Livland - eine Region an der Peripherie im Austausch mit den Zentren Europas

Livland - eine Region an der Peripherie im Austausch mit den Zentren Europas

Organizer
Institut für Geschichte und Archäologie der Universität Tartu, Baltische Historische Kommission
Venue
Universität Tartu, Philosophische Fakultät
Location
Tartu
Country
Estonia
From - Until
18.09.2015 - 19.09.2015
Website
By
Remigius Stachowiak

Livland lag im Mittelalter am Rande der lateinischen „christianitas“. Diese Tatsache war nicht nur eine geographische Gegebenheit, sondern sie spielte auch eine Rolle im politischen und historischen Selbstverständnis der Region und wurde als solche aktiv propagiert. Man war sich in Livland der peripheren Lage bewusst und kannte die Verbindungslinien zu den verschiedenen Zentren des europäischen Kontinents. In vieler Hinsicht gründeten auf ihnen die Strukturen des Landes. Für die Kirche waren die Beziehungen zum Papsttum mit seinen Residenzen in Rom und Avignon konstitutiv. Politische Verfassung und Verwaltung orientierten sich eng an den Verhältnissen im deutschen Reich. Die livländischen Städte mit ihrer Vermittlerrolle im hansischen Russlandhandel pflegten enge Verbindungen zu den Städten Norddeutschlands, wenn sie ihnen auch ökonomisch und politisch nachstanden. Ein beträchtlicher Teil der sozialen Elite war eingewandert und blieb dem Adel im Rheinland und in Westfalen verbunden. Livländer besuchten deutsche und italienische Universitäten. Zum Teil hochwertige Kunstwerke waren importiert oder von auswärtigen Meistern geschaffen. Allerdings sollte der Austausch zwischen Livland und dem polyzentrischen Europa nicht von vornherein einseitig, die Region nicht allein als passives Objekt gesehen werden. Zu fragen ist, inwieweit die livländischen Akteure trotz schwieriger Kommunikation und begrenzter Möglichkeiten versuchten, eine aktive Rolle gegenüber den diversen Zentren des Kontinents zu spielen, ihnen gewissermaßen näherzukommen und sie dabei auch zu beeinflussen. Untersucht werden soll dies anhand von Beispielen aus der Kirchen-, Politik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Aspekten von Schriftlichkeit, Kunst und geistiger Kultur, wobei auch methodische Probleme zu thematisieren sind. Leitfragen werden hierbei sein: Welches waren die europäischen Zentren, auf die man sich in Livland bezog und auf die man einzuwirken versuchte? Inwieweit wurden diese Zentren in Livland definiert und konstruiert? In welcher Weise wurden das Wissen und die Kompetenzen, die man aus diesen Zentren bezog, modifiziert und gefiltert, und inwieweit wurden Innovationen zurückgegeben? Wie funktionierten der gegenseitige Austausch und die Kommunikation? Welche Persönlichkeiten taten sich dabei in Livland besonders hervor? Ziel ist es, das Verhältnis zwischen dem peripheren Livland und seinen vielen europäischen Zentren vom 12. bis zum 16. Jahrhundert in seiner produktiven Gegenseitigkeit besser zu erkennen.

Programm

Freitag, 18. September 2015

Christian KRÖTZL: Europa und der Norden: Zentrum, Peripherie und Identitäten
Anti SELART: Livland im Mittelalter: „Blivland“ oder Land der Verbannung?
Matthias THUMSER: Ernst Pitz wiedergelesen. Päpstliche Urkundenausstellung und die Mission in Livland
Jaron STERNHEIM: „de pawes hefft ene to synem legatin gemaket und grote privilegia gegeven“ - Politische Akteure in den Verflechtungen zwischen Livland und der Kurie im 15. Jahrhundert
Mihkel MÄESALU: Die Steuerforderungen des Heiligen Römischen Reiches vom Erzbistum Riga in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
Madis MAASING: Livland und die Reichstage im 16. Jahrhundert
Alexander BARANOV: Der Deutsche Orden und Livland in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ein peripheres Tätigkeitsfeld?
Johannes GÖTZ: Der Deutsche Orden in Livland. Ein Außenposten?
Juhan KREEM: Zum Selbstverständnis des Deutschen Ordens in Livland im 16. Jahrhundert. Eine Peripherie mit Zentrumsambitionen?

Samstag, 19. September 2015

Ilgvars MISĀNS: Diplomatischer Eiertanz. Die livländischen Hansestädte zwischen Lübeck und Danzig im 15. Jahrhundert
Madlena MAHLING: Die briefliche Kommunikation der livländischen Städte mit Lübeck in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
Klaus NEITMANN: Ein Franke an den äußersten Rändern der Christenheit: Erzbischof Wilhelm von Riga zwischen einheimischem und landfremdem Herrschaftspersonal
Marek TAMM: Livonia in Medieval Mendicant Networks
Gustavs STRENGA: Memories and Distance. Memoria between Livonia and Europe during the Late Middle Ages
Linda KALJUNDI: Mariological Peripheries: A Comparative Approach
Krista ANDRESON: Import oder einheimische Produktion? Das Problem des Kulturtransfers am Beispiel der Holzskulptur in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
Ralf LÜTZELSCHWAB: Kometen und Kalamitäten, oder: Vom Nutzen astrologischen Wissens an der Peripherie
Kurt VILLADS Jensen: Concluding Remarks

Contact (announcement)

Matthias Thumser

Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, Koserstr. 20, D-14195 Berlin

matthias.thumser@fu-berlin.de


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