Jesuitenuniversitäten als Medienzentren

Jesuitenuniversitäten als Medienzentren

Organizer
Jesuitica e.V. Gesellschaft zur Erforschung des deutschen Jesuitenordens in Verbindung mit der Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit, Universität Paderborn; Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Johannes Süßmann (Paderborn) und Prof. Dr. Claudia Wiener (München)
Venue
Tagungshaus Liborianum Paderborn / Forum
Location
Paderborn
Country
Germany
From - Until
13.03.2015 - 14.03.2015
Deadline
12.03.2015
By
Carolin Pecho

Jesuitenuniversitäten waren komplexe Gebilde – sie lassen sich auf vielfältige Weise betrachten. Relativ gut erforscht sind sie als Institutionen: Ihre Gründung, Finanzierung, Statuten, Tätigkeitsfelder und Entwicklung gehören zu den primären Aspekten, um deren Klärung die Forschung sich seit langem bemüht. Auch der Anteil der Jesuitenuniversitäten an der katholischen Reform war stets ein Thema der Forschung, dazu ihre Bedeutung für den Orden selbst wie für die anderen Orden und kirchlichen Korporationen. Mit einem bildungsgeschichtlichen Interesse hat man das Lehrprogramm und seit einiger Zeit die universitäre Praxis angeschaut. Für die Gelehrtengeschichte waren die Bibliotheken und Schriften der Universitätsmitglieder relevant, für die Literaturgeschichte der Rhetorik- und Poetik-Unterricht sowie die entstandenen Predigten, Dichtungen, Dramen, für die Kunstgeschichte die Bauten und Sammlungen. Die Politikgeschichte hat das Verhältnis zu den – oft kirchlichen – Landesherren thematisiert, die Sozialgeschichte die Frequenz und Zusammensetzung der Studierenden. Kulturhistorisch Interessierte haben die Aufmerksamkeit auf die Rituale und andere Formen der Repräsentation gelenkt. Gemeinsam ist diesen Forschungsansätzen, dass die Jesuitenuniversitäten primär in ihrer Bedeutung für kirchliche, gelehrte und soziale Eliten in den Blick genommen werden. Nur die Frömmigkeitsgeschichte, die sich mit der Volksmission, den Bruderschaften, Wallfahrten, Gesangbüchern beschäftigt hat, geht darüber hinaus. Doch scheint dieses Interesse an der Breitenwirkung von Jesuitenuniversitäten bislang nicht zum Kern eines Untersuchungsansatzes gemacht worden zu sein.

Dies soll die geplante Tagung ändern, indem sie Jesuitenuniversitäten als Medienzentren in den Blick nimmt. Dabei geht sie von der Beobachtung aus, dass Jesuitenuniversitäten für ihre Arbeit viel stärker, umfassender und systematischer als andere Hochschulen, Akademien oder kirchliche Institutionen einen ganzen Verbund von vielen unterschiedlichen Medien einsetzten. Das begann bei Gegenständen, Bauten und Räumen, umfasste mit den Predigten, Liedern und Dramen das gesprochene Wort, bezog die Mu-sik mit ein, verwandelte durch Gebetspraktiken, Prozessionen, Wallfahrten, geistliche Spiele die Körper der Beteiligten in Medien. Es setzte sich damit fort, dass es diesen Primärmediengebrauch seinerseits medialisierte, indem es ihn durch gedruckte Bilder und Schriften in Sekundärmedien dokumentierte, auf Dauer stellte, verbreitete. Und es endete mit dem virtuosen Einsatz vielerlei Arten von Schriften und Bildern, gedruckten und ungedruckten Lehrbüchern, Dissertationen, Festschriften, Polemiken, Predigten, Gutachten, Zeitungen, Zeitschriften, Thesenblättern, Wallfahrtsbildern noch lange nicht. Denn „Verbund“ hieß, dass man die einzelnen Medien auf immer neue Weise kombinierte und durch Wechselwirkung steigerte. „Reflexion“ hieß, dass die Jesuiten etwa im Fach Rhetorik, aber auch in der Theologie über ihren Mediengebrauch nachdachten, ihn bewusst machten und methodisierten. „Virtuosität“ hieß, dass die Jesuitenuniversitäten sich dabei in ständiger Beobachtung, Konkurrenz und Reflexion gegenseitig überboten und die verwendeten Medien rasch zum Maximum möglicher Effekte und Verwendbarkeit trieben. Im Kirchenbau beispielsweise, im Prozessionswesen und in den Thesenblättern (um nur drei Beispiele zu nennen) wurden durch die Jesuitenuniversitäten Maßstäbe gesetzt, die lange Zeit oder überhaupt nicht mehr erreicht wurden. Es sei die These gewagt, dass in puncto Mediengebrauch allenfalls einige wenige Fürstenhöfe mit den Jesuitenuniversitäten mithalten konnten. Die meisten kleinen katholischen Höfe blieben in ihrer Medienpraxis hinter den Jesuiten zurück oder waren zeitweise sogar von ihnen abhängig. D.h. als Medienzentren dominierten und lenkten die Jesuitenuniversitäten für gewisse Zeit die öffentliche Kommunikation. Man wird darüber zu diskutieren haben, ob nicht auch auf diesem medialen Vorsprung ihre Bedeutung für die Frühneuzeitgeschichte beruht.

Herleiten lässt die neue Qualität des Medieneinsatzes sich davon, dass die Jesuiten wir-ken wollten: auf Adressaten, die ihnen oft ablehnend oder feindlich gegenüberstanden, ohne dass man über Zwangsmittel gegen sie verfügte. Schon dies zwang die Jesuiten dazu, Medienexperten zu werden; ihr Ansetzen bei der Bildung ermöglichte es ihnen zugleich. Obwohl es dabei vor allem um die Prägung von Eliten ging – darauf beschränken konnten die Jesuiten sich schon aus sozialen und politischen Gründen nicht. Vollends eröffneten die Eigenart der Medien und ihr Einsatz im Verbund die Chance, viel breitere Adressatenkreise zu erreichen. Als Medienverbünde wirkten die Jesuitenuniversitäten weit über Studenten, Gelehrte, Kleriker hinaus.

Da dieser Ansatz in der Forschung bislang nicht etabliert ist, auch noch keine systematischen Vorarbeiten dazu existieren, vermag die geplante Tagung ihn nicht umfassend durchzuführen. Ihr Ziel besteht vielmehr darin, der Forschung Impulse zu geben, indem sie das Potential und die Brauchbarkeit des Ansatzes anhand von Fallstudien zur Diskussion stellt. Mehrere Beiträge werden die Universität Paderborn zum Beispiel ma-chen, weil deren vierhundertjähriges Gründungsjubiläum zuletzt einschlägige neue Forschungen veranlasst hat.

Geplant sind Beiträge zu folgenden Medien: Universitätsbauten, Gesangbüchern, Wallfahrten, Bibliothek u.a. Gefragt werden soll jeweils:
1. Wenn man die bekannten Aspekte von Jesuitenuniversitäten als Medien in den Blick nimmt, d.h. als Mittel einer öffentlichen Kommunikation, welche Kommu-nikationspartner rücken dann in den Blick – neben den geistlich-gelehrten Eliten und über sie hinaus?
2. Wie wurden der Mediengebrauch und damit die Beteiligung an der öffentlichen Kommunikation an den Jesuitenuniversitäten reflektiert und methodisiert?
3. Als Medienzentren schalteten die Jesuitenuniversitäten sich gezielt in die „Kommunikation unter Anwesenden“ in den Städten ein (R. Schlögl); die Förderung von Wallfahrten strahlte auf ganze Landstriche aus. Immer scheint der jesuitische Mediengebrauch dabei der Intervention gedient zu haben: Offenbar sollte er die öffentliche Kommunikation verändern, ihr neue Formen und Inhalte geben. Daher stellt sich die Frage: Auf welche Weise hat der jesuitische Mediengebrauch die jeweils vorhandene öffentliche Kommunikation verändert? Wie hat er öffentliche Räume besetzt, geprägt, neu kodiert? Auf welche konkurrierenden Akteure oder Medien hat er reagiert?

Programm

Fr 13. März

09.00–09.30 Uhr
Eröffnung der Tagung
Grußworte
Der Präsident der Universität Paderborn Prof. Dr. Wilhelm Schäfer
Der Rektor der Theologischen Fakultät Paderborn Prof. Dr. Josef Meyer zu Schlochtern

09.30–10.15 Uhr
Johannes Süßmann (Paderborn): Jesuitenuniversitäten als Medienzentren. Eine Einführung

10.15–10.30 Uhr
Diskussion

10.30–10.45 Uhr
Kaffeepause

Sektion I: Kirchenbau Leitung: Prof. Dr. Johannes Süßmann (Paderborn)

10.45–11.15 Uhr
Dr. Meinrad v. Engelberg (Darmstadt): Modo NOSTRO? Jesuitenarchitektur als Medium

11.15–11.30 Uhr
Diskussion

11.30–12.00 Uhr
Prof. Dr. Christoph Stiegemann (Paderborn): Docere et movere. Bildmediale Strategien in der jesuitischen Kirchenausstattung des Barock

12.15–12.30 Uhr
Diskussion

12.30 Uhr
Mittagessen im Liborianum

13.45-14.45 Uhr
Prof. Dr. Christoph Stiegemann (Paderborn): Führung durch die Ausstellung: Zur Ehre der Altäre. Jesuitenschätze aus den Beständen des Diözesanmuseums Paderborn

Sektion II: Frömmigkeitspraktiken Prof. Dr. Claudia Wiener (München)

15.00–15.30 Uhr
Carolin Pecho M.A. (Paderborn): Konfessionelle Neuverortung. Die Paderborner Roms-Wallfahrt auf Bildern und Karten im 17. Jahrhundert

15.30–15.45 Uhr
Diskussion

15:45–16.15 Uhr
Dr. Damien Tricoire (Halle): Vergemeinschaftung, göttliche Liebe und bayerische Landespolitik. Die Bürgersodalität Maria vom Sieg in Ingolstadt

16.15–16.30 Uhr
Diskussion

16.30–17.00 Uhr
Kaffeepause mit Kuchen im Speisesaal

Sektion III: Theater – Musik – Lied Leitung: Prof. Dr. Sabine Meine (Detmold)

17.00–17.30 Uhr
Prof. Dr. Franz Körndle (Augsburg): Die Jesuiten und die Kirchenmusik nach dem Konzil von Trient

17.30–17.45 Uhr
Diskussion

17.45–18.30 Uhr
Prof. Dr. Josef Meyer zu Schlochtern (Paderborn): Buchvorstellung 400 Jahre Academia Theodoriana

19.00 Uhr
Abendessen

20.00 Uhr
Öffentlicher Abendvortrag in der Aula des Liborianum: Prof. Dr. Lothar van Laak (Paderborn): Boten des Glaubens. Lieder als Medienkunstwerke bei Friedrich von Spee.

anschließend
Empfang im Kapuzinerkeller (Liborianum)

Sa 14. März

Sektion IV: Buchkultur Leitung: Prof. Dr. Johannes Meier (Mainz)

09:00–09.30 Uhr
Reinhard Feldmann (Münster): Theologie – Pharmazie – Schauspiel. Die vielschichtigen Facetten der Jesuitenbibliothek Münster (1588–1773)

09.30–09.45 Uhr
Diskussion

09.45–10.15 Uhr
Prof. Dr. Hermann-Josef Schmalor (Paderborn): Zur Geschichte der Paderborner Jesuitenbibliothek

10.15–10.30 Uhr
Diskussion

10.30–11:00 Uhr
Kaffeepause

11.00–11.30 Uhr
Dr. Maria Kohle (Dortmund): Jesuitische Lied- und Gesangbuchpolitik zur Festigung des Glaubens und zur Gestaltung von Frömmigkeit im Hochstift Paderborn

11.30–11.45 Uhr
Diskussion

11.45–12.15 Uhr
Javier Francisco Vallejo (Berlin): Die spanisch-amerikanische Jesuitenuniversität als gesellschaftlicher Hub. Eine Fallstudie aus globalgeschichtlicher Perspektive

12.15–12.30 Uhr
Diskussion

12.30 Uhr
Mittagessen

14.00–14.30 Uhr
Abschlussplenum

14.30–15.30 Uhr
Vorstellung aktueller Forschungsarbeiten

16.00 Uhr
Prof. Dr. Josef Meyer zu Schlochtern (Paderborn): Führung durch das ehemalige Jesuitenkolleg (heute Theologische Fakultät) und die ehemalige Jesuitenkirche (heute Marktkirche) Paderborn

18.00 Uhr
Mitgliederversammlung der Jesuitica e.V.

So, 15. März

10.00 Uhr
Exkursion nach Büren

Contact (announcement)

Carolin Pecho

Warburger Str. 100
33098 Paderborn

Carolin.Pecho@upb.de

http://kw.uni-paderborn.de/institute-einrichtungen/historisches-institut/aktuelles/