Master-Studiengang "Kulturelle Grundlagen Europas" (Univ. Konstanz)

Master-Studiengang "Kulturelle Grundlagen Europas" (Univ. Konstanz)

Einrichtung
Universität Konstanz // Exzellenzcluster "Kulturelle Grundlagen von Integration"
Ort
Konstanz
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.10.2013 -
Bewerbungsschluss
15.05.2013
Von
Hannes Brandt

Der Master-Studiengang „Kulturelle Grundlagen Europas“ bietet eine breite kulturwissenschaftliche Ausbildung.

Studienbeschreibung

Was hält Europa zusammen?
Was treibt es auseinander?
Wie wird Europa von außen gesehen?
Wie sieht es sich selbst?

Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des interdisziplinären, forschungsorientierten Master-Studiengangs. Dabei geht es jedoch gerade nicht um eine essentialistische Suche nach dem genuin Europäischen oder den kulturellen Wurzeln Europas. Stattdessen soll das Konstrukt Europa in den Fokus einer transnationalen und transkulturellen Verflechtungsgeschichte gerückt werden. Neben historischen Voraussetzungen und aktuellen Bedingungen, gilt es auch den Möglichkeitsspielraum zu reflektieren, innerhalb dessen die Fragen nach der Konstruktion Europas heute relevant und interessant sind.

Im Mittelpunkt des Studiengangs steht die kulturwissenschaftliche Erforschung des Projekts Europa: seine Entstehungsgeschichte(n), Ideen, religiösen Prägungen, seine Widersprüche und Ambiguitäten, seine ideellen oder politischen Expansionen, seine Institutionen und kulturellen Konflikte. Der Studiengang ist formal an den Fachbereich Literaturwissenschaft angegliedert, greift neben dem kulturwissenschaftlichen Kernbereich aber explizit auch andere Disziplinen auf. Vor allem die in Konstanz an einem gemeinsamen Fachbereich beheimateten Geschichtswissenschaften und die Soziologie sind stark vertreten. Auch eine politik- oder rechtswissenschaftliche Ausrichtung ist möglich. Durch die Wahl eines entsprechenden Vertiefungsbereichs wird der kulturwissenschaftliche Zugang in die eine oder andere Richtung intensiviert.

Ziel ist die kompetente Analyse und Bewertung vergangener wie aktueller Integrations- und Desintegrationsprozesse. Der Studiengang profitiert in dieser Hinsicht von seiner Anbindung an den Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“. Statt Europa als gegebene Größe zu betrachten – und etwa von vornherein mit der Europäischen Union gleichzusetzen –, stellt der Konstanzer Master-Studiengang „Europa“ als variables Konstrukt mit vielfältigen und zum Teil widersprüchlichen kulturellen Bezügen und Entstehungsgeschichten in den Vordergrund.

In Rechnung gestellt wird dabei zugleich, dass Europa niemals ausschließlich eine europäische Angelegenheit gewesen ist. Die kulturellen Grundlagen Europas berühren die kolonialen und postkolonialen Verflechtungen, die gegenwärtige Migration, die interkulturellen Verständigungen im Zuge der Globalisierung. Darum bezieht der Studiengang programmatisch außereuropäische Partner ein.

Im dritten Semester ist ein Auslandsaufenthalt an einer Partneruniversität in Berkeley, Buenos Aires, Hongkong, Neu Delhi, Pretoria oder Shanghai vorgesehen. Für einige Auslandsstandpunkte (aktuell: Indien und Südafrika) steht vorbehaltlich eine begrenzte Zahl an Vollstipendien zur Verfügung. Die Studierenden werden bei der Wahl ihrer Partneruniversität sowie bei Stipendienbewerbungen intensiv durch das Leitungsteam des Studiengangs und das International Office der Universität Konstanz unterstützt und beraten.

Der forschungsorientierte Studiengang bereitet die Absolventinnen und Absolventen auf ein kulturwissenschaftliches Promotionsstudium vor und qualifiziert sie zugleich für weitere Berufsfelder im europäischen Kontext – etwa in Organisationen und NGOs, im internationalen Kulturaustausch, in Stiftungen und Verlagen sowie in Medien und Öffentlichkeitsarbeit.

Pro Jahrgang werden maximal 20 Studierende aufgenommen. Bewerben können sich aufgeschlossene, ausgezeichnet qualifizierte Studierende mit Bachelor-Abschluss aus dem In- und Ausland.

Mehr über die Studienstruktur

I. Kernbereich (Pflicht)

I.1 Kulturtheorie

Im Kernbereich des neuen Studiengangs soll die europäische Geschichte des Kulturbegriffs aufgearbeitet werden. Gleichzeitig geht es um eine kritische Bestandsaufnahme aktueller Konzepte, die der cultural turn in die Geistes- und Sozialwissenschaften eingebracht hat.

„Kultur“ ist ein europäischer Begriff. Seine Wurzeln reichen in die römische Antike zurück. Konjunktur bekam er jedoch vor allem in der Moderne: im Zuge der Entdeckung und Eroberung neuer Länder, der Konfrontation mit fremden Sprachen, Religionen und Lebensformen, schließlich durch den befremdeten Blick auf die Selbstverständlichkeiten der eigenen Welt.

Der Kampf um kulturelle Vorherrschaft hat Europa nicht nur geeint, sondern ebenso sehr entzweit. Bis heute sind die Grenzen Europas eine Frage von Hürden, an denen sich Kulturen scheiden. Was als „kulturbedingt“ gilt, ist jedoch keineswegs klar, sondern abhängig von unterschiedlichen Vorannahmen – die selbst an kulturspezifische Perspektiven gebunden sind. Je mehr der Kulturbegriff erklären soll, desto wichtiger wird die theoretische Verständigung über tragfähige Konzepte von Kultur.

I.2 Kulturgeschichte

Im Kernbereich des neuen Studiengangs werden einerseits exemplarische Mythen Europas rekonstruiert. Andererseits geht es um die Beleuchtung zentraler Institutionen, von Formen und Praktiken der Traditionsbildung.

Neben den prägenden politischen Einrichtungen und sozialen Gebilden – Demokratie und Imperium, Kirche und Staat, Stadt, Nation und Föderation – hat Europa auch elementare Kulturtechniken hervorgebracht. Wissenschaften und Künste waren entscheidende Triebkräfte, um Herrschaftsansprüche zu befriedigen, in zunehmendem Maße aber auch abzuweisen.

Die Geschichte dieser kulturellen Errungenschaften mitgesteuert haben große und kleine Erzählungen, mit deren Hilfe sich Überlieferungen sichern, Erbfolgen begründen und Zukünfte vorausträumen ließen. So wie der Ursprung Europas sich im Mythos verliert – dem Mythos vom verliebten Zeus in Stiergestalt, der die phönizische Prinzessin Europa raubt –, so sind auch die weiteren Entwicklungen mit Mythen verknüpft: mit Imaginationen von Wiedergeburten, Translationen und Aufbrüchen ins Ungewisse, von universalistischen Entwürfen und Sonderwegen.

I.3 Europa-Parlament

Europa-Parlament heißt das regelmäßige Kolloquium für Studierende und Lehrende. Es dient der gemeinsamen Verständigung über zentrale Studieninhalte sowie praktische Fragen der Studiengestaltung.

Dabei geht es ebenso um die theoretische Reflexion des interdisziplinären Studiums wie um die Gelegenheit zum Gespräch mit Gästen aus Cluster-Forschungsprojekten, die Einblick in Probleme und Fragen ihrer Arbeit geben. Darüber hinaus bietet das Kolloquium Raum für die gemeinsame Vor- und Nachbereitung des Auslandsaufenthalts sowie die Vorbereitung der Masterthesis.

II. Vertiefungsbereich (Wahlpflicht)

Der Vertiefungsbereich bildet neben dem Kernbereich den thematischen Schwerpunkt des Studiums. Er ermöglicht eine gezielte Ausdifferenzierung der Studieninhalte und sichert gleichzeitig die individuelle Orientierung im Studienverlauf.

Während der Kernbereich von allen Studierenden absolviert werden muss (Pflicht), liegt die Wahl des Vertiefungsbereichs bei den Studierenden (Wahlpflicht).

Die Vertiefungsbereiche sind thematisch und disziplinübergreifend organisiert. Ihr Lehrangebot umfasst für die kulturellen Grundlagen Europas relevante Veranstaltungen aus verschiedenen Fächern: namentlich aus den Literaturwissenschaften, der Kunst- und Medienwissenschaft, der Geschichte, der Soziologie, der Philosophie, der Politik- und Verwaltungswissenschaft und der Rechtswissenschaft.

II.1 Narrative, Bildwelten, Imaginationsräume

In diesem Studienbereich geht es um die Schlüsselrolle von Mythen und kollektiven Phantasien im kulturellen Gedächtnis Europas. Untersucht werden Traditionen, Identitätsmodelle und Konfliktmuster, die durch ‚große‘ Erzählungen, Bilder und Ideen begründet und imaginativ wie affektiv organisiert werden. Historisch reicht die Spannweite von der Antike über das lateinische Mittelalter und die Ausdifferenzierung nationalsprachlicher Räume bis hin zu den globalen Entgrenzungseffekten moderner Massenmedien.

II.2 Soziale Dynamiken

In diesem Studienbereich liegt der Akzent auf den sozialen Triebkräften und Bewegungen, die für die kulturelle Entwicklung Europas und seine Stellung in der Welt maßgeblich waren und sind. Kritisch behandelt werden zentrale Problemkomplexe Europas – die Rolle des Religiösen, Kolonialismus, Migration, Globalisierung – und hegemoniale Konzepte wie das des „christlichen Abendlands“, das bis heute die Binnen- und Außenwahrnehmung Europas prägt. Zugleich wird der Virulenz von Kirchenspaltungen, von interreligiösen Durchdringungen und freiwilligen wie unfreiwilligen gesellschaftlichen Aufbrüchen nachgegangen.

II.3 Politische Konstruktionen

Dieser Studienbereich bearbeitet zwei wechselseitig aufeinander bezogene Fragestellungen. Behandelt wird zum einen die Geschichte der politischen Modelle, wie sie in Europa erfunden bzw. angeeignet und fortentwickelt wurden: antike Republiken, Imperien, christliches Kaisertum, Nationalstaaten, totalitäre Regimes und moderne Demokratien.

Zum anderen geht es um Europa als politisches Konstrukt der Gegenwart, um die institutionellen Formen seiner Integration, die Bestimmung seiner politischen Grenzen, die Verfahren zur Lösung seiner inneren und äußeren Konflikte.

II.4 Wissenschaft, Technik, Ökonomien

Dieser Studienbereich fokussiert Europa als historischen Wissensraum. Er geht ein auf die technischen, ökonomischen, rechtlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen, die das Europa der Neuzeit geprägt und seinen Anspruch auf eine zentrale Vormachtstellung in der Welt begründet haben. Im Mittelpunkt steht die kritische Aufarbeitung dieser Geschichte kulturtechnischer Transfer- und Austauschprozesse, mit denen einheitliche Standards Verbreitung fanden, gleichzeitig aber neue kulturelle Gefälle entstanden.

III. Die Agentur Acquin hat den Studiengang „Kulturelle Grundlagen Europas“ im Wintersemester 2008/2009 ohne Auflagen akkreditiert.

Aus der Akkreditierung:

Mit dem Masterstudiengang Kulturelle Grundlagen Europas ist den beteiligten Fachbereichen die Konzeption eines attraktiven und ambitionierten Studienprogramms gelungen, dem die Gutachterkommission ohne Vorbehalt zustimmt. Entsprechend der Gesamtstrategie der Universität Konstanz wurde ein forschungsorientierter Masterstudiengang implementiert, der sich auf hohem wissenschaftlichem Niveau bzw. auf dem Stand der gegenwärtigen Debatten über Kultur und Kulturalismus befindet.

IV: Link zur Bewerbung und Bewerbungsvoraussetzungen: http://www.exc16.de/cms/europa-bewerbung.html