Kampfbegriff "Aufklärung" – Intellektuelle Strategien und transkulturelle Kontroversen

Kampfbegriff "Aufklärung" – Intellektuelle Strategien und transkulturelle Kontroversen

Veranstalter
Universität des Saarlandes, Saarbrücken (Europa-Kolleg CEUS)
Veranstaltungsort
Die Tagung findet Videokonferenzdienst Zoom statt
PLZ
66123
Ort
Saarbrücken
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.09.2020 - 02.10.2020
Deadline
18.09.2020
Von
Anne Conrad, Philosophische Fakultät, Institut für Katholische Theologie, Universität des Saarlandes, Saarbrücken

Wie wurden die Idee der Aufklärung und die mit ihr verbundene Metaphorik eingesetzt, um bestimmte Konzepte, Strukturen und Praktiken durchzusetzen oder zu bekämpfen? In interdisziplinärer Perspektive wird nach Kontroversen um „Aufklärung“ im 18. Jahrhundert gefragt wie auch nach Rezeptionsprozessen und Kritik – auch im Blick auf den Diskurs um Mündigkeit des modernen Menschen im 21. Jahrhundert und gerade dort, wo das Projekt Aufklärung einer spezifisch europäischen Identität zugesprochen wird.

Kampfbegriff "Aufklärung" – Intellektuelle Strategien und transkulturelle Kontroversen

"Aufklärung" als Kampfbegriff – die Tagung lenkt Aufmerksamkeit auf die Frage, wie die Idee der Aufklärung und die mit ihr verbundene Sprache und Metaphorik eingesetzt worden sind, um bestimmte Konzepte, Strukturen und Praktiken durchzusetzen oder zu bekämpfen. Diese Frage bezieht sich sowohl auf die historische Epoche selbst, die den Aufklärungsbegriff kontrovers diskutiert, als auch auf ihre Rezeption und damit einhergehende problematische Prozesse der Aneignung und Enteignung – gerade dort, wo das Projekt Aufklärung einer spezifisch europäischen Identität zugesprochen wird.

Untersucht werden demnach auch die „Schattenseiten“ der Aufklärung mit Fokus auf die Kategorien Gender, Ethnie und Klasse: das heißt, die verdrängten Geschichten der Aufklärung, die eine kontrapunktische Moderne darstellen und Hybridisierungsprozesse sowie gegenseitige Transkulturationen aufweisen. Zugleich wird eine Brücke zu einem Gegenwartsdiskurs geschlagen, der die Mündigkeit des Menschen im 21. Jahrhundert neu verhandelt und die Frage nach der Dialektik der Aufklärung, etwa im Kontext von Fortschrittsglauben und Kulturpessimismus, einmal mehr stellt.

Die fünf Tagungspanels thematisieren Diskurse und Praktiken von Aufklärung aus literatur-wissenschaftlicher, theologischer, historischer, medientheoretischer sowie kulturwissenschaftlicher Perspektive und verknüpfen epochenspezifische mit gegenwartsrelevanten Fragestellungen.

Alle Beiträge werden vorab online zugänglich gemacht. In der Zoom-Konferenz werden die wesentlichen Thesen pointiert präsentiert und können dann vertieft diskutiert werden.

Die Tagung ist Teil der Forschungsinitiativen des Europa-Kolleg CEUS der Universität des Saarlandes. Weitere Informationen dazu unter: www.uni-saarland.de/ceus.

Programm

Mittwoch, 30.9.2020

8:30–9:00 Begrüßung und Einführung
Johannes Birgfeld / Stephanie Catani / Anne Conrad

Panel I Kontroverse Uneindeutigkeiten – Epochenbild und Epochenbegriff

Moderation: Michael Hüttenhoff / Stephanie Blum

9:00–9:30 Daniel Fulda (Halle-Wittenberg): Aufklärung als Kampfbegriff der 1720er-Jahre – und die Re-Inszenierung dieses Kampfes drei Jahrhunderte später

9:30–10:00 Sophia Mehrbrey (Saarbrücken): Zwischen Winterkönig und Sonnenkönig – Transkulturelle Konfliktlinien im Zeichen der Frühaufklärung am Beispiel Liselottes von der Pfalz (1652–1722)

10:00–10:30 Stephanie Blum (Saarbrücken): Kämpferische Inszenierungspraktiken im Leipzig-Zürcher Literaturstreit

10:30–11:00 Pause

11:00–11:30 Katarzyna Pieper-Brandstädter (Bremen): Aufklärung in Polen als Zivilisierung eines „Irokesenstammes“

11:30–12:00 Maximilian Lässig (Trier): Kampfbegriff Aufklärung. Das Konzept radikaler und moderater Aufklärung

12:00–12:30 Michael Hüttenhoff (Saarbrücken): „Wandelt im Lichte!“ Die spätrationalistische Apologie der Aufklärung

Panel II Aufgeklärte Bildung und Erziehung – Chancen, Widersprüche, Aporien

Moderation: Anne Conrad/Alexander Maier

14.00–14.15 Einführung in das Panel und Vorstellung der Teilnehmer*innen (A. Conrad, A. Maier)

14:15–14:45 Björn Spiekermann (Guangzhou/China): Konkrete Vernunft. Affekt und Vorurteil in den frühen Moralischen Wochenschriften

14:45–15:15 Sebastian Engelmann (Tübingen): Pädagogische Aufklärung(en) –Die Diskussion um die Aufklärungspädagogik im Spiegel von Rezensionen bei Friedrich Gabriel Resewitz

15:15–15:45 Léonard Loew (Saarbrücken): Fremde Kämpfe. Die 'aufgeklärte' Pädagogisierung der Einfühlung als Erbe christlicher Sozialethik

15:45–16:15 Anne Conrad (Saarbrücken): Aufklärung, Bildung und Weiblichkeit im Generationskonflikt: Agnes von Medem und Elisa von der Recke

16:15–16:30 Pause

16:30–17:00 Ricarda Vulpius (Berlin): Aufklärung und Kolonialismus im Zarenreich des 18. Jahrhunderts

17:00–17:30 Peter Dietrich (Braunschweig): Deutsch-jüdische Pädagogik seit der Haskala

17:30–18:00 Alexander Maier, (Saarbrücken/Luzern): Erziehung zwischen Religion und Vernunft. Das Konzept einer ‚wahren‘ Bildsamkeit bei Friedrich H.C. Schwarz (1766–1837)

Donnerstag, 1.10.2020
Panel III Aufklärung als (religiöse) Emanzipation – Strategische Instrumentalisierungen

Moderation: Christoph Nebgen/Margit Ernst-Habib

9:00–9:30 Patrick Poppe (Frankfurt am Main/Saarbrücken): ‚Kampf gegen Überlieferungen‘ – Adrian Relands (+1718) De Religione Mohammedica als Werk der Frühaufklärung

9:30–10:00 Marlene Meuer (Lüneburg): Aufklärerische Antikebilder als ‚Gegenreligion‘. Konfliktinszenierungen im Eigenen der Kultur

10:00–10:30 Kai Gräf (Heidelberg): Wie säkular war die Aufklärung? Deutsche Spätaufklärer zwischen Religionskritik und Atheismusverdacht

10:30–11:00 Pause

11:00–11:30 Christoph Nebgen (Saarbrücken): Jesuitische Berichterstattung aus Übersee in der Frühen Neuzeit – zwischen Apologetik, humanistischer Pflichterfüllung und aufgeklärtem Diskurs

11:30–12:00 Lucie Kaennel (Zürich): Die Auseinandersetzung des lateinamerikanischen Befreiungs- und dekolonialen Denkens mit der Aufklärung: Auf dem Weg zu einem Paradigmenwechsel?

12:00–12:30 Anna Kallabis (Trier): „Was ist Aufklärung?“ – Innerkatholische Kontroversen um ‚wahre Aufklärung‘ im Erzbistum Trier um 1797/98

Panel IV Aufklärung im medialen Diskurs – Dialektik und Widerspruch

Moderation: Stephanie Catani/Johannes Birgfeld/Sophia Mehrbrey

14.00–14.15 Einführung in das Panel und Vorstellung der Teilnehmer/innen (J. Birgfeld, S. Catani, S. Mehrbrey)

14:15–14:45 Jens-Ole Schneider (Jena): Das alles sehende Auge. Widersprüche in der historischen Aufklärungssemantik anhand eines Motivs

14.45–15.15 Johannes Birgfeld (Saarbrücken): Ausweitung der Kampfzone – Medaillen und Vivatbänder

15.15–15.45 Jonas Nesselhauf (Saarbrücken): Unmoralische Aufklärungen. Ästhetiken des „Abseitigen“ im Medienvergleich

15.45–16:15 Pause

16.15–16.45 Thomas Franck (Lüttich/Berlin): Entre Lumières et raison instrumentale: le dialogue Adorno-Goldman

16.45–17.15 Roger Bautier (Paris): Les Lumières et les nouvelles formes d’écrit

17.15–17.45 Stephanie Catani (Saarbrücken): Aufgeklärte Gegenwart – Gegenwart der Aufklärung. Rede(n) von der Aufklärung im Spannungsfeld von Reaktualisierung – Politisierung – Instrumentalisierung

Freitag, 2.10.2020

Panel V Europäische Aufklärung – Transkulturell und kolonialistisch

Moderation: Astrid M. Fellner / Hans-Jürgen Lüsebrink / Magdalena Pfalzgraf

Sektion I: Koloniale Verarbeitungen und Dynamiken (Moderation: Hans-Jürgen Lüsebrink)

9:00–9:30 Astrid M. Fellner / Magdalena Pfalzgraf (Saarbrücken): Andere Aufklärungen. Ozeanische Welten, Körperwissen und fluide Geschlechter

9:30–10:00 Christopher Meid (Freiburg): Reflexion und Revolution: „Benjamin Noldman’s Geschichte der Aufklärung in Abyssinien“ (1791) von Adolph Freiherr Knigge

10:00–10:30 Messan Tossa (Lomé-Togo): Narrativ der Aufklärung in Biographien von afrikanischen „Hofmohren“

10:30–10:45 Pause

Sektion II: Postkoloniale Infragestellungen und Verarbeitungen I (Moderation: Astrid M. Fellner)

10:45–11:15 Ibtissem Skander (Sfax/Tunesien): Les échos de Lumières dans les écritures polémiques contemporaines

11:15–11:45 Hans-Jürgen Lüsebrink (Saarbrücken): Dialectiques africaines des Lumières – réception et critique des Lumières européennes chez des écrivains et intellectuels de l'Afrique subsaharienne postcoloniale (Henri Lopes, Achille Mbembe)

11:45–12:15 Bocar Aly Pam (Ziguinchor/Senegal): Écriture de combat et quête de justice sociale chez Sembene Ousmane

12:15–12:45 Pause

Sektion III: Postkoloniale Infragestellungen und Verarbeitungen II (Moderation: Magdalena Pfalzgraf)

12:45–13:15 Nishant K Nayaranan (Hyderabad/Telangana/Indien): Die Vermessung der Aufklärung: Grenzen und Möglichkeiten (zu Günter Grass’ „Zunge Zeigen“)

13:15–13:45 Aurore Reck (Saarbrücken): Der Wille zur Gewalt. Aufklärung und Rassismus in dem Film Get Out (2017) von Gordon Peele

13:45–14:00 Pause

14:00–14:30 Schlussrunde: Ergebnisse und Perspektiven

Moderation: Johannes Birgfeld / Stephanie Catani / Anne Conrad

Kontakt

a.conrad@mx.uni-saarland.de

https://www.uni-saarland.de/einrichtung/ceus.html