Nostalgie und Erinnerung

Nostalgie und Erinnerung

Organizer
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)
ZIP
14467
Location
Potsdam
Country
Germany
From - Until
14.06.2021 - 15.06.2021
Deadline
30.04.2021
By
Doktorand:innen des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam

Nostalgie und Erinnerung

Der Workshop findet am 14. und 15. Juni 2021 online am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) statt. Die Konferenzsprache ist Deutsch; Präsentationen können auch auf Englisch gehalten werden. Interessierte, die bei dem Workshop nicht vortragen möchten, sind herzlich willkommen, als Gäste teilzunehmen.

Nostalgia and Memory

The workshop of the Forum will take place online on 14 and 15 June 2021 at Leibniz Centre for Contemporary History Potsdam (ZZF). The conference language is German; presentations can also be held in English. Anyone interested but not wishing to present a paper is welcome to attend as a guest.

Nostalgie und Erinnerung

Nostalgie wird in gegenwärtigen Gesellschaftsdiagnosen immer wieder als Erklärung für die wahrgenommene Rückwärtsgewandtheit und kulturelle Spaltung westlicher Gesellschaften genutzt. Ein Blick zurück zeigt jedoch, wie alt diese Erklärung selbst ist. Beobachteten Theodor Adorno und Helmuth Plessner Anfang der 1960er Jahre misstrauisch eine Nostalgie für die „Wilden 20er“, rieb sich linke wie rechte Kulturkritik in den 1970er und 1980er Jahren an einer Nostalgiewelle für die Zeit des „Wirtschaftswunders“, die als Reaktion auf lebensweltliche Beschleunigung und ökonomische Krisen gedeutet wurde. In den 1990er Jahren war es dann die vermeintlich “ostalgische” Integrationsunwilligkeit der Ostdeutschen und schließlich taucht die Nostalgie als Erklärungsansatz für rechtspopulistische Bewegungen – von „Make America Great Again!“ bis „Vollende die Wende!“ – wieder auf. Grundlegend verschiedene Geschichtsbilder zeigen sich hier jeweils als zentraler Aspekt der diagnostizierten gesellschaftlichen Spaltung: Was die einen als Fortschritt feiern (etwa die Auflösung traditioneller Geschlechterrollen oder soziale Emanzipationsbewegungen), kündigt für die anderen den gesellschaftlichen Verfall an. Von solchen politischen Grabenkämpfen scheinbar unberührt, blüht derweil nicht erst mit der “Generation Golf” (Florian Illies) der Markt für Retromoden, Jahrgangs- und Jahrzehntbücher oder Alltagserinnerungen an das materielle Erbe der 1950er bis 1980er Jahre. Doch selbst diese auf den ersten Blick harmlosen nostalgischen Erinnerungen an vergangene Konsum-, Jugend- und Subkulturen wurden schon als Zeichen der Innovationslosigkeit der Popkultur (vgl. Simon Reynolds, Retromania. Pop Culture’s Addiction to its Own Past, London 2012) und Ausdruck eines regressiven Zeitgeistes im Sinne Zygmunt Baumans interpretiert (Zygmunt Bauman, Retrotopia, Cambridge, UK 2017). Insbesondere auch seit Beginn der Corona-Pandemie wird der Rückgriff auf ältere Produkte der Popkultur als Krisenbewältigung gelesen.

Angesichts der - zumeist negativ konnotierten, kulturkritischen - Verwendung des Nostalgiebegriffs für ganz unterschiedliche Phänomene stellt sich die Frage nach seinem analytischen Mehrwert für die Zeitgeschichtsforschung. Die Vielschichtigkeit der genannten Phänomene und Interpretationen deutet darauf hin, dass sich Nostalgien womöglich in ganz unterschiedlichen Forschungsfeldern unvermutet finden lassen. Das Doktorand/innen-Forum möchte deshalb in einem Online-Workshop u.a. folgende Fragen diskutieren: Was zeichnet Nostalgie aus und wie lassen sich womöglich verschiedene Nostalgien zu unterschiedlichen Zeiten und bei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen feststellen? Wie wurde Nostalgie in der Vergangenheit bewertet? Welche Rolle spielten Anlehnungen an, Verweise auf und Instrumentalisierungen von Vergangenheit in verschiedenen zeithistorischen Kontexten, seien sie politischer, kultureller oder sozialer Natur? In welchem Wechselspiel steht Nostalgie mit geschichtswissenschaftlichen Konzepten der Erinnerungs- und Geschichtskultur? Wie wäre folglich ein spezifisch zeithistorischer Nostalgiebegriff zu fassen? Dabei soll keine vorab formulierte Definition von Nostalgie die Diskussion einengen. Stattdessen wollen wir das Forum als Aufschlag verstanden wissen und dazu einladen, den Nostalgiebegriff grundsätzlich für die Zeitgeschichte zu diskutieren. In diesem Sinne soll das Forum einen Raum für den ungezwungenen Austausch zwischen den Doktorand/innen der Zeitgeschichte bieten.

Einreichungen können beispielsweise, müssen aber nicht folgende Themenfelder berühren, oder nur als Nebenaspekt des eigenen Forschungsprojekts auftreten:

-“Linke” und “rechte” Nostalgien und politische Gründungsmythen (z.B. Rechtspopulismus, Emanzipationserzählungen sozialer Bewegungen etc., Militär, Geheimdienste und Sicherheitsorgane als Erinnerungsgemeinschaften)

-Alltagsweltliche Nostalgien (z.B. Jahrzehnte als nostalgische Rückzugsräume, dörfliche Gemeinschaften, popkulturelle Nostalgie, Sportvereine als Erinnerungsgemeinschaften)

-Fiktionale/nostalgische Welten in Medien (z.B. MDR-Dokumentationen zum Alltagsleben in der DDR, Filme und Serien à la Babylon Berlin oder The Alienist, Medieval-Folk-Musik)

-Subalterne/nicht-hegemoniale Erinnerungen und Nostalgien (z.B. migrantische Erinnerungen, queere Erinnerung, Gender- und Körperbilder)

-Neue Perspektiven auf professionelle öffentliche Geschichtserzählungen (z.B. Erzählungen/Debatten in und über Ausstellungen, Public History, Geschichtspolitik).

Die Beitragsvorschläge für alle Sektionen sollten nicht mehr als 500 Wörter umfassen und können auf Deutsch oder Englisch samt eines kurzen akademischen Lebenslaufs per Mail (doktorandenforum@zzf-potsdam.de) von Promovierenden oder jungen Forschenden eingereicht werden. Einsendeschluss ist der 30. April 2021.

Das Doktorand/innen Forum verzichtet auf die klassische Tagungsstruktur. Statt in einer Sektion Vortrag auf Vortrag folgen und diese von eine/r Kommentator/in danach zusammenführen zu lassen, sollen die Teilnehmer/innen sich in einer kurzen Präsentation zu einer von den Organisator/innen im Vorfeld aufgestellten These oder Frage positionieren. Dies soll eine lebendige Diskussion ermöglichen. Die jeweiligen Thesen werden bei der Zusammenstellung der Panels auf Basis der eingereichten Texte entwickelt und den Beitragenden im Vorfeld zugesendet. Die bis zum 15. Mai 2021 auszuwählenden Referenten und Referentinnen werden gebeten, Diskussionspapiere von max. sechs Seiten auszuformulieren. Das Doktorand/innen-Forum legt den Schwerpunkt auf die Diskussion der Thesen und Herausforderungen der jeweiligen Beiträge und Forschungsvorhaben. Hierfür bitten wir um eine kompakte und problemorientierte Präsentation. Gerne gesehen sind innovative Präsentationstechniken.

Nostalgia and Memory

In contemporary social diagnoses, nostalgia has repeatedly been used as an explanation for a perceived backwardness and cultural division in Western societies. However, the critique of such reductionism has itself become historical. While Theodor Adorno and Helmuth Plessner suspicously observed nostalgia for the "Roaring Twenties" in the early 1960s, left-wing and right-wing cultural critics in the 1970s and 1980s expressed unease when confronted with a wave of nostalgia for the time of the "economic miracle" (Wirtschaftswunder), which was interpreted as a reaction to acceleration in everyday life and economic crises. In the 1990s, the supposedly "ostalgic" unwillingness of East Germans to integrate was widely lamented, and finally nostalgia emerged as an explanation for right-wing populist movements - from "Make America Great Again!” to “Finalize the ‘Wende’!”. In fact, fundamentally different conceptions of history emerge as the central basis of a diagnosed social division: what some celebrate as progress (such as the dissolution of traditional gender roles or social emancipation movements) heralds social decline for others. Apparently untouched by such political trench warfare, the market for retro fashion, yearbooks and decadebooks, or everyday memories of the material heritage of the 1950s to 1980s did not only flourish with the "Generation Golf" (Florian Illies). But even seemingly harmless nostalgic memories of past consumer and youth cultures as well as subcultures have been interpreted as signs of the lack of innovation in pop culture ( Simon Reynolds 2012, Retromania. Pop Culture’s Addiction to its Own Past, London: Faber and Faber Ltd.) and an expression of a regressive zeitgeist in the sense of Zygmunt Bauman (Zygmunt Bauman 2017, Retrotopia, Cambridge, UK: Polity). However, consuming earlier products of pop culture since the beginning of the Corona pandemic has increasingly been considered a way of dealing with crisis.

In view of the – mostly negatively connotated – use of the nostalgia concept for very different phenomena, we seek to evaluate its analytical value for contemporary history research. The complexity of the phenomena and interpretations mentioned suggests that nostalgia may be found unexpectedly in very different fields of research. The postgraduate forum therefore would like to discuss the following questions, among others: What characterizes nostalgia and how can nostalgic phenomena possibly be found at different times and in different social groups? How was nostalgia assessed in the past? Which role did references and instrumentalizations of the past play in different historical contexts, be they political, cultural or social? What is the interdependency between nostalgia and the concepts in historical science of memory and historical culture? How should a specifically contemporary nostalgia concept be conceived? We do not intend to limit debates by applying a fixed definition of nostalgia. Instead, we want the Forum to be understood as a contribution to the debate and an invitation to generally discuss concepts of nostalgia for contemporary history.

Submissions may but do not necessarily have to concern the following topics, and also may appear only as secondary aspects of your research project.

- "Left" and "right" nostalgia and political founding myths (e.g. right-wing populism, emancipation narratives of social movements etc., military, secret services and security agencies as communities of memory)

- Nostalgic images of everyday life (e.g. decades as nostalgic retreats, village communities, pop culture nostalgia, sports clubs as communities of remembrance)

- Fictional/nostalgic worlds in media (e.g. documentaries on the everyday life in the GDR, movies and tv shows like Babylon Berlin or The Alienist, medieval folk rock )

- Subaltern/non-hegemonic memories and nostalgia (e.g. migrant memories, queer memories, gender and body images)

- New perspectives on professional public history narratives (e.g. narratives/debates in and about exhibitions, public history, politics of history).

Proposals for all sections should not exceed 500 words and can be submitted in German or English along with a short academic CV by e-mail (doktorandenforum@zzf-potsdam.de) by doctoral candidates or young researchers. The deadline for submissions is 30 April 2021.

The postgraduate forum will not follow the structure of classic conferences. Instead of having several subsequent talks in one section and a commentator summarizing afterwards,we ask the participants to position themselves in a short presentation on a thesis or question to be posed by the organizers in advance. This should enable a more vivid discussion. The respective theses will be developed during the composition of the individual panels on the basis of submitted contributions and sent to the contributors in advance. The speakers to be selected by 15 May 2021 are asked to submit discussion papers of no more than six pages. The Forum will focus on the discussion of the theses and challenges of the respective research projects. For this purpose we ask for a compact and problem-oriented presentation. Innovative presentation techniques are welcome

Contact (announcement)

Maren Francke
Tom Koltermann
Florian Schikowski
Elke Sieber
Robert Mueller-Stahl

ZZF Potsdam
Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam

doktorandenforum@zzf-potsdam.de