Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 10/2018

Themenportal Europäische Geschichte

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Von
Siegrist, Hannes - Universität Leipzig

Themenportal Europäische Geschichte

Liebe Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult,

nachfolgend finden Sie eine Aufstellung der zuletzt neu ins Themenportal Europäische Geschichte eingestellten Artikel, Essays, Materialen und Quellenauszüge.

Essay/Artikel:

Sebastian Haumann: Der transatlantische Paradigmenwechsel in der Stadtplanung. Zur westeuropäischen Rezeption von Jane Jacobs’ The Death and Life of Great American Cities in den 1960er- und 1970er-Jahren.
Abstract:
Zwischen den 1960er- und den 1980er-Jahren wandelten sich die Prämissen der westeuropäischen Stadtplanung grundlegend. Galten in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg die Flächensanierung von Altbauquartieren, der Bau von Großsiedlungen und eine strikte Funktionstrennung als geeignete Maßnahmen, um die Lebensqualität zu verbessern, setzte sich ab den 1960er-Jahren das Leitbild einer erhaltenden Erneuerung und der Durchmischung durch. Dieser Wandel ist in der historischen Forschung allgemein als Paradigmenwechsel beschrieben worden, der die gesellschaftlichen Vorstellungen über funktionsfähige und lebenswerte Städte erfasste, sich aber auch ganz konkret in den Instrumenten der Stadtentwicklung niederschlug. Die allmähliche Verschiebung der Planungsprämissen seit den 1960er-Jahren verlief in den einzelnen westeuropäischen Gesellschaften und in einzelnen Städten sehr unterschiedlich. Auffällig ist letztlich aber, dass planerische Annahmen und städtebauliche Maßnahmen, die um 1960 als selbstverständlich galten und umgesetzt wurden, um 1990 kaum irgendwo mehr akzeptabel waren und, zumindest deklaratorisch, als ausgeschlossen galten.
Fragt man Zeitzeuginnen und Zeitzeugen nach dem einflussreichsten Impuls für den Wandel der Stadtplanung, wird fast einhellig das im Jahr 1961 erschienene Buch The Death and Life of Great American Cities von Jane Jacobs genannt. Jacobs’ Streitschrift war zwar in erster Linie eine Abrechnung mit der Stadtentwicklungspolitik des New Yorker Chefplaners Robert Moses und rekurrierte deshalb auf Beispiele aus der US-amerikanischen Metropole. Aber die Beobachtungen und Befunde erschienen auch in Westeuropa in höchstem Grad anschlussfähig. Jacobs griff nicht nur Flächensanierung, Großsiedlungsprojekte und Funktionstrennung mit überzeugenden und scheinbar allgemeingültigen Argumenten an. …
In: Themenportal Europäische Geschichte, 2018, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/artikel-4554>.

Anna Karla: Erfüllungspolitik im Optativ. Ein deutscher Bauunternehmer über den Wiederaufbau in Nordfrankreich (1919).
Abstract:
Im September 1919 reiste eine Delegation im Auftrag der deutschen Regierung durch den Nordosten Frankreichs. Ziel der Reise war es, sich ein Bild zu machen: davon, wie es ein knappes Jahr nach dem Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und den Staaten der Entente um die Gebiete an der ehemaligen Westfront bestellt war; davon, welches Ausmaß der Zerstörungen sich in der Region nördlich und östlich der französischen Hauptstadt bot; davon, was zu tun sei, um den Wiederaufbau voranzutreiben, der auf der Friedenskonferenz in Versailles, in der französischen Presse und in der lokalen, regionalen und nationalen Politik als drängendes Problem gehandelt wurde.
Mit von der Partie war Julius Berger, der als Bauunternehmer für eine sachgerechte Begutachtung zerstörter Bausubstanz als bestens geeignet galt. Im Anschluss an die Reise verfasste Berger eine Denkschrift, die er an die Reichskanzlei in Berlin sandte. Die zwölfseitige maschinenschriftliche Abhandlung ist auf den 17. Oktober 1919 datiert. Im Begleitschreiben schlug der Verfasser auch ein Jahr nach dem Sturz der Hohenzollern postmonarchische Töne an, indem er „Seine […] Hochwohlgeboren Herrn Reichskanzler Bauer“ um „gefällige Kenntnisnahme“ der Gedanken bat, die er „auf Grund der gesammelten Erfahrungen“ formuliert hatte. …
In: Themenportal Europäische Geschichte, 2018, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/artikel-4600>.

Detlef Lehnert: Demokratie und Diktatur. 100 Jahre nach der Epochenzäsur von 1918.
Abstract:
„Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie“[2] wurden mit einem die Hintergründe – gerade auch der russischen Revolutionen – wesentlich aus unterschiedlichen agrargesellschaftlichen Strukturen erklärenden Ansatz thematisiert. Dass 1917 mit dem Kriegseintritt der USA und dem russischen Revolutionsgeschehen eine bis um 1990 ausstrahlende westlich/östliche Weltkonstellation grundformiert war, ist seither immer wieder betont worden. An das bevorstehende Jahrhundert-Jubiläum der Weimarer Nationalversammlung und ihres Verfassungswerks 1919 wird sicher auch in breiterer Öffentlichkeit noch intensiv zu erinnern sein. Die Bedeutung der Epochenzäsur von 1918, gerade auch für die Polarität von Demokratie und Diktatur, könnte zwischen den Bezugnahmen auf 1917 und 1919 in den Hintergrund geraten. Aktuelle Gefährdungen einer demokratischen politischen Kultur in Europa und den USA, teilweise sogar Übergriffe gegen demokratisch-verfassungsstaatliche Institutionen, würden das aber durchaus problematisch erscheinen lassen. Dieser Beitrag greift die Stichworte der vor genau 100 Jahren erschienenen Schrift von Karl Kautsky „Demokratie oder Diktatur“ auf; sie ist dabei in historische Kontexte dieser Umbruchsperiode zu stellen, auch über die vom Autor ins Zentrum der Argumentation gerückte Polarität von demokratischem Sozialismus und bolschewistischer Diktatur hinaus.
Bis einschließlich 1917 wurde die (moderne westliche) politische Demokratie bzw. der „Volksstaat“, wie ein zunächst sozialdemokratisch und linksliberal gebräuchliches Synonym lautete, deutschsprachig noch kritisch gegenüber dem „Obrigkeitsstaat“ polarisiert, den (nicht nur) dessen Verteidiger zumeist als konstitutionelle Monarchie bezeichneten. …
In: Themenportal Europäische Geschichte, 2018, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/artikel-4525>.

Gabriel Montua: „Mit dem roten Keil schlage die Weißen“. El Lissitzkys Propagandaplakat aus dem Russischen Bürgerkrieg von 1919/1920 und der Kampf um die Tragweite der kommunistischen Revolution.
Abstract:
Ein roter Keil penetriert von links oben einen weißen Kreis. Seine Spitze hat den Mittelpunkt des Kreises bereits erreicht. Dies ist die Hauptaussage des Propagandaplakates, das der russische Avantgardekünstler El (kurz für Lazar’) Markovic Lissitzky 1919 oder 1920 im Auftrag der Bolschewiki entwarf, als der in Petrograd und Moskau siegreiche Kommunismus besonders im Südwesten des Landes von einer anti-bolschewistischen Koalition bekämpft wurde, deren Armeen sich „die Weißen“ nannte. Im Plakat sind noch weitere grafische Elemente zu finden, etwa die diagonal und im rechten Winkel zur Mittelachse des Keils verlaufende Teilung des Hintergrundes in der Bildmitte, welche als farblicher Kontrastraum die beiden zentralen Elemente besser in Szene setzt: Der rote Keil erscheint vor weißem Hintergrund, der weiße Kreis ist von Schwarz umfasst. Eine Reihe von kleineren geometrischen Elementen, Strichen, Vierecken, langgezogenen Dreiecken als Miniaturformate des zentralen Keils, scheinen sich wie Funken oder Splitter von der Stelle nach oben und nach unten zu entfernen, an welcher der große rote Keil den weißen Kreis erstmals gerammt hat. Sie sind in den selben Farben gehalten wie der Rest des Plakates, rot, weiß, schwarz und, da die Materialknappheit nicht mehr als drei Druckfarben vorsah, eine Alternierung von schwarz und weiß, welche grau suggerieren soll. Schließlich finden sich noch vier Worte in serifenloser und dadurch modern wirkender kyrillischer Druckschrift auf dem Plakat. Oben links, als drückten sie den Keil, „Klinom krasnym“, unten rechts, als würden sie bereits aus dem angegriffenen weißen Kreis fliehen, „bey belych“: „Mit dem roten Keil schlage die Weißen“. …
In: Themenportal Europäische Geschichte, 2018, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/artikel-4473>.

Material/Quellenauszug:

Auszüge aus der Denkschrift zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete Nordfrankreichs von Kommerzienrat und Bauunternehmer Dr. Julius Berger (17. Oktober 1919), in: Themenportal Europäische Geschichte, 2018, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/artikel-4601>.

Jane Jacobs: The Death and Life of Great American Cities (1961), in: Themenportal Europäische Geschichte, 2018, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/artikel-4555>.

Karl Kautsky, Demokratie oder Diktatur, 2. Aufl. Berlin 1918, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2018, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/artikel-4526>.

El Lissitzky: Mit dem roten Keil schlage die Weißen (1919/1920), in: Themenportal Europäische Geschichte, 2018, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/artikel-4474>.

Das Themenportal Europäische Geschichte veröffentlicht seit 2006 unter der Adresse <http://www.europa.clio-online.de> Materialien (Textdokumente, Statistiken, Bilder und Karten), Darstellungen und Debatten zur Geschichte Europas und der Europäer/innen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Nutzerinnen und Nutzer, die gerne mit eigenen Beiträgen mitwirken möchten, werden um Vorschläge gebeten. Schreiben Sie bitte an die Redaktion <clio.europa-redaktion@geschichte.hu-berlin.de>. Über die Auswahl und Annahme von Beiträgen entscheidet das Herausgeberkollegium aufgrund eines unkomplizierten Evaluationsverfahrens. Weitere Informationen zur Zielstellung und Konzeption des Projektes finden Sie auf den Webseiten des Projektes.

Im Namen der Herausgeberinnen und Herausgeber des Themenportals wünschen ich Ihnen erfolgreiche wie auch erholsame Semesterferien.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Hannes Siegrist (Leipzig), Sprecher des Herausgeberkollegiums

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