Der Zweite Weltkrieg ist die Zeit, die die historischen Erinnerungen der europäischen Nationen bis in die Gegenwart am stärksten prägt. Zugleich ist die Erinnerung an den Holocaust während der letzten Jahrzehnte zum negativen Bezugspunkt einer sich entwickelnden globalen Moral geworden. Die Holocausterinnerung steht dabei vielfach in einem spannungsreichen Verhältnis zu nationalen Geschichtserzählungen über diese Zeit, und auch im europäischen Kontext ist während des letzten Jahrzehnts kontrovers diskutiert worden, in welchem Verhältnis der Holocaust auf der einen und sowjetische bzw. kommunistische Verbrechen auf der anderen Seite als zentrale Elemente einer europäischen Erinnerungskultur stehen sollten. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der seit 2013/14 andauernden Konflikte haben diese Fragen für die Ukraine besondere Aktualität gewonnen. Die Politik der Heroisierung des Großen Vaterländischen Krieges stand im Mittelpunkt des Prozesses der Herausbildung des sowjetischen Volkes in der ehemaligen Sowjetunion. In der postsowjetischen Ukraine erlebte dieser Mythos eine deutliche Wandlung. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg erfuhr eine erhebliche Regionalisierung und zum Teil wurde sie in innenpolitischen Auseinandersetzungen sowie in den Beziehungen zu Russland und Polen instrumentalisiert. Auch in Debatten um die aktuelle „Dekommunisierung“ spielt die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg eine Rolle.
Die Deutsch-Ukrainische Historikerkommission lädt Promovierende und fortgeschrittene Studierende in Master-Programmen zu einem Seminar ein, bei dem der Geschichte der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in der Ukraine und in Deutschland in einem europäischen Kontext nachgegangen werden soll.
Das Seminar findet in Zusammenarbeit mit der Nationalen I.I. Mečnikov-Universität Odesa in Odesa statt. Daher sind für das Seminar zwei Schwerpunkte vorgesehen. Zum einen sollen während des Seminars eigene Forschungsarbeiten der ukrainischen und deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorgestellt und untereinander und mit weiteren Experten diskutiert werden. Dies können Promotionsprojekte oder auch Arbeiten aus Masterstudiengängen sein, die sich mit der Erinnerungsgeschichte unterschiedlicher Aspekte der Geschichte des Zweiten Weltkriegs in der Ukraine oder in Deutschland beschäftigen. Zum anderen sollen während des Seminars Orte der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Odesa besucht und an ihrem Beispiel verschiedene Probleme der Erinnerungsgeschichte und der aktuellen Erinnerungskultur vertieft behandelt und mit Akteuren vor Ort diskutiert werden.
Das Seminar findet unter der Leitung von Prof. Dr. Polina Barvins’ka (Universität Odesa) und PD Dr. Kai Struve (Universität Halle) statt.
Insgesamt stehen 12 Plätze zur Verfügung. Die Gruppe sollte sich möglichst zu gleichen Teilen aus Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Deutschland und der Ukraine zusammensetzen. Die Veranstaltung findet in Deutsch und Ukrainisch mit Übersetzung statt.
Die Übernachtungs- und Verpflegungskosten werden von den Veranstaltern übernommen. Außerdem wird ein Reisekostenzuschuss für die Anreise aus Deutschland in Höhe von maximal 200 Euro gewährt.
Wir möchten Interessenten bitten, eine Bewerbung mit Lebenslauf, einem kurzen Motivationsschreiben sowie einem Exposé ihres Forschungsvorhabens (maximal 300 Wörter) gebündelt zu einer PDF-Datei bis zum 10. September 2016 an folgende Adresse zu schicken: kateryna.kudin@lrz.uni-muenchen.de.
Die DUHK hat im Februar 2015 ihre Arbeit aufgenommen. Sie steht für die institutionelle Verbindung zwischen deutscher und ukrainischer Geschichtswissenschaft und fördert die Verbreitung des Wissens um die deutsche und ukrainische Geschichte.