1992, A. Assmann 1999), die mit spezifischen Erinnerungskulturen verbunden sind (Erll 2005). Im Fokus sollte der Zusammenhang mit den regionalen Integrationsprozessen und der Formung kollektiver Identitäten stehen, wie auch mit den damit verbundenen narrativen Mustern im südosteuropäischen Kontext.

Wir freuen uns über kurze Entwürfe (bis zu 3.000 Zeichen) zu dem geplanten Beitrag bis zum 31. Dezember 2014. Nach Zusage der Redaktion werden die Beiträge im Umfang von bis zu 60.000 Zeichen bis zum 31. Mai 2015 erwartet. Über die Veröffentlichung der eingetroffenen Beiträge entscheidet die Redaktion unter Einbeziehung externer Fachleute.

Entwürfe bitte an das Sekretariat der ZGB:
Monika Blagus (zgb@ffzg.hr)

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