Seit der Rede von Emmanuel Macron in Ouagadougou (Burkina Faso) ist die Frage des Umgangs mit Kunstwerken aus der kolonialen Vergangenheit und deren heutigen Aufbewahrungsorten wieder in aller Munde. Dabei werden aber häufig solche Kulturgüter übersehen, die in der Vergangenheit Bestandteil architektonischer Komplexe waren und sich entweder in Europa in Sammlungen befinden oder in die dortigen urbanen Strukturen integriert wurden. Der Pergamonaltar, das Löwen- oder Ischtartor oder die Kolossalskulpturen von Mschatta in Berlin, die Figuren der Akropolis in London, der Obelisk von Alexandria in Paris oder die kolossalen Sphingen Amenophis’ III. aus Theben in St. Petersburg, um nur wenige Beispiele zu nennen, wurden Architekturensembles entnommen. Damit stellt sich die Frage nach den Veränderungen bei der Einordnung dieser Großobjekte in zeitgebundene historische Narrative und deren Bewertungen, was zur Frage des Umgangs mit diesen Monumentalobjekten führt.
Andererseits sind aber aus dem urbanen Gestaltungspotential kolonialer Herrschaft Städte oder zumindest Stadtviertel entstanden, die heute als koloniales Erbe überliefert sind. Sie wurden jedoch im Zuge einer Umdeutung von Geschichte nach der Unabhängigkeit aus dem Bewusstsein verdrängt, weil sie nicht in das Masternarrativ der eigenständigen Nationsbildung passten. Erst seit der Jahrtausendwende haben sie wieder auf lokaler Ebene verstärkt Aufmerksamkeit gefunden und sie werden langsam auch als Teil einer eigenen transkulturellen Geschichte begriffen, mit der sich auseinander gesetzt werden muss.
Auf der Tagung soll ein intermediterranen Dialog angeregt werden, in dessen Zentrum die Schwierigkeiten im Umgang (historiographischer und konservatorischer Natur) mit den Varianten des kolonialen Architekturerbe stehen soll.