Hernán Cortés y 500 años de la conquista de México. Perspectivas interculturales, populares, postcoloniales y didácticas

Hernán Cortés y 500 años de la conquista de México. Perspectivas interculturales, populares, postcoloniales y didácticas

Organisatoren
Felix Hinz, PH Freiburg; Doris Kurella, Linden-Museum Stattgart; Roland Bernhard, Univ. Salzburg; Xavier López-Medellín, Universidad Autónoma del Estado de Morelos, Mexiko
Ort
Stuttgart
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.10.2019 - 22.10.2019
Von
Linda Herrera Cabrera, Pädagogische Hochschule Freiburg

Als Hernán Cortés 1519 die mexikanische Ostküste erreichte und in den darauffolgenden Jahren den Herrschaftsbereich der Azteken sowie weitere Gebiete Mexikos unter seine Kontrolle brachte, war dies ein einschneidendes Vorkommnis – nicht nur für die damaligen Indigenen, sondern auch für das spanische Königreich und ganz Europa. 500 Jahre später jedoch scheint es, als würde dieses Ereignis sowohl in Europa wie auch in Mexiko zunehmend in Vergessenheit geraten oder sogar selbst von der historischen Zunft verschämt gemieden.

Die Veranstalter dieser Tagung – Felix Hinz, Roland Bernhard, Xavier López-Medellín und Doris Kurella – haben sich daher in Anlehnung an die große Landesausstellung „Azteken“ dazu entschlossen, im Linden-Museum Stuttgart eine internationale Tagung zu veranstalten, welche sich allgemein der geschichtskulturellen und insbesondere der literarischen Rezeption der Konquista Mexikos widmete.

Leider wird es im Folgenden nur möglich sein, auf einige der Vorträge einzugehen, – leider deswegen, da auch die hier nicht näher Ausgeführten zum Teil interessante, neue Aspekte beinhalteten und in den zeitlich großzügig bemessenen Diskussionen zahlreiche spannende Querverweise ermöglichten.

CARMEN MARTÍNEZ (Universität Valladolid), die sich seit vielen Jahren mit der Person des Hernán Cortés beschäftigte und gegenwärtig als eine der besten Kennerinnen der Materie gelten kann, machte mit Hilfe ihres Vortrages „La documentación judicial como fuente para el studio de Hernán Cortés y la conquista de México“ auf die Bedeutung aufmerksam, welche die bisher noch nicht vollständig ausgewertete Korrespondenz des Cortés hinsichtlich der zahlreichen Prozesse, die er führte, für die Historiografie hat. Dieses Quellenkorpus lässt nicht nur neue Aufschlüsse über den Charakter des Cortés oder die ihm zu Gebote stehenden Einkünfte zu, sondern zeigt vor allem auch Netzwerke von Personen auf, mit denen er in Kontakt stand und die seine Fälle bearbeiteten.

GORDON WHITTAKER (Universität Göttingen) fasste in seinem Vortrag „Aspectos controvertidos de la conquista desde la perspectiva del Imperio Azteca y los estados vecinos“ Debatten zusammen, welche zur Geschichte der Konquista Mexikos aktuell geführt werden. Gleich anfangs wies er darauf hin, dass genau genommen schon die Verwendung der Bezeichnung „Mexiko“ im Zusammenhang mit der Konquista unter Cortés, irreführend sei, da man heutzutage mit diesem Begriff ein anderes Mexiko meine, als jenes, das es 1519 gab. Mexíco (statt heute México) – das war zunächst einmal Tenochtítlan (statt wie im Spanischen später Tenochtitlán) und keineswegs der gesamte Herrschaftsbereich der Mexíca (Azteken) gewesen. Der aztekische Dreibund hätte auch allenfalls unter der Herrschaft Motecuhzomas II. (ab 1502) langsam imperiale Strukturen angenommen, keinesfalls früher. Im Allgemeinen, so Whittaker, müsste man sich darüber im Klaren sein, dass (auch) die spanische Geschichtsschreibung des 16. Jahrhundert kein Abbild der damaligen Wirklichkeit sein sollte, sondern interessengeleitetes Sinnbild.

Daran knüpfte auch der Vortrag BERNARD GRUNBERGs (Universität Reims) „Hernán Cortés y Bernal Díaz del Castillo“ an, welcher sich mit dem jüngst viel diskutierten Zusammenhang der Schriften des Cortés und des Bernal Díaz beschäftigte (v.a. Christian Duverger vs. Bernard Grunberg). So führte Grunberg den anderen Tagungsteilnehmenden vor Augen, dass Cortés oftmals andere Daten und Zahlen nennt als Díaz del Castillo oder andere Konquistadoren. Diese Widersprüche jedoch tun der grundsätzlichen Glaubhaftigkeit der Schriften keinen Abbruch, da Jahreszahlen und Größenordnungen von z.B. der Heeresgröße des Gegners zur damaligen Zeit vor allem symbolische Zwecke erfüllten. Auch wies Grunberg ausdrücklich darauf hin, wie bedeutsam vor allem auch die Chronik Bernal Díaz del Castillos für die Nachwelt und das Verständnis der Konquista in Mexiko sei, da er zahlreiche Ereignisse beschreibe, welche von Cortés nicht überliefert werden. Mittels dieser Indizien wies Grunberg die These, dass Cortés den Namen des Bernal Díaz gleichsam ‘gekapert‘ und somit unter falschem Namen geschrieben habe, als unbegründet zurück.

Der Vortrag des Ökologen XAVIER LÓPEZ-MEDELLÍN (Universidad Autónoma del Estado de Morelos, Mexiko) mit dem Titel „Consecuencias ambientales de las actividades de Cortés en Morelos“ widmete sich den biologischen und landwirtschaftlichen Konsequenzen, welche die Konquista Mexikos mit sich brachte. Infrastruktur und Landnutzung seitens der indigenen Bevölkerung hatte sich durch Innovationen des Hernán Cortés und spanischer Kolonisten verändert, wobei vor allem der Anbau von Zuckerrohr bis in die heutige Zeit hinein eine wichtige Rolle spielt. Wurde vor 1519 von den Mexíca überwiegend Mais angebaut, so verhalf Cortés in seinem Marquesal (insbesondere im heutigen Morelos) dem Zuckerrohranbau zur Rolle der wichtigsten Anbau- und schließlich auch Exportpflanze. López-Medellín machte dabei darauf aufmerksam, dass Mexiko selbst heute noch der wichtigste Zuckerlieferant der USA sei, sodass man auch hier noch immer den Einfluss der spanischen Konquistadoren nachweisen könne. Allerdings brachte die Veränderung im Wirtschaftssystems Mexikos auch Negatives mit sich, darunter u.a. die vielen absichtlich gelegten Waldbrände und -rodungen, welche zur späteren Bepflanzung des Bodens gelegt werden.

Der kubanische Historiker ALEJANDRO HARTMAN (Baracoa) sprach in seinem Vortag „Cortés y la conquista en la historia popular de Cuba y México” über die Rezeption der Konquista Mexikos nicht nur in Mexiko, sondern vor allem auch auf Kuba. Hartman kam zu dem ihn selbst erstaunenden Befund, dass erstens Cortés vor der Eroberung Mexikos offenbar wirklich keinerlei Konquista-Erfahrung hatte. Es gebe keine Belege für seine Anwesenheit sowohl bei der Verbrennung des Hatuey, als auch beim Massaker von Caonao. Zweitens musste Hartman nach Konsultation von über 70 kubanischen Schulwerken feststellen, dass die Konquista Mexikos nirgends (!) Erwähnung finde. Dabei verbrachte der berühmte Konquistador mehrere Jahre seines Lebens auf der Insel und heiratete in Baracoa auch seine erste Frau Catalina Suárez.

Am Ende des zweiten Tagungstages wurde das Tagungsthema in einen didaktischen und postkolonialen Kontext gestellt.

Mit seinem Beitrag „Cortés – el mito“ leitete der Geschichtsdidaktiker ROLAND BERNHARD (Universität Salzburg) diesen Teil der Tagung ein. Wie der Titel seines Vortrages dabei schon anklingen ließ, stellte er verschiedene Konquista-Mythen vor, welche noch heute in vielen Schulbüchern vorhanden sind. Dabei referierte er Ergebnisse aus seiner schon im Jahr 2013 publizierten Doktorarbeit zu Geschichtsmyhten über Hispanoamerika in deutschen und österreichischen Schulbüchern. In den Lehrwerken dominiere das Bild, der Ausgang der Konquista sei das Resultat davon gewesen, dass die indigene Bevölkerung die Spanier für Götter und Cortés für den Gott Quetzalcóatl gehalten habe. Die meisten Mesoamerikanisten halten diese Narration allerdings für einen Mythos.

Der Vortrag von FELIX HINZ (PH Freiburg im Breisgau) zum Thema „Cortés y los aztecas – aspectos postcoloniales“ hingegen widmete sich nicht zuletzt den jüngsten diplomatischen Verwerfungen, die dadurch entstanden waren, dass der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador („AMLO“) vom spanischen König eine Entschuldigung für die Konquista 1519-21 gefordert hatte. Hinz ordnete diese Forderung in einen größeren historisch-politischen Kontext ein und erörterte das Postulat „historischer Verantwortung“ in postkolonialen Zeiten, wobei er verschiedene Kriterien aufstellte, die eine politische Entschuldigung rechtfertigen könnten. Letztlich wies Hinz das Ansinnen AMLOs unter Verweis auf diese Kriterien als populistisch zurück und vertrat die Ansicht, dass man die Bewertung der Eroberung Mexikos Historiker/innen überlassen sollte.

Dass das Thema in postkolonialen Zeiten auch politisch bisweilen nicht ganz harmlos ist, war allen Beteiligten von Vornherein klar, zeigte sich jedoch auch nicht zuletzt in dem Bericht von DORIS KURELLA (Linden-Museum, Stuttgart) und MARTIN BERGER (Museum Volkenkunde, Leiden), den Kuratoren der Aztekenausstellung, die im Rahmen der Tagung begangen und erläutert wurde.1

Generell ließe sich zu dieser Tagung das Fazit ziehen, dass es zwar nicht ganz unproblematisch war, ein solch kolonial-politisch sensibles Thema nur auf Spanisch (und noch dazu ganz ohne Nachfahren der Mexíca) zu diskutieren, doch überwog klar der positive Ertrag. So waren sich alle Tagungsteilnehmer, die sich ganz offensichtlich freuten, sich endlich zu Cortés und den Azteken zusammen zu finden, einig darüber, dass es wichtig war, die Diskussion über dieses, noch immer nicht nur in Mexiko schwierige Thema zu führen, und beschlossen prompt, im nächsten Jahr die nächste Konferenz zu organisieren und die Diskussion fortzusetzen. Auf den Sammelband, der wohl noch weitere Stimmen aus Mexiko einfangen wird, darf man gespannt sein!

Konferenzübersicht:

Carlos Medina Drescher (spanischer Generalkonsul, Stuttgart): Palabras de bienvenida

Inés de Castro (Direktorin des Linden-Museums Stuttgart): Palabras de bienvenida

Sección 1: Perspectivas

Bernard Grunberg (Univ. Reims): Hernán Cortés y Bernal Díaz del Castillo

Carmen Martínez Martínez (Univ. Valladolid): La documentación judicial como fuente para el estudio de Hernán Cortés y la conquista de México

Gordon Whittaker (Univ. Göttingen): Aspectos controvertidos de la conquista desde la perspectiva del Imperio Azteca y los estados vecinos

Anne Kraume (Univ. Konstanz): La conquista de México en perspectiva de los aztecas

Sección 2: Transculturación

Kristen Mahlke (Univ. Konstanz): Malinche conquistadora - una relectura de algunas fuentes alrededor del encuentro mexicano español en 1519-21

Robert Folger (Univ. Heidelberg): El burocrata como conquistador

Xavier López-Medellín (Universidad Autónoma del Estado de Morelos, Mex.): Consecuencias ambientales de las actividades de Cortés en Morelos

Sección 3: Historia Popular

Esteban Mira Caballos (España): Cortés y la conquista en la historia popular de España

Alejandro Hartman (Baracoa, Kuba): Cortés y la conquista en la historia popular de Cuba y México

Daniel Graña-Behrens (Univ. Bonn): Moctezuma II y Cortés visto desde la escuela alemana de historia y etnología

Sección 4

Roland Bernhard (Univ. Salzburg): Cortés - el mito

Felix Hinz (PH Freiburg): Cortés y los aztecas - aspectos postcoloniales

Doris Kurella (Linden-Museum Stuttgart) y Martin Berger (Rijskmuseum Volkenkunde, Leiden): Los objetivos y aspectos didácticas de la exposicón "Azteken" del Linden-Museum Stuttgart

Anmerkung:
1https://www.lindenmuseum.de/service-menue/presse/azteken/ (18.12.2019).

Kontakt

felix.hinz@ph-freiburg.de

https://www.ph-freiburg.de/index.php?id=20635