Ein buntes Nebeneinander unterschiedlicher Zeitrechnungen und Kalender kennzeichnete die Antike: Jahresangaben folgten gesellschaftsspezifischen Ären oder standen unter den Namen lokaler Herrscher, Priester oder Amtsträger; auch die meist lunisolaren Kalender, die die Zyklen des Mondes mit dem Lauf der Sonne in Einklang bringen sollten, variierten erheblich von Ort zu Ort. Diese Vielfalt birgt weitreichendes Erkenntnispotential, doch blieben Untersuchungen meist auf die mathematisch-technischen Aspekte fokussiert. Das DFG-Netzwerk "CHRONOS. Soziale Zeit in den Kulturen des Altertums" widmet sich der Thematik nun aus einer neuen Perspektive: Unter Anwendung des soziologischen Konzepts der "sozialen Zeit" versteht es Zeit nicht als physikalische Gegebenheit, sondern als ein soziales Konstrukt. So können chronologische Systeme wie Jahreszählung oder Kalender weit mehr als bloße Mittel zur Etablierung historischer Ereignisketten oder zur Datierung von Artefakten sein. Sie reflektieren nicht nur die Abläufe und Rhythmen des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens, sondern bestimmen diese auch maßgeblich. Dadurch gewähren sie Einblicke in das Selbstverständnis und die Funktionsweise von Gesellschaften. Ganz besonders gilt das für das Altertum, dessen hohe Diversität und Parallelität zeitlicher Ordnungen sowohl innergesellschaftliche Dynamiken als auch kulturelle Interdependenzen offenlegen kann.
Im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung in Frankfurt stehen das Konzept der "sozialen Zeit" und aktuelle Ansätze in der Forschung zu antiken Zeitordnungen. Die am Netzwerk beteiligten Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus der Altorientalistik, der Ägyptologie, der Judaistik, Alten Geschichte, Klassischen Philologie und Klassischen Archäologie werden ihre Projekte präsentieren und zusammen mit den Gastreferenten das Potential des soziologischen Zugriffs ausloten.
Auswärtige Gäste sind herzlich willkommen. Wir bitten aber um vorherige Anmeldung (faerber@em.uni-frankfurt.de).