Die Tagung setzt sich zum Ziel, die ästhetischen, sozialen und politischen Dimensionen von Bewunderung vom Anstaunen bis zur Verehrung zu untersuchen. Ausgangspunkt ist die Frage, wie und mittels welcher Verfahren, Formen und Techniken Bewunderung in sozialen, medialen und künstlerischen Settings provoziert und inszeniert wird und welche historisch je unterschiedlichen Konzepte und (Selbst-)Modellierungen des Subjekts dabei jeweils auf dem Spiel stehen. In diesem Sinne verbindet die Tagung die Debatte um Subjektivierungsprozesse (doing subject) mit der Frage nach einer Ästhetik und Politik der Bewunderung. Bewundert wird jemand (oder etwas), dessen besondere oder sogar einzigartige Eigenschaften und Fähigkeiten, dessen Stil und Auftreten beeindrucken, begeistern und in ihren Bann ziehen. Diese Wirkungen beruhen auf Regimen der Lenkung von Aufmerksamkeit und einem Prozess der Singularisierung, der das Einzigartige, Nicht-Standardisierte oder Perfektionierte zum kulturellen (Selbst-)Ideal erhebt. Die Evokation von Bewunderung ist in diesem Spiel zwischen Subjekt und Objekt, Individuum und Kollektiv, perspektivierter Wahrnehmung und kollektivem Imaginärem, ein entscheidender Motor. Sie ist nicht nur verknüpft mit Strategien der Selbstinszenierung, sondern impliziert auch die Möglichkeit der Instrumentalisierung von Bewunderung durch Verfahren der Überwältigung, der Überraschung, aber auch der Täuschung und des Fakes, um bestehende kulturelle Ordnungen abzusichern oder zu unterminieren.
Das Tagungsthema soll dabei insbesondere mit Blick auf folgende Schwerpunkte in einem historischen Rahmen von 1600 bis zur Gegenwart entfaltet und diskutiert werden:
(1) Ich-Figurationen
Im Rahmen der Tagung soll das Augenmerk auf jene Praktiken und Techniken der Selbstkonstruktion und -darstellung gelenkt werden, die ein Bestaunt-Werden oder Überraschen-Wollen implizieren. Ich-Figurationen zielen in diesem Zusammenhang auf das komplexe Verhältnis von Person, Selbstdeutung, Figur und Rolle; sie sind gebunden an historisch sich wandelnde Verständnisse des Subjekts, Konzepte von Körperlichkeit und Gender, Sichtbarkeitsregime und Bildökonomien. Zu fragen wäre, welche Bedeutung der Bewunderung in Prozessen der narrativen, visuellen und performativen Konstruktion eines Selbst zukommt, wie sich darüber das Verhältnis von Ich und Welt, Individuum und Kollektiv, Subjekt und Gesellschaft konturiert und wie sich öffentliche Figur und privates Ich zueinander verhalten. Welche genderspezifischen Differenzen lassen sich hinsichtlich einer bewundernswerten Selbstinszenierung ausmachen? Welche Gelingensbedingungen (von ästhetischen Prämissen, diskursiven Kontexten bis ökonomischen Faktoren) knüpfen sich an Formen und Techniken der Selbstinszenierung?
Mögliche Themenfelder:
- (Auto)biographische Schreibweisen, Autoethnographien und -Performances
- Erzähl(er)instanzen und Autorkonzepte / Künstlerfiguren / Erfinderfiguren
- Auftritte von u.a. Politiker/innen, Künstler/innen, Wissenschaftler/innen
- Praktiken des Self-Fashioning
(2) Vergemeinschaftung
Staunen ist als Emotion zumeist auf den Erfahrungshorizont eines Einzelnen bezogen. Demgegenüber stellt sich jedoch die Frage, wie sich ein ,geteiltes Staunen‘ fassen ließe und welche Formen und Medien der Übertragung von Bewunderung sich in (temporären) Kollektiven ausmachen lassen. Welche Akte und/oder Qualitäten sind es, die kollektive Bewunderung hervorbringen können? Wie konstituieren oder stabilisieren sich Kollektive im Akt des Bewunderns oder der Verblüffung und welche Subjektverhältnisse und Hierarchien resultieren daraus? – Diese Fragen sind insbesondere virulent mit Blick gegenwärtige wie historische Verhältnisse medialer Repräsentationsformen von Bewunderung – in der Politik, den (sozialen) Medien und den Künsten –, die sich nicht nur in einer affektiven Ökonomie des Sozialen verstehen lassen, sondern auch im Kräftefeld konkreter ökonomischer Interessen funktionieren. Fokussiert werden soll dabei vor allem die Rolle medialer und künstlerischer Techniken, über die ein Raum der Bewunderung geschaffen werden kann, in dem sich der Einzelne in einem affektiv aufgeladenen Kollektiv wiederfindet.
Mögliche Themen:
- Fankulturen/Fanfiction
- Praktiken des ‚Teilens‘ in sozialen Medien
- Autorblogs
- Autoritarismus/Populismus
- Verehrungspraktiken (Heilige, Führerfiguren, Idole)
(3) Entwunderung
Bewunderung, aber auch die Möglichkeit der Überraschung und der Evokation von überwältigendem Staunen als Bedingung politischer, ökonomischer und wissenschaftlicher Dominanz ist, als kulturell und historisch bedingte, immer auch gefährdet. Die Inszenierung kann die Wirkung verlieren oder selbstverständlich werden, Aufmerksamkeiten können sich verlagern, Überraschungen und Schlagzeilen sich verflüchtigen, und die (kollektive) Bewunderung kann sich zersplittern, in Enttäuschung oder Ernüchterung umschlagen oder sich auf andere Objekte verlagern. Fokussiert werden sollen diese Kippmomente von Bewunderung sowie die (unberechenbaren) Dynamiken von Um- und Entwertungen und die Transformationen von Bewunderung in andere Formen der Anerkennung, etwa in Form von Reputation oder Wertschätzung. Dabei ist nicht nur die Frage zentral, was das Staunen, als evozierte, gesellschaftlich wirkende Bewunderung (zer)stört, sondern auch – insbesondere mit Blick auf politische und ökonomische Kontexte –, ob es Verfahren oder Mechanismen einer Verstetigung oder Auf-Dauer-Stellung von Bewunderung gibt. Welche Zeitlichkeiten impliziert Bewunderung? Kann Bewunderung gemessen werden? Und mit welchen Ansprüchen und Herausforderungen, die sich aus der Dynamik zwischen (potenzieller) Würdigung und (drohender) Abwertung ergeben, sieht sich ein Subjekt mit Blick auf seine Performance und Leistungsfähigkeit konfrontiert?
Mögliche Themen:
- Erosion von inszenierter Größe
- Ridikülisierung / politische Karikatur
- Regimewechsel
- Skandale
- Gerüchteküchen
- Anerkennungskulturen
Die Tagung wird vom 4. bis 6. Juli 2019 an der Universität Zürich stattfinden. Sie wird geleitet von Mireille Schnyder (Universität Zürich), Nicola Gess (Universität Basel), Ulrich Bröckling (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) und Hugues Marchal (Universität Basel). Vorgesehen sind 30-minütige Vorträge (sowohl in deutscher als auch englischer Sprache) mit anschließender Diskussion.
Bitte senden Sie eine Skizze zu Ihrem Themenvorschlag (max. 400 Worte) sowie einen kurzen Lebenslauf (einschließlich aktueller Publikationen) bis zum 30. November 2018 per E-Mail an daniela.hahn@uzh.ch. Geben Sie in Ihrem Abstract bitte an, zu welchem der drei thematischen Schwerpunkte Sie Ihren Vortrag zuordnen. Eine Benachrichtigung über die Annahme erfolgt bis spätestens zum 15. Januar 2019.
Für weitere Informationen steht Ihnen die Koordinatorin des Projekts, Daniela Hahn (daniela.hahn@uzh.ch), gern zur Verfügung.